Der Towerlotse im Badischen hat bis in eine Höhe von knapp 800 Metern die Lufthoheit über seine Kontrollzone bis ins Elsass hinein. Und keiner stört sich (mehr) daran. Badens sogenanntes "Tor zur Welt" steht sperrangelweit offen. Der ehemals belächelte Airport meldet phänomenale Zuwachsraten. Gut ein Drittel der jährlich mehr als eine Million Passagiere kommt aus Frankreich. Zwischen der Schweiz und Deutschland werden für Zürich-Kloten Pakete gegen Fluglärm geschnürt und wieder gelöst. Am Oberrhein denken die Beteiligten etwas europäischer. Der lange belächelte Baden-Airport in Söllingen ist fast schon ein deutsch-französischer Flughafen.
Dabei waren sich die Nachbarn vom "Aéroport International Strasbourg" und "FKB" dem Flughafen Karlsruhe-Baden jahrelang in herzlicher Feindschaft verbunden. Als der Boom der Billigflieger mit Ryanair begann, bevorzugte die irische Linie zunächst die Elsassmetropole und die Badener gingen leer aus. Das ging so lange gut, bis die französische Konkurrenz von Air France den eigenen Hausflughafen in Straßburg erfolgreich verklagte, weil der die irischen Billigflieger mit subventionierten Gebühren gelockt und damit bevorzugt hatte. Das war der Moment, als im Badischen der sogenannte Steigflug begann. Der war für den mit zig Millionen Steuergeldern fulminant geförderten Baden-Airport auch bitter nötig gewesen. Er hatte eine unrühmliche Gründerzeit hinter sich.
Im Juni 2003 landete die letzte Concorde auf dem Baden-Airport - mitten zwischen Getreidefeldern (Foto: ka-news) |
Badens Tor zur Welt war 1996 mit Flowtex-Betrugsmillionen geöffnet worden. Der ehemalige Vorzeige- und spätere Skandalunternehmer Manfred Schmider hatte die frühere kanadische Airbase mit seinem ergaunerten Geld gekauft. Das waren Zeiten, an die die Verantwortlichen heute eher ungern zurückdenken. Zeiten, in denen die Akzeptanz des neuen Regionalflughafens fast gegen null gegangen war und Spöttern zufolge fast jede Fliege als Flieger gezählt wurde, nur um die Statistik schönzuschreiben und reichlich fließende Steuermillionen zu erklären.
Vier Boeing-Jets pro Stunde zur Hauptverkehrszeit
Heute liegen Frankreich und Deutschland an der badisch-elsässischen Nahtstelle - zumindest luftfahrtpolitisch - weit enger zusammen als etwa der Süden Baden-Württembergs und die Schweiz. Für Zürich-Kloten werden immer neue Pakete gegen Fluglärm geschnürt, aber auch - wie jetzt - wieder gelöst. Am Oberrhein mit seinen wenigen Dutzend täglichen Starts und Landungen gibt es derlei Dispute noch nicht. Badens Tor zur Welt ist ein beschaulicher Flughafen umgeben von parkähnlichen Landschaften, mit einem veritablen Golfgelände unweit der Startbahn. Wenn vier Boeing-Jets von Air Berlin oder Ryanair zwischen 20 und 21 Uhr aus Berlin, Hamburg, Dublin oder London einschweben, herrscht so etwas wie Hauptverkehrszeit am Himmel.
Dann stecken ein paar enthusiastische "Plane-Spotter" und Fotografen an lauen Sommerabenden ihre Ferngläser und Teleobjektive durch den Flughafenzaun und knipsen die Jets, die durch einen Airpark rollen, der aussieht wie ein Kornfeld. Das vor wenigen Jahren eröffnete neue Terminal kann bis zu 2 Millionen Passagiere jährlich abfertigen. Und ein paar Tausend Fluggäste, die sich an manchen Herbst- und Wintertagen schwarz ärgern, weil das badische Tor zur Welt in einer dicken Nebelsuppe verschwindet und zwangsläufig geschlossen ist, müssen nur noch ein Jahr vertröstet werden. Ende 2009 wird die Landebahn mit einem neuen Instrumentenlandesystem und neuer Befeuerung "allwettertauglich" sein, heißt es.
Flugplatz im Grünen: der Baden-Airport (Foto: pr) |
Das muss sie auch, denn nicht nur die mit kommunalen Gesellschaftern verstärkte badische Tochter des Stuttgarter Landesflughafens hat große Pläne, sondern auch Ministerpräsident Günter Oettinger. Sein unlängst verkündetes Aus für eine zweite Startbahn in Stuttgart versuchte er nervös werdenden Fluglinien mit einem Blick nach Baden zu verkaufen. Am liebsten würde der Regierungschef den musterländlichen Luftraum für Urlauber und Geschäftsreisende neu ordnen. Fluggäste mit Badehose ins Badische, mit Anzug und Krawatte nach Stuttgart. Kapazitäten mangels zweiter Bahn nach Baden auslagern, und dort in zehn Jahren die Passagierzahlen verdoppeln, war seine Devise.
Air Berlin: "...richtet sich nicht Vorstellungen von Landespolitikern"
Die Profis im Luftfahrtbusiness kommentieren derlei gut gemeinten Nachhilfeunterricht eher diplomatisch. Lufthansa-Flüge, von denen sie im Badischen realistischerweise allenfalls träumen, wird es auf absehbare Zeit nicht geben, weil "Stuttgart einfach zu wichtig für uns ist", wie eine Sprecherin der Kranich-Airline erklärt. Dafür fühlt sich der schärfste Lufthansa-Konkurrent Air Berlin am Rhein immer wohler. Oettingers Absicht, Stuttgart mit Geschäftsfliegern "zu veredeln" stehe "im diametralen Gegensatz zur Verteilung der Passagiere in der Realität", sagt die Air-Berlin-Sprecherin. Ihr Unternehmen werde sich "nach den Bedürfnissen des Passagiere", aber "nicht nach den abstrakten Vorstellungen von Landespolitikern" oder der "realitätsfernen Sichtweise" des Regierungschefs richten. Auch der beschauliche Baden-Airport, der im operativen Geschäft längst Geld verdient, ist selbstbewusst: "Die zwei Millionen Passagiere schaffen wir allein."
[Meinrad Heck ist Karlsruhe-Korrespondent der "Stuttgarter Zeitung". Der Beitrag erschien dort am Freitag, 4. Juli. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.]