Der Städter überquert die Bahngleise und biegt in die Bahnhofstraße ein. Er folgt der Straße, am malerischen Bahnhof vorbei, bis zum Ende des Ortes. Dort führt ein Landweg nach rechts an Äckern vorbei. Der Asphalt ist mit Erde verschmutzt, der Städter ist auf dem richtigen Weg. Nach 120 Meter und einer Linkskurve erreicht er den Birkenhof. Willkommen auf dem Biolandhof von Helmut Werner - und bei der vorerst letzten Folge der "Hofladen-Serie" von ka-news.
Erster Biolandbetrieb in der Pfalz
Die Oma des Hofes (Foto: ka-news) |
Der Weihnachtsbaum ist aufgestellt, die Adventskette an der Wand fast geplündert. "Brasilianisch" ist die überraschende Antwort des Landwirts auf die Frage, was es bei ihm an Heilig Abend zu essen gebe. Bananen mit Fisch. Seine Frau Nelra sei Brasilianerin, kommt die Erklärung. Helmut Werner ist einer von "sechs Buben". Sein 92-jähriger Vater ist ein Pflegefall und wohnt im selben Haus. Helmut Werner spricht mit einem starken südpfälzischen Dialekt und der Städter muss öfter nachfragen um ihn und die Zusammenhänge zu verstehen.
Ein Pony kommt selten allein (Foto: ka-news) |
Werners Hof war 1976 der erste Biolandbetrieb in der Pfalz. Der ganze Hof sei in Eigenleistung entstanden, berichtet der Landwirt nicht ohne Stolz. Seit 1974 hat Werner, der ursprünglich Schlosser gelernt und später eine landwirtschaftliche Schule besucht hat, an den Gebäuden gebaut, jahrelang ohne Strom und mit wenig Wasser. Mit der Autobatterie war damals Strom für eine ganze Woche da. Der Hof hat eine Größe von 32 Hektar. Neben dem kleinen Hofladen befindet sich in der Mitte des Hofes eine ungefähr 400 Quadratmeter große Maschinenhalle. Es gibt einen Pferdestall mit 14 Boxen für Pensionspferde und einen Außenstall mit zwei Ponys. Früher gab es zudem einen Bullenstall mit 50 Bullen. Heute hat der Bauer kaum Rinder, "Bullen sind unwirtschaftlich", sagt er.
Es wird viel zu viel gedüngt
Schwerpunkt des Hofes sei die Schweinehaltung. "Schweine fertig machen" heißt füttern, erfährt der Stadtmensch. Werner und seine beiden Aushilfen kümmern sich um etwa hundert Schweine, hundert Hühner, einige Hektar Kartoffeln, das Gemüse und Getreide - Weizen, Roggen, Dinkel, Gerste, Hafer, außerdem Mais. Seine Spezialität sind aber die ausgefallenen Produkte Meerrettich und Schwarzwurzeln. "Die pflanzt keiner mehr an. Das sind Kulturen, die nicht gehen. Davon brauchen die Leute nicht so viel. Außerdem bekommt man dreckige Hände beim Putzen und dann beschwert sich meine Frau", lacht der Landwirt.
Schlichte, aber gesunde Gemüsetheke (Foto: ka-news) |
In der konventionellen Landwirtschaft werde zu viel gedüngt, bemängelt Werner. Da werden für Karotten teilweise 300 Kilogramm reiner Stickstoff pro Hektar gedüngt, damit die Karotten eine Woche früher auf den Markt kommen. Für Karotten würde es reichen, dass 100 Kilogramm gedüngt werden. Werner düngt kaum - wenn überhaupt - mit Pferdemist und Haarmehl-Pellets. Wer bei EU-Bio angemeldet ist wird kontrolliert, auch unangemeldet, erklärt der Bauer. "Dieses Jahr waren sie da, davor vor zwei, drei Jahren. Kontrolle ist gut, aber die beste Kontrolle ist, wenn man sich kennt. Wenn ich etwas extra bewusst falsch mache, betrüge ich meine Kunden, das ist für mich Diebstahl, das mach ich nicht", beteuert er und der Stadtmensch glaubt ihm.
"Du bist dumm, so viel schaffen für das wenige Geld"
Ein anderer Kollege habe 50-60 Hektar und verdiene "wahnsinnig viel Geld, da kommen täglich drei, vier, fünf Lastkraftwagen und laden ein, bei Tag und Nacht", Die Gewinnspanne sei gering, aber der Umsatz stimme, berichtet der Landwirt ohne Anzeichen von Neid. Dessen Äcker lägen zusammen. Werners Äcker dagegen sind um den Hof verteilt, sie sind schwer zu bewässern. Der Landwirt musste von seinen drei Brunnen aus bis zu tausend Meter lange Wasser-Pipelines legen.
Flurbereinigung? Der mittlere Acker gehört Helmut Werner (Foto: ka-news) |
Von der Landwirtschaft alleine kann Werner nicht leben. Nebenbei betreibt er Landwirtschaftsbau: Bau von Stütz- oder Naturmauern, Pflasterarbeiten, Pflanzarbeiten und automatische Beregnung - er kann alles. Er arbeitet insgesamt 70 Stunden die Woche. Im Sommer geht die Arbeit zum Teil bis 22 Uhr. "Jeder Stadtmensch sagt 'du bist dumm, so viel schaffen für das wenige Geld'. Der Mensch muss zufrieden sein mit dem, was er hat."
Der Stadtmensch hat eine Tüte voll mit Äpfeln, die ihm Helmut Werner gefüllt hat. Er hält den Landwirt nicht für dumm, fährt aber froh über seine 40-Stunden-Woche wieder in die Stadt, vorbei an den Blitzern und Blechlawinen.