Obwohl Udo Pflaum weiß, dass es ihm schon nach wenigen Augenblicken dreckig gehen wird, lädt er Luft in seine Lungen und taucht ab, dem Boden des Springerbeckens im SaSch Schwimmbad Bruchsal entgegen.
In 3,8 Meter Tiefe angekommen, dreht er sich auf den Rücken, verhakt die Hände in einem Schlitz und wartet. Luftblasen steigen empor. Dann ist er da. Der Atemreflex. Sein Körper signalisiert: "Mach dich auf den Weg nach oben, ich brauche Luft." Pflaum bleibt. Weitere Momente des Wartens vergehen, dann hat sein Körper gewonnen. Pflaum stößt sich vom Grund ab, durchbricht die Oberfläche, reißt den Mund auf und japst nach Luft.
Pure Entspannung
Udo Pflaum ist Freitaucher. Seine Sportart nennt sich Apnoe, was aus dem Griechischen übernommen so viel heißt wie Nicht-Atmung. Beim Apnoe wandelt der Freitaucher mit nur einem Atemzug unter Wasser. Pressluftflaschen gibt es nicht. Pflaum trainiert wie zehn weitere Athleten bei den Skindiver Bruchsal. Einige kommen gar aus Pforzheim und Heidelberg. Denn der Tauchverein ist neben dem Tauchclub Muräne der einzige Verein im Landkreis, der seinen Mitgliedern ein Apnoetraining anbietet.
Für Tino Schmidt ist Apnoe weit mehr als nur der Kampf gegen den Atemreflex. "Es ist Entspannung pur", sagt er. "Man muss den Körper herunterfahren, um den Sauerstoffverbrauch so gering wie möglich zu halten." Je größer die Entspannung, desto länger der Tauchgang. Schmidt ist seit Jahren Freitaucher, erster Vorstand bei den Skindivern und Trainer der Apnoe Gruppe. Im Training gibt er als Free-Diving-Instructor den Takt vor und bleibt selbst ohne Probleme für drei Minuten unter Wasser.
Gemütlichkeit eines Blauwals
Das Training im Schwimmbad geht weiter. Mit flinken Bewegungen kraulen Udo Pflaum und weitere Freitaucher die 25 Meter Bahn des SaSch. Kurzer Stopp am Beckenrand, dann machen sie sich tauchend auf den Rückweg. Die Anstrengung des Kraulens ist sichtbar. Während einige Taucher mit peitschenden Bewegungen das Bahnende zu erreichen versuchen, gleitet Pflaum mit der Gemütlichkeit eines Blauwals durch das Becken, taucht auf und atmet entspannt.
Doch das Lungenvolumen des Instructors Schmidt erreicht auch Pflaum nicht. Das Gefälle innerhalb der Gruppe ist groß, spielt aber im Training eine untergeordnete Rolle. Wem das Training zu einfach ist, bleibt eben länger unter Wasser. Von seinen Teilnehmern erwartet Instructor Schmidt nichts Unmögliches, eine Grundfitness muss aber vorhanden sein, wenn man bei den Skindivern trainieren möchte. "Auch das Trommelfell muss zwecks des Druckausgleichs in Ordnung sein", mahnt Schmidt.
Keine Rekordjagd
Im Winter trainieren die Freitaucher zweimal pro Woche im Hallenbad. Während samstags das Training unter Wasser in den Vordergrund rückt, übt Schmidt mit seinen Athleten montags zusätzlich zum regulären Training Entspannungsübungen. Genügen die Temperaturen der Baggerseen im Landkreis, wagen sich die Athleten auch ins Freiwasser. Entlang einem Seil geht es in die Tiefe. Dabei immer ein Sicherheitstaucher, der den Athleten auf den letzten Metern zurück an die Oberfläche begleitet.
Denn ist der tiefste Punkt des Tauchgangs überwunden, wartet beim Aufstieg die größte Gefahr: Als Unfallursache gilt unter Freitauchern der Flachwasserblackout knapp unterhalb der Oberfläche. Grund dafür ist der Partialdruck des Sauerstoffs im Blut. Je tiefer sich ein Taucher wagt, desto stärker steigt der Umgebungsdruck und der Sauerstoffpartialdruck an. Der Körper gaukelt dem Taucher nicht vorhandene Reserven vor. Beim Auftauchen fällt der Umgebungsdruck und auch der Sauerstoffdruck im Blut nimmt ab. Auf den letzten Metern kann er unter die Ohnmachtsgrenze fallen. "Deshalb ist bei uns immer jemand dabei", beruhigt Schmidt.
Tiefenfahrtkommando auf 250 Meter
Ohnehin wagen sich die Freitaucher aus Bruchsal selten tiefer als 20 Meter. Ihnen geht es bei allem Trainingseifer nicht um Rekorde. Die überlassen sie anderen. "Uns geht es um den Spaß am Tauchen, um die Kontrolle des eigenen Körpers", sagt Schmidt. Spaß ist das richtige Stichwort, malt der Verein doch damit ein anderes Bild ihres Sports als die meisten Medien. Dort finden nur Geschichten über neue Tiefenrekorde Platz, von Menschen wie Herbert Nitsch, der sein jüngstes Tiefenfahrtkommando auf 250 Meter Tiefe mit einem Schlaganfall bezahlte.
Das Training im Hallenbad ist vorbei, Geplauder am Beckenrand. Udo Pflaum macht einen zufriedenen, einen entspannten Eindruck. Die Rekordjagden findet er spannend, mehr aber auch nicht. Er betreibt den Sport, um fit zu bleiben. "Und um mich schwerelos im Wasser zu fühlen, das ist das Schönste."