Bereits im vergangenen Jahr waren die Glocken für die Dresdner Frauenkirche in Friedrichshall schon einmal gegossen worden, doch bedingt durch eine Primaufspaltung aufgrund des starken Reliefs, mussten sie noch einmal geformt werden. Das Werk ist nun getan. Die Glocken sind gegossen, und auch die Töne, die sie von sich geben, sind für die Experten zufriedenstellend. "Was zählt, ist der Eindruck, den man nach dem ersten Anschlag hat", erklärt Kurt Kramer. "Dabei wird die eigentliche Prüfung ausschließlich durch das Gehör vollzogen. Die Stimmgabel braucht man nur zur theoretischen Bestätigung." Zeuge der ersten Anschläge war Oberbürgermeister Heinz Fenrich, der die Prüfung der Glocken als ein "außergewöhnliches Ereignis" bezeichnete und in seiner Begrüßungsrede äußerte: "Ich hoffe, dass der Name Karlsruhe in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden zukünftig ein wohlklingender Name ist." Er wies auf die lange Tradition der Glockengießerei in der Fächerstadt hin, wo bereits seit 99 Jahren Kirchenglocken hergestellt werden.
David ist eine romantische Glocke
Die Experten sind mit dem Klang der Glocken sehr zufrieden (Foto: ka-news) |
Begonnen wurde mit der kleinsten Glocke. Ihr Name: Hanna. Ihr Klang, laut Kramer: "Frisch, klar, freundlich." Er sprach in Adjektiven. "Wunderschön, sinnfreudig, frohlockend. Eine ganz tolle Glocke." Mehrmals schlug er sie an. Dann folgte eine Stille, die nur von dem leisen Nachklang des Grundtons durchzogen wurde. "Die Qualität wird sofort beim Anschlag festgestellt", erklärte der Glockenexperte. Die aufwendige technische Analyse, das Maßnehmen und Wiegen sollte später unter Ausschluss der Medien vollzogen werden. Auch mit Philippus zeigte sich Kramer zufrieden: "Die beiden könnten Geschwister sein." Das Anschlagen der Glocken erfolgte einerseits mit einer besonderen Glocken-Stimmgabel und andererseits mit jeweils dem Klöppel, der ihnen auch in Zukunft ihre Töne entlocken wird.
Der Klang einer Glocke besteht grundsätzlich aus einem Unterton, dessen Prime, Terz und Quinte. Die Glocke David nannte Kramer eine "romantische Glocke", da bei ihr die Terz stärker mitschwingt. David ist ohnehin eine Besonderheit. Auf seiner Rückseite ist der Davidstern der Dresdner Synagoge zu sehen, die zur Zeit des Nationalsozialismus niedergebrannt wurde. Mit David wollen die Christen um Vergebung bitten für eine Mitschuld, die sie auf sich luden, indem sie damals schweigend zusahen. Von Josua zeigte sich Kramer nicht ganz so begeistert wie von dessen drei kleineren Artgenossen. "Diese Glocke hat eine leichte Schwebung und wird geringfügig korrigiert werden müssen." Kein Grund zur Beunruhigung, denn "im Nachhinein muss meist ein wenig korrigiert werden."
Auf die Glocken wartet in Dresden ein großer Empfang
Jeremia wird das jedoch nicht passieren, denn nach dessen ersten Tönen war Kramer regelrecht hingerissen. "Diese Glocke hat Charakter", erklärte er. "Da bewegt sich etwas. Sie singt, sie hat Farbe und Leben. Das ist die perfekte Glocke." Zuletzt wurde die größte und tiefste der gelagerten Glocken geschlagen. Dieses "kräftige Fundament" war jedoch nicht neu gegossen, sondern nur korrigiert worden. Das 1.740 Kilogramm schwere Stück brachte die Ohren wortwörtlich zum Klingen. Der Unteron dieser Glocke ist ganze 160 Sekunden lang zu hören. Als die Einzelstücke zuletzt alle nacheinander angeschlagen wurden, herrschte in der Lagerhalle andächtiges Schweigen. "Die Glocken sind aller Gerüchte entgegen gelungen", resümierte Kramer. "Dabei sind sie alle unterschiedlich im Charakter. Sie bilden keinen Einheitsbrei."
Thümmel prüft die Glocke mit einer Stimmgabel (Foto: ka-news) |
Nur bis zum nächsten Dienstag, 29. April, werden die Glocken noch in Karlsruhe bleiben. Dann wird die geschichtsträchtige Fracht von der Schenker Deutschland AG nach Dresden transportiert. In Dresden soll den sieben schweren Ankömmlingen ein großer Empfang bereitet werden. Es ist geplant, sie am Sonntag, 4. Mai, auf einem Pferdewagen durch die Dresdner Innenstadt zu fahren. An jeder Kirche wird der Wagen anhalten, damit die altansässigen Dresdner Glocken ihre neuen Artgenossen mit fröhlichem Läuten begrüßen können. Ihren ersten großen Einsatz sollen die in Karlsruhe gegossenen Prachtstücke am Pfingstsamstag haben. Es ist geplant, sie dann erstmalig zu läuten. Mehr Bilder der Glocken gibt es in unserem aktuellen ka-news-Projektor.