Das "Vanguarde" befindet sich auf einem Gelände des Kulturvereins Tempel - dem "Tempel-Gelände" - in der Hardtstraße im Karlsruher Stadtteil Mühlburg. Dieses beherbergt unter anderem Band-Proberäume, Ateliers und den Seminarraum "Scenario" sowie einige Wohnungen. Die Gaststätte hieß bis 2012 "Havanna im Tempel", dann wechselte der Besitzer und das "Vanguarde" war geboren.
Stadt erteilt "Zwitterkonzession"
Laut Ünal Ay, dem die Location bis 2004 gehörte, habe der Kulturverein Tempel dem ehemaligen Pächter gekündigt, da er nach eigenen Angaben durch seine Rechtsanwälte falsch beraten wurde. Der neue Pächter, Jakob Siegmund, habe sich bei der Stadt eine Gaststätten-Genehmigung eingeholt, die - untypisch für eine Gaststätte - zwei Tanzveranstaltungen pro Woche und Öffnungszeiten bis 5 Uhr am Wochenende erlaube. Ay spricht von einer "Zwitterkonzession": Schank- und Speisewirtschaft plus Disco.
Diese habe dem Kulturverein Tempel und Pächter Siegmund alsbald Ärger eingebracht: 2013 habe ein Anwohner, Hubert Krauth, wie Ay berichtet, 400 Euro Miete wegen Lärmbelästigung einbehalten. Es sei eine Räumungsklage von Seiten des Tempel gefolgt, die das Gericht jedoch abgelehnt habe. Damit sei das Lärmproblem jedoch noch nicht beseitigt gewesen, also habe Krauth gegen Siegmund geklagt.
Das sagt das Verwaltungsgericht
Auch gegen das Ordnungsamt erhob Krauth eine Anklage wegen Lärmbelästigung und der vermeintlich fehlerhaften Genehmigung von zwei Tanzveranstaltungen pro Woche. Hier fällte das Verwaltungsgericht am 5. Januar einen Beschluss, der ka-news vorliegt: Die Konzession für wöchentlich zwei Tanzveranstaltungen sei voraussichtlich rechtswidrig. Das Ordnungsamt solle dies prüfen.
Ay behauptet, bis der Fall endgültig geklärt ist, dürfe es keine weiteren Tanzveranstaltungen im "Vanguarde" geben. Dennoch habe am 23. Januar das Tanzevent "Club Azucár" im "Vanguarde" sowie im benachbarten "Scenario"-Saal stattgefunden. Ay berichtet, er habe zwei Freunde geschickt - da er selbst Hausverbot habe - die auf Fotos und Videos dokumentiert hätten, dass im "Scenario", welcher in Besitz des Kulturvereins Tempel ist, bei der Veranstaltung zudem gegen die Brandschutzbestimmungen - die maximal 100 Personen gestattet - verstoßen worden sei.
Sind die Vorwürfe berechtigt?
Was ist dran an den Vorwürfen des ehemaligen Pächters und den Bedenken des Gerichts? Bernd Wnuck, Leiter der Pressestelle der Stadt Karlsruhe, erklärt: "Das Gericht hatte moniert, dass in der Genehmigung kein sogenannter Limiter, der die Lautstärke der Musik begrenzt, als Auflage genannt ist." Siegmund hätte jedoch trotzdem einen genutzt. Das habe das Ordnungsamt mehrmals ohne Ankündigung kontrolliert. Davon, dass die Vorwürfe des Klägers berechtigt sind, durfte sich das Ordnungsamt dagegen nicht überzeugen. "Der Anwohner Krauth hat eine Lärmmessung in seiner Wohnung abgelehnt", so Wnuck.
Anders sieht es im Verfahren gegen Pächter Siegmund wegen Lärmbelästigung aus. "Ein Sachverständiger vom Gericht hat den Lärmpegel gemessen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Werte zumutbar sind", erzählt Siegmund gegenüber ka-news. Er sei daher zuversichtlich, dass das Verfahren eingestellt wird.
Vorerst weniger Tanz
Ob es tatsächlich rechtswidrig ist, dass zwei Tanzveranstaltungen pro Woche im "Vanguarde" genehmigt wurden, ist derzeit noch in der Schwebe. Bis das Ordnungsamt die Sache abschließend geprüft hat, dürften vorerst nur zwölf Tanzveranstaltungen im Jahr stattfinden, wie es eine klassische Gaststättengenehmigung erlaube, berichtet Stadtsprecher Wnuck. Da diese Vorgabe mit der Veranstaltung am 23. Januar nicht überschritten worden sei, ist diese rechtmäßig gewesen.
Zu den Brandschutzvorwürfen bezüglich des "Scenario"-Saals, die Ay gegen den Tempel erhebt, könne das Bauordnungsamt noch keine Auskunft geben. Martin Holder, Leiter des Kulturverein Tempel, sagt auf ka-news-Anfrage: "Wir arbeitet mit allen Behörden in guter Kooperation eng zusammen. Anders ist die Führung eines Kulturzentrums auch gar nicht möglich." Weniger gut ist scheinbar das Verhältnis zum ehemaligen Pächter Ay. "Ich habe einen Groll", berichtete dieser gegenüber ka-news, er sei "reingelegt" und "rausgeklagt" worden. In diesem Fall habe er 2009 jedoch nachträglich Recht bekommen.
Der Artikel wurde nachträglich korrigiert. In einer ersten Fassung war zu lesen, dass Herrn Ünal Ay gekündigt wurde, da er nicht mehr nur Salsa-, sondern auch Technoparties veranstalten wollte. Richtig sei jedoch, dass das Pachtverhältnis aufgrund einer Falschberatung seiner Anwälte gekündigt wurde.