Situationen wie diese kennt jeder Karlsruher. Die freundlichen Herren, die nach Fahrkarten fragen und dabei noch bestimmt auf diverse Vergehen in der Bahn hinweisen, sind immer wieder anzutreffen und machen so manchem Schwarzfahrer, Alkohol-Trinker oder Laut-Musik-Hörer das Leben schwer. Und sie sind diskret. So diskret, dass sie mir nicht einmal ihre Vornamen verraten wollen.
Schwarzfahren: Karlsruhe ist Durchschnitt
Herr Kleinlercher, Sachgebietsleiter für den Prüfdienst beim Karlsruher Verkehrsverbund (KVV), erklärt mir, wen genau man bei einer solchen Kontrolle dann überhaupt vor der Nase hat. "Die Leute kommen unter anderem von der VBK, von der AVG und auch von der b.i.g. Sicherheit GmbH (b.i.g.)." Mit der Sicherheitsfirma arbeitet der KVV schon seit Jahren zusammen, seit einiger Zeit ist die Zusammenarbeit noch intensiver: Die Zahl der b.i.g.-Mitarbeiter wurde von 30 auf rund 80 Personen aufgestockt. "Letztes Jahr hatten wir gut 54.000 Personen ohne gültigen Fahrausweis, im Jahre 1999 waren es noch 13.000 bis 14.000", berichtet Kleinlercher. Er selbst macht alles, was beim KVV mit Kundenservice zu tun hat und ist in den Bahnen nur noch bei Stichproben anzutreffen.
Brennpunkte: außerhalb liegende Haltestelle wie diese an der Europahalle (Foto: ka-news) |
Wie schlimm sieht es denn mit der Schwarzfahrerquote aus in Karlsruhe, verglichen mit anderen Städten? "Der Trend ist bundesweit gleich", berichtet Kleinlercher. "Das zieht sich durch alle Gesellschaftsgruppen, dabei ist unser Tarifsystem eines der besten." Das mag sein, denn der KVV will nach eigenen Angaben "durch günstige Monats- und Jahreskarten sowie Abonnements Stammkunden gewinnen". Dabei sei es mit spezifischen Angeboten für Schüler, Studenten, Berufstätige und Senioren gelungen, die Zahl der Stammkunden deutlich zu erhöhen, so der KVV.
Es werden schon auch mal Flaschen geworfen...
Und wie gefährlich ist der Beruf der Sicherheitsleute in den Karlsruher Bahnen? "Seit die Dienstkleidung eingeführt wurde, ist die Zahl von Körperverletzungen bei Angehörigen des Prüfdienstes glücklicherweise stark zurückgegangen", meint Kleinlercher. Er erinnert sich an eine Situation im Spätherbst letzten Jahres. Seine Leute seien im Murgtal unterwegs gewesen, in der Bahn Richtung Freudenstadt, und wie immer hätten sie nach den Fahrkarten gefragt. Einer der Fahrgäste habe "keine Fahrkarte, stattdessen aber ein Bier in der Hand" gehabt und sei deshalb natürlich aufgeschrieben worden. Kaum wollten die Kontrolleure aussteigen, sei eine Flasche geflogen. Glücklicherweise ging der Angriff glimpflich aus, doch an Beispielen wie diesen merkt man wohl, dass der Beruf nicht ganz ohne ist.
Wer kennt nicht das Bild an Haltestellen und in Bahnen "herumhängender" Jugendlicher, in Begleitung ihrer Wodka- und "Big-Pump"-Flaschen, mit Zigaretten in der Hand und ohne jegliche sinnvolle Beschäftigung? Woher kommt dieses Phänomen und wieso dienen als Schauplätze gerade die Nahverkehrsmittel und Haltestellen in der Stadt? "Das mit den Jugendlichen ist ein gesellschaftliches Problem", meint Kleinlercher. "Das ist bundesweit das Gleiche, obwohl Karlsruhe vor zehn Jahren wirklich noch die 'Insel der Glückseligen' war."
Ernster Appell an die Fahrgäste
Big Brother im digitalen Zeitalter (Foto: ka-news) |
Er habe das in anderen Städten schon früher beobachten können und seit 1999 entsprechende Seminare für das Personal eingeführt, erzählt der Sicherheitsfachmann. "Die Jugendlichen brauchen nun mal ein Bewegungsfeld. Wir haben bestimmte Haltestellen immer im Auge, auch in Form von Kameraüberwachung. Nicht immer klemmt es in der Innenstadt, sondern vor allem auch an der Europahalle und an anderen außerhalb liegenden Haltestellen. In den meisten Bahnen gibt es ja sowieso schon eine Überwachung per Kamera."
Ein Appell an die Fahrgäste, den Kleinlercher noch gerne loswerden möchte, ist an sich ein schlichter, aber dennoch ernster: "Die Menschen sollten mehr Rücksicht aufeinander nehmen. Ich muss mich zum Beispiel nicht wegen ein paar Haltestellen mit dem Fahrrad in die Bahn quetschen, wenn schon ein Kinderwagen und ein Rollstuhlfahrer drin stehen."
Nach meinen Gespräch mit Kleinlercher bringt man mich zum Durlacher Bahnhof. Dort werde ich eine Gruppe von Big-Mitarbeitern begleiten, die heute Nacht in der Bahn Fahrkarten kontrollieren und für Recht und Ordnung sorgen soll. Was genau dabei passiert, wird im nächsten Teil dieser dreiteiligen ka-news-Reportage am kommenden Freitag zu lesen sein.