Unser Klima ist dabei, sich zu verändern - das ist ein Fakt, den man nicht mehr wegdiskutieren kann - selbst wenn das Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, erreicht werden sollte. Die ersten Anzeichen für den Klimawandel sind schon heute zu beobachten.
Extrem heiße und trockene Sommer wie in den Jahren 2003, 2010, 2014 - und zuletzt 2018 - aber auch Starkregen und Stürme, stellen Städte und Stadtplaner vor neue Herausforderungen. Auch Karlsruhe muss sich auf die Auswirkungen einstellen.
Widerstandsfähige Bäume in der Stadt
"Gesunde und nachhaltige städtische Grünflächen aus Bäumen und Wäldern reinigen die Luft, erhalten die Biodiversität und kühlen das Klima in der Stadt. Sie sind somit eine Voraussetzung für eine klimaresiliente, also widerstandsfähige Stadt", sagt Somidh Saha, Forstwissenschaftler am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am KIT. Er ist der Leiter der noch recht jungen Forschungsprojekts "Grüne Lunge".

An dem Projekt sind nicht nur Forscher des KIT beteiligt. Auch die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) aus Freiburg, das Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung Freiburg (ZMMF) vom Deutschen Wetterdienst sowie Vertreter der Städte Karlsruhe und Rheinstetten sind in die Forschungen involviert, erklärt Saha.
Ziel ist es laut Somidh Saha, kurz- und langfristige Strategien zu entwickeln, um die Resilienz, also die Widerstandskraft der Stadtbäume und -wälder zu verbessern. "Unsere Forschung soll helfen, aktuelle Pläne für das Management von Stadtbäumen zu optimieren und sie besser an Klimaveränderungen anzupassen", erklärt der Forstwissenschaftler gegenüber ka-news.
Wie reagieren Bäume auf Klimaveränderungen?
Die Forscher des Projekts Grüne Lunge wollen Studien an Bäumen durchführen, um ihre Ökosystemdienstleistungen einschätzen und die Anfälligkeit für Auswirkungen des Klimawandels beurteilen zu können. Dafür werden Daten von Bäumen in Karlsruhe und Rheinstetten analysiert, erläutert Saha.

Außerdem soll untersucht werden, welchen Einfluss Stadtbäume auf die Gesundheit der Einwohner haben. Hier geht es besonders um die Reduzierung von Hitzestress und Belastungen durch Umweltverschmutzung. Die Forscher des ZMMF wollen anhand dieser Untersuchungen eine bioklimatische Karte von Karlsruhe und Rheinstetten erstellen, die bei der zukünftigen Planung von Grünflächen helfen soll.

Forscher der FVA wollen anhand von Jahresringen der Bäume untersuchen, wie Klimaveränderungen, beispielsweise Dürren und Umweltverschmutzung, das Wachstum der Bäume beeinflussen.
Bürgerbeteiligung ist erwünscht
Ein besonderer Fokus des Projekts liegt bei der Beteiligung von Bürgern und verschiedenen Interessensvertretern, so Saha. Ein Team des Forschungs- und Entwicklungsprojekts "Quartier Zukunft - Labor Stadt" des KIT hat die Aufgabe, den Dialog zwischen Anwohnern und Forschern herzustellen. Unter dem Motto "Think global, act local" sollen Mitmach-Aktionen und Informationsveranstaltungen organisiert werden.
Am 8. April fand ein erstes Arbeitstreffen mit Bürgern aus Rheinstetten unter dem Namen "Runder Tisch - GrüneLunge in Rheinstetten" statt. Weitere Informationsveranstaltungen gab es im Anschluss bereits, im Juli soll ein drittes Treffen folgen.

"Die ersten Ergebnisse unseres Projekts können wir 2021 erwarten. Mithilfe dieser Ergebnisse können dann die Städte Karlsruhe und Rheinstetten ihr Management der Stadtbäume anpassen und optimieren", so Somidh Saha.
Klimaanpassung ist kein neues Thema
Die Forscher sind aber nicht die einzigen, die sich Gedanken über Klimaanpassungen in Städten machen. "Das Thema ist nicht neu. Die geographische Lage und klimatischen Bedingungen spielten bei Stadtgründungen schon immer eine wichtige Rolle", antwortet Markus Neppl, Professor für Architektur und Stadtplaner am KIT auf Anfrage von ka-news.

"Wenn sich die Bedingungen schnell verändern, ist es aber nahezu unmöglich, das urbane System schnell den neuen Bedingungen anzupassen", so Architekt Markus Neppl. Besonders beim baulichen Bestand sei dies ein Problem. Deshalb konzentrieren sich laut Neppl viele Städte vor allem auf die Neuanlage von Grünflächen, die Durchlüftung und eine effektiveres Management des Wasserhaushalts.
Bessere Durchlüftung und mehr Grün
Einen ähnlichen Plan verfolgt auch die Stadt Karlsruhe. 2013 wurde die "Klimaanpassungsstrategie" vom Gemeinderat einstimmig zur Kenntnis genommen, 2015 wurde der "Städtebauliche Rahmenplan Klimaanpassung, Anpassungskomplex Hitze" verabschiedet.
Dabei konzentriert sich die Strategie einerseits auf die Berücksichtigung von guter Durchlüftung und übergeordneten Kaltluftleitbahnen bei der Planung neuer Bauprojekte, wie die Stadt auf Anfrage von ka-news mitteilt. Ein zweiter Schwerpunkt liege auf der Planung von Grünflächen, da diese ein starkes Aufheizen der Flächen verhindern.

Diese Punkte würden bei Neuplanungen mitberücksichtigt. Im Baubestand sei die Umsetzung schwieriger, da Veränderungen oft schwer umzusetzen seien und meist die nötigen Flächen fehlten, so die Stadt.
Förderungen für privates Grün
Bei der Planung der Grünflächen soll darauf geachtet werden, dass bei Neupflanzungen Bäume verwendet werden, die mit der Kombination aus Hitze und anhaltender Trockenheit gut auskommen. Die verstärkte Begrünung ist für Dächer und Fassaden, Innen- und Hinterhöfe und Parks geplant. Begrünung im privaten Bereich soll durch Fördermöglichkeiten unterstützt werden, so die Stadt.

Auch Brunnen und Wasserspiele sollen erhalten und neu errichtet werden, um durch das Wasser das Stadtklima zu kühlen. So ist bei der Neugestaltung des Marktplatzes auch ein Wasserspiel geplant.
"Es gibt keine Patentlösung"
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Klimaanpassung einer Stadt eine komplexe Problematik. "Das Hauptproblem in urbanen Gebieten ist die großflächige Versiegelung des Bodens", erklärt Markus Neppl gegenüber ka-news. Dies führe zu einer sommerlichen Überhitzung und großer Anfälligkeit bei Starkregen.
Eine Patentlösung gäbe es nicht: "Wenn es an einem heißen Sommertag in der Stadtmitte von Karlsruhe beinahe unerträglich ist, kann es in Ettlingen durch den 'Albtäler' sehr angenehm sein", erläutert der Stadtplaner des KIT.
"Es muss sehr genau überlegt und geplant werden, welche Maßnahmen realisierbar sind, bezahlbar bleiben und tatsächlich eine spürbare Verbesserung versprechen", so Neppl weiter.
Das Stadtwachstum beschränken
Um die Versiegelung einzuschränken, dürfe man die Siedlungsfläche der Stadt nicht weiter ausdehnen und müsse bestehende Versiegelungen zurückbauen, erklärt Neppl. Ersteres hat sich die Stadt im "Räumlichen Leitbild" zum Ziel gesetzt: "Das Wachstum der Stadt auf Bereiche beschränken, die innerhalb der Kontur liegen", so die Zielformulierung in der Broschüre "Räumliches Leitbild" der Stadt.
"Die 'Ressource Boden' ist allerdings nicht vermehrbar. Die daraus resultierende Flächenkonkurrenz ist mittlerweile das Hauptproblem in der Stadtplanung und führt zu sehr emotionalen Debatten bei vielen Bürgern und in der Politik", so Neppl.
"Letztendlich ist das Problem nicht lösbar"
Städtische Klimaanpassung ist also ein komplexes Thema, das Karlsruhe noch eine Weile beschäftigen wird. Darum kommen wir nicht herum.
Um es mit den Worten von Markus Neppl zu sagen: "Das Leben auf der Erde wird für die kommenden Generationen nicht einfacher. Uns muss klar sein, dass das Problem letztendlich nicht lösbar ist, sondern wir täglich damit umgehen müssen."
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