Der Gemeinderat soll am kommenden Dienstag, 17. November, über einen möglichen neuen Bürgerentscheid zum geplanten innerstädtischen Stadtumbau mit Baubeginn im Januar entscheiden. Am Donnerstag nahmen die Gemeinderäte in ka-news Stellung zur rechtlichen Zulässigkeit des neuen Bürgerbegehrens, zu dem sich am Freitagnachmittag auch die Rathausspitze äußern will. Zwei der Fragen, die im Lauf der Woche an sieben Fraktionen und Gruppierungen in dem Juni 2009 neu gewählten Gemeinderat gestellt wurden, geben wir im Wortlaut wieder:
ka-news: Wie schätzen Sie die aktuelle Stimmungslage ein: das kontroverse Thema bewegt erneut die Gemüter. Ist das ein neuer "Spaltpilz" für die Bürgerschaft – in einer, so sagen manche, eigentlich längst entschiedenen Frage?
Rita Fromm (FDP): Was heißt "Spaltpilz"? In dieser Frage gab es schon immer unterschiedliche Meinungen, immerhin haben auch 2002 65.000 Bürger dagegen gestimmt und 83.000 dafür. Es ist nicht ungewöhnlich, dass es bei Großprojekten unterschiedliche Meinungen gibt.
Niko Fostiropoulos (Linke): Eine Frage, über welche die Bürger einen Bürgerentscheid wollen, ist ganz offensichtlich noch nicht entschieden. Der Bürgerentscheid ist ein gesetzlich verankertes demokratisches Recht. Kontroverse Themen sind der Kern der Demokratie, nicht ihre Störung.
Eberhard Fischer (KAL): Wir werden uns spätestens bei der Gemeinderatssitzung am 17. November zu dem Themenkreis "Kombilösung und Bürgerentscheid" äußern. Bis dahin tragen wir alle wichtigen Fakten aus der Vergangenheit zusammen, um einen Überblick über den politischen, technischen und rechtlichen Sachverhalt zu bekommen; ein Überblick, der dann auch eine Entscheidung erlaubt.
Doris Baitinger (SPD): Die Frage ist in der Tat schon längst entschieden. Im übrigen ist es nichts außergewöhnliches, dass in einer Demokratie verschiedene Meinungen diskutiert werden.
Jürgen Wenzel / Lars Dragmanli (FW): An den Bürgerbegehren-Unterschriftständen der Freien Wähler war eine Spaltung der Bevölkerung eindeutig festzustellen: in eine verschwindend kleine Fraktion von Ablehnern und eine beindruckende Mehrheit von Befürwortern eines neuen Bürgerentscheids. Diese Spaltung ist angesichts des Respekts vor dem Bürgerwillen für uns, die Freien Wähler, "verkraftbar".
Gabriele Luczak-Schwarz (CDU): Viele Bürgerinnen und Bürger verstehen nicht, dass die Kombigegner den Bürgerentscheid von 2002 nicht anerkennen wollen. Ebenso wenig ist für viele nachzuvollziehen, dass eine solche Aktion kurz vor Baubeginn gestartet wird, obwohl die Kombigegner jahrelang Zeit hatten, sich mit Alternativen am Planungsprozess zu beteiligen.
Bettina Lisbach (Grüne): Es geht jetzt darum, dass Bürgerinnen und Bürger unter den seit 2002 völlig veränderten Bedingungen neu entscheiden können, ob sie den Stadtbahntunnel und auch die damit verbundenen finanziellen Belastungen wollen oder nicht. Meine und die Einschätzung der Grünen ist, dass die Mehrheit der Bevölkerung die U-Strab nicht will. Ob das so stimmt, kann nur ein weiterer Bürgerentscheid klären. Hier von einem „Spaltpilz“ zu sprechen, ist für mich völlig abwegig. Natürlich gibt es in dieser Frage verschiedene Meinungen. Damit offen umzugehen, ist Zeichen gelebter Demokratie.
ka-news: Seit 2002 wird die Kombilösung geplant. Wenn ein Bürgerentscheid möglich ist, ein solcher stattfindet, und auch noch erfolgreich sein sollte - was ja ebenfalls durchaus offen erscheint - gibt es "einen Plan B" für Sie?
Fromm (FDP): Ich bin überzeugt, dass die Befürworter wie 2002 auch 2009 überwiegen; sollte die Kombilösung kippen, lautet der "Plan B" zwangsläufig deutliche Verschlechterung unseres bislang sehr guten und beispielhaften ÖPNV-Systems.
Fostiropoulos (Linke): Alternative oberirdische Trassenführungen zur Entlastung der Kaiserstraße liegen seit Jahren vor. Die Stadtverwaltung hat sie bisher ignoriert. Nach einem erfolgreichen Bürgerentscheid gegen die U-Strab werden sie wohl ernst genommen werden müssen.
Fischer (KAL): Wir werden uns spätestens bei der GR-Sitzung am 17. November zu dem Themenkreis "Kombilösung und Bürgerentscheid" äußern.
Baitinger (SPD): Es gibt keinen Plan B.
Wenzel/Dragmanli (FW): Die Freien Wähler sind nicht grundlos gegen eine U-Strab auf die Straße gegangen. Denn die "Grundbedingungen" einer Zustimmung von uns Karlsruhern 2002 zur U-Strab haben sich inzwischen "grundlegend" geändert. Der Bürgerentscheid ist immer ein Erfolg, unabhängig vom Ausgang, da er, wenn rechtlich zulässig, urdemokratisch ist. Und ich bin sicher, dass der "Bürgerwille" als Plan A von allen gewählten Repräsentanten der Bürger von Karlsruhe respektiert werden wird, die Verwaltung zu beauftragen, eine einsichtige und auf Karlsruhe passende Alternative zur Kombilösung aufzustellen.
Luczak-Schwarz (CDU): Es gibt und gab Alternativen: Diese sind aber aus städtebaulicher Sicht in einer Stadt mit einem Fächergrundriss nicht zu realisieren oder zu teuer und damit nach dem Verfahren der Standardisierten Bewertung bei der ein Kosten-Nutzen-Index von über „1“ bewiesen werden muss, nicht zuschusswürdig. Die KOMBI-Lösung ist die einzige Alternative, die eine städtebauliche Vorgehensweise und eine Bezuschussung garantiert. Insofern gibt es keine realisierbare Alternative zur KOMBI-Lösung.
Lisbach (Grüne): Den "Plan B" gibt es für uns schon lange. Wir fordern seit Jahren, dass sich Stadt und Kommunalpolitik mit bezahlbaren Alternativen zur U-Strab auseinandersetzen, wobei die Entlastung der Kaiserstraße und die Innenstadtentwicklung Richtung Süden auch für uns wichtige Ziele sind. Neben dem Verzicht auf Doppelhalte in der Kaiserstraße ist zu hinterfragen, ob und welche Regionalbahnen aus der Kaiserstraße herausgenommen werden könnten, um hier eine Entlastung zu bringen. Auch muss geprüft werden, welche kostenoptimierten Varianten für eine Straßenbahn in der Kriegsstraße realisierbar sind. Wir erwarten, dass sich nach einem erfolgreichen Bürgerentscheid der in Arbeit befindliche Verkehrsentwicklungsplan für Karlsruhe intensiv mit diesen Fragestellungen auseinandersetzt.