Es ist Sonntagmorgen, 5.30 Uhr. Es ist noch dunkel, als ich auf dem Hof des Amts für Abfallwirtschaft (AfA) in Karlsruhe ankomme. Ein paar Autos fahren vorbei, ansonsten ist es still - die Fächerstadt liegt großteils noch im Tiefschlaf. Nur die Männer der Straßenreinigung sind schon wach. Gleich rücken sie aus - bereit, es mit dem Müll und den Hinterlassenschaften der Karlsruher Partygänger in der Innenstadt aufzunehmen.

Mit 200 Bar Druck durch die Kaiserstraße
Einer von ihnen ist Anatoli Wilwer. Gebürtig aus Kasachstan, ist er seit 2012 Teil des Trupps der Straßenreinigung. Seit 2014 fährt er den sogenannten Schwemmwagen, einen Hochdruckreiniger auf Rädern. Mit dem leistet er die Vorarbeit für seine Kollegen, die zu Fuß oder mit der Kehrmaschine die Stadt nach Müll und Dreck durchkämmen. Heute bin ich sein Beifahrer.
Seinen Dienst beginnt Wilwer am Kronenplatz. Von hier aus wird er in den kommenden vier Stunden die komplette Innenstadt auf Hochglanz bringen. Dabei hilft ihm sein Schwemmwagen: Mit einem Joystick bedient er die Hochdruckdüse, mit der er jeglichen Dreck und Müll von der Mitte der Straße in Richtung Hauswand spritzt.

Ob Zigarettenkippen, Glasflaschen, Tüten, Papiertaschentücher oder auch mal Erbrochenes – nichts ist vor dem bis zu 200 Bar Druck starken Wasserstrahl sicher. Der Vorteil des Spezialfahrzeugs: Wilwer kann damit große Flächen auf einmal reinigen.

Seine Kollegen zu Fuß ergänzen seine Arbeit mit Laubbläsern. Damit rücken sie auch den letzten Zigarettenkippen zu Leibe und schieben den Müll so zusammen, dass die beiden Kehrmaschinen ihn nur noch einzusammeln brauchen, erklärt der 51-Jährige. "Der Schwemmwagen erleichtert uns die Arbeit um 70 Prozent." Das leuchtet auch mir als Laie ein. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie mühsam das Reinigen vor der Anschaffung des Schwemmwagens gewesen sein muss.
Wenn die Bürger die Arbeit behindern
Doch nach den ersten Metern schaltet Wilwer seine Düse gleich wieder aus. Der Grund: Eine Gruppe Jugendlicher, die sich in der Nähe der Straße aufhalten, laufen Gefahr, nassgespritzt zu werden. Sie sehen uns neugierig nach, Platz macht uns aber niemand. Wilwer muss den Bereich deshalb in der nächsten Runde erneut anfahren - das kostet Zeit. "Wir müssen deswegen mindestens drei bis vier Mal zusätzlich fahren", ärgert er sich.

Mit seinem Schwemmwagen arbeitet sich Wilwer auf der Kaiserstraße und in den Querstraßen zum Zirkel langsam Richtung Marktplatz vor. Hier muss er auch das erste Mal Wasser nachtanken.
Je weiter wir kommen, desto schlimmer wird das Bild, das einer Verwüstung gleichkommt: Glasscherben, halb leergegessene Dönerboxen, sogar ein Paar herrenlose Schuhe säumen den Straßenrand. Was die Menschen alles wegwerfen oder verlieren, es wundert mich schon ein bisschen.

Am Marktplatz kommen uns auch deutlich mehr Menschen entgegen: Feierlustige, die unachtsam an der Straße stehenbleiben. Immer wieder muss Anatoli Wilwer seine Arbeit deswegen unterbrechen.
"Samstags ist es noch schlimmer"
Am Europaplatz findet der Grad der Verschmutzung dann seinen traurigen Höhepunkt: Unzählige Tüten einer Fast-Food-Kette sammeln sich unter den Bänken der Haltestelle und vor der Postgalerie. "Der Europaplatz ist der schmutzigste Ort in Karlsruhe", meint Anatoli Wilwer. "Es wird verdammt viel Dreck produziert und es wird immer mehr."
Kaum zu glauben: "Samstags früh ist es noch schlimmer", sagt der 51-Jährige gelassen. Das kann ich ihm, während ich meinen Blick über die Müllberge schweifen lasse, wirklich fast nicht abnehmen.

Beschimpfungen und Vorurteile
Ein Mann steht am Europaplatz an der Haltestelle, als wir mit dem Schwemmwagen vorbeikommen. Er sieht uns, einen Schritt zur Seite macht er aber trotzdem nicht. Als er ein paar Wasserspritzer aus der Hochdruckdüse abbekommt, beschimpft er uns lautstark. Anatoli Wilwer lässt sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen. "Wenn die Leute uns weniger aufhalten würden, wären wir doppelt so schnell und es wäre doppelt so sauber", sagt er nur und zuckt mit den Schultern. Ich allerdings bin schockiert über so viel Verständnislosigkeit seitens der Karlsruher.
Die Uneinsichtigkeit vieler Bürger ist auch das, was den Eggensteiner am meisten an seiner Arbeit stört. Dennoch: Er macht seinen Beruf gerne. Mit Vorurteilen gegen seinen Job hatte er selbst bisher noch nicht zu kämpfen. "Aber so etwas gibt es schon", räumt der Mann in orange ein.
Um 9.30 Uhr ist Feierabend
Nach einer kurzen Kaffeepause um 8.30 Uhr, bei der er mit seinen Kollegen den weiteren Arbeitsablauf bespricht, geht die Arbeit weiter: Über den Stephanplatz, die Straßen rund um den Ludwigsplatz, um den Friedrichsplatz und den Marktplatz putzen sich Wilwer und sein Team zurück Richtung Kronenplatz.

Um 9.30 Uhr sind wir endlich fertig - und mein Tag bei der Straßenreinigung geht zu Ende. Auch Anatoli Wilwer hat jetzt Feierabend. Unter der Woche ist er bis 13.20 Uhr da, nur am Wochenende kann er sich über einen frühen Dienstschluss freuen. Wie entspannt er sich am besten nach einer harten Schicht? "Ich gehe mit meiner Frau spazieren", erklärt er mir. Außerdem liebt er die Natur und das Reisen.
Tribut an die Männer in Orange
Doch schon am Montag früh um 5 Uhr ist der 51-Jährige wieder mit seinem Schwemmwagen in Karlsruhe unterwegs, um die Stadt mit seinen Kollegen auf Vordermann zu bringen. Denn: "Die Arbeit geht uns nie aus", schmunzelt er.
Diesen Eindruck nach einem Morgen als Anatoli Wilwers Beifahrer, habe ich von dem anstrengenden Alltag der Stadtreiniger auch gewonnen. Mein Fazit: Sie sind die unsichtbaren Heinzelmännchen der Fächerstadt. Oft kritisiert, selten gewürdigt. Vor allem die Bürger zeigen für ihre Arbeit wenig Verständnis oder erschweren sie gar - für mich ein absolutes No-Go. Während ich auf das Tor des Amts für Abfallwirtschaft zusteuere, schwöre ich mir: Das Bonbonpapier, das ich gestern achtlos weggeworfen habe, soll definitiv mein letztes gewesen sein.
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