Die Junge Union (JU) und die Schüler Union Karlsruhe (SU) behaupten, dass beim diesjährigen Frühlingsfest des Lessing-Gymnasiums die Theateraufführung einer sechsten Klasse zur "einseitigen Politpropaganda missbraucht" worden sei. In dem besagten Musical baue die fiktive Stadt "Neckarfushima" ein Atomkraftwerk, bei dem ohne ersichtlichen Grund die Kühlung ausfalle. Umweltschützer messen erhöhte Strahlenwerte; doch Kraftwerksbetreiber und Behörden bleiben untätig. Eine Kernschmelze droht, die nur unter Einsatz des eigenen Lebens von Freiwilligen gebannt werden kann.
"Lehrer hat gegen Pflicht zur Neutralität verstoßen"
"Aus unserer Sicht ist es nicht hinnehmbar, dass in dem betreffenden Musical einer sechsten Klasse so einseitig gegen die Kernkraft agitiert wurde. Es ist natürlich legitim auf die ohne Zweifel vorhandenen Risiken der Kernkraft hinzuweisen, aber nicht auf diese einseitige Art und Weise, wie es hier geschehen ist. Für diese Version spricht aus unserer Sicht auch die Tatsache, dass bei der Veranstaltung auch der Regionalgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) sprechen durfte", so der Vorsitzende der JU, David Ruf, und der Vorsitzende der SU, Frederik Hübl, in einer gemeinsamen Presseerklärung.
In einem offenen Brief an die Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer, der ka-news vorliegt, fordern die Nachwuchspolitiker eine Untersuchung des Vorfalls einzuleiten: "Der zuständige Klassenlehrer und die Schulleitung haben hier aus unserer Sicht und gemäß den vorliegenden Unterlagen und Fakten eindeutig und in grober Weise gegen die sich aus § 33 des Beamtenstatusgesetzes ergebende Pflicht zur Neutralität verstoßen. Wir fordern Sie deshalb auf, diesen Sachverhalt entsprechend zu verfolgen und gegebenenfalls die nötigen dienstrechtlichen Schritte einzuleiten."
"In keinster Weise wurde einseitig gegen Kernkraft agitiert"
Das Lessing-Gymnasium, das von der Jungen Union offenbar zuvor nicht kontaktiert wurde, zeigt sich erstaunt über die Vorwürfe. Auf ka-news-Anfrage beziehen Schulleiterin Sabine Schatte und der zuständige Klassenlehrer Marco Kubacki Stellung: Bei der Veranstaltung handele es sich nicht um das Frühlingsfest des Lessing-Gymnasiums, sondern um ein klasseninternes Fest, heißt es in dem Schreiben. Das Fest sei in Gemeinschaftsarbeit von Schülern, Eltern und Lehrern in deren Freizeit vorbereitet und durchgeführt worden.
"In keinster Weise wurde bei diesem Fest einseitig gegen die Kernkraft agitiert. Vielmehr wurde eine von Schülern und Eltern in deren Freizeit geschriebene Tragikomödie von der gesamten Klasse aufgeführt, in der auf kindgerechte Art und Weise der Atomunfall von Fukushima auf einer künstlerischen Ebene reflektiert wird", betonen die Verantwortlichen.
Der von der JU erwähnte Regionalgeschäftsführer des BUND werde aus unerklärlichen Gründen mit dem Theaterstück in Verbindung gebracht, zeigt sich die Schulleitung irritiert. Der Vertreter des BUND habe lediglich die Gelegenheit wahrgenommen am Ende der Veranstaltung den Schülern für die besten Ergebnisse der diesjährigen Haus- und Straßensammlung der Deutschen Umwelthilfe seinen Dank auszusprechen. Die Sammlung werde vom BUND organisiert.
Kultusministerium prüft den Vorfall
"Mit Bedauern möchten wir abschließend feststellen, dass uns die genannten Vorwürfe über Presseorgane und nicht im direkten Gespräch durch die Junge Union oder die Schüler Union, im Sinne einer demokratischen Gesprächskultur, zur Kenntnis gelangten", so die Schulleitung.
Bisher liegt dem Kultusministerium Baden-Württemberg keine Beschwerde der Jungen Union vor. Das bestätigte eine Sprecherin des Ministeriums auf ka-news-Nachfrage. Sollte das Schreiben eingehen, werde man den Vorfall prüfen. Grundsätzlich seien Schulen dem Beutelsbacher-Konsens verpflichtet, sagte die Sprecherin im ka-news-Gespräch. Das bedeute unter anderem, dass aktuelle politische Diskussionen in der Schule nicht einseitig dargestellt werden dürfen. Zudem dürfen Lehrer den Schülern ihre Meinung nicht aufdrängen. Schülern müsse die Möglichkeit gegeben werden, sich selbst eine persönliche Meinung zu bilden. Sollte eine Schule gegen diese Prinzipien verstoßen, könnten dienstrechtliche Schritte eingeleitet werden, so das Kultusministerium.
Der Beutelsbacher-Konsens ist das Ergebnis einer Fachtagung von Politikdidaktikern im Jahr 1976. Der Konsens legt die Grundprinzipien der politischen Bildung fest.
Nachwuchspolitiker haben das Theaterstück nicht gesehen
SU-Chef Frederik Hübl sagte indes gegenüber ka-news, dass weder er noch sein Kollege von der JU das Theaterstück selbst gesehen hätten. Aufgrund von Angaben einer "Quelle", die anonym bleiben möchte, sowie dem Programm zum Frühlingsfest habe man sich entschlossen, die Beschwerde zu formulieren.
Die Schüler Union ist eine politische Schülerorganisation. Mitglied der SU kann werden, wer sein 12. Lebensjahr vollendet hat. Die Junge Union ist die unabhängige Jugendvereinigung von CDU und CSU auf Bundesebene. Die Mitgliedschaft ist von 14 bis 35 Jahren möglich und von einer Mitgliedschaft in CDU und CSU unabhängig.