Eine kleine Szene aus der Grundschule: Es wird gerade eine Klassenarbeit geschrieben. Zwei Mädchen sitzen nebeneinander, das eine lunzt frech auf das Heft ihrer Sitznachbarin.
Freunde, die keine sind
Diese hält jedoch nicht viel von der Spionage und brüllt einmal laut durch die Klasse: "Ey, guck nicht! Das ist mein Heft! Wenn du noch einmal guckst bist du nicht mehr meine Freundin."
So einfach kann das sein. Und eben doch wieder nicht. Während der amerikanische Freund von nicht ganz so nebenan ebenfalls frech über den Atlantik lunzt und scheinbar von Angela Merkel bis zu Maxi Mustermann alles ausspioniert, was angeblich terroristisch verdächtig sein könnte, faltet "Sitznachbar" Deutschland die Hände im Schoß und guckt in die Luft.
Das machen die nicht, wir sind doch Freunde. Als dann in Form eines Briefes ein Zettel zugesteckt wird, auf dem sich einer der bekanntesten Männer der Welt, Edward Snowden, zu einer Kooperation in Sachen Aufklärung bereit erklärt, nimmt die deutsche Regierung den Zettel an und zerreißt ihn. Aufklärung, das wollen wir nicht. Zumindest nicht, wenn dadurch die Freundschaft zu Amerika gefährdet wird.
In diesem Kontext wird das Wort Freundschaft viel zu inflationär verwendet. Jeder würde sich verraten und betrogen fühlen, wenn er erfährt, dass sein vermeintlicher Freund ihn ausspioniert. Er würde ihm die Freundschaft kündigen. Oder wenigstens scharf zur Rede stellen und ein "Ich hab nichts gemacht" nicht einfach so akzeptieren und die Spionageaffäre für beendet erklären. Und er würde auch Hilfe von außen annehmen, wenn sie zur Klärung der Sachlage beitragen kann. Edward Snowden könnte das. Ihn nach Deutschland zu holen wäre endlich mal ein eindeutiges Zeichen in Richtung USA: So nicht, lieber Freund, nicht mit uns.