"Einladung zum Tag der offenen Tür. Informieren Sie sich bei einer Tasse Kaffee. Wir freuen uns auf Ihren Besuch", steht auf einem blauen Flyer geschrieben, den ein anonymer ka-Reporter am Freitagmorgen, 16. Juni, aus seinem Briefkasten in der Markgrafenstraße in Karlsruhe holte.
Was dem ka-Reporter dabei kritisch ins Auge fällt: Es handelt sich um einen Flyer, der Scientology Mission Karlsruhe. Bilder sendet er per Mail an ka-news.de, gefolgt von einem Telefonat.

"Scientology ist doch verboten, oder? Und die machen jetzt Werbung in Karlsruhe. Davor sollten die Menschen gewarnt werden, damit sie nicht zu der Veranstaltung gehen", sagt der ka-Reporter. So wie er es mitbekommen hat, hätten wohl hauptsächlich ältere Menschen den Flyer im Briefkasten gehabt.
Was macht Scientology so gefährlich?
Warum sollte vor Scientology gewarnt werden? Auf der Website der Scientology Mission Karlsruhe heißt es: "Scientology, von L. Ron Hubbard gegründet, ist eine Religion, die einen exakten Weg bietet, der zu einem vollständigen Verstehen und einer Gewissheit über die eigene spirituelle Natur führt, über die Beziehung zu sich selbst, zur Familie, zu Gruppen, zur Menschheit, zu allen Lebensformen, zum materiellen Universum, zum geistigen Universum und dem höchsten Wesen."
Was für manche eventuell verlockend und harmlos klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Denn bei Scientology handelt es sich um eine Sekte. Ihr zugrunde liegt eine Idee von Gründer Ron Hubbard - die sogenannte "Dianetik".
Ein von Hubbard ausgedachtes Wertesystem, welches die Sektenmitglieder nach einem Idealzustand streben lässt - der aber stets unerreichbar bleibt. So bleiben die Mitglieder im Denkmuster der Sekte gefangen - die Folge sind der Abbruch von sozialen Kontakten und auch Aufgabe der eigenen Geldmittel oder Eigentum.
Stadt Karlsruhe warnt allgemein vor Sekten
Auf ihrer Website der Stadt Karlsruhe wird allgemein vor Sekten gewarnt. Dort liest man unter anderem: "Der Halt, den viele bislang in Familie, Kirche oder Verein gefunden haben, bröckelt. Dies macht es Anbietern auf dem so genannten Psychomarkt umso leichter, Kunden zu finden, die sehnsüchtig nach Hilfsangeboten greifen."

Oft würden diese mehr versprechen als sie einhalten könnten oder würden die Hilfesuchenden in ihrer körperlichen oder psycho-sozialen Gesundheit gefährden. "Hinter attraktiven Fassaden und Hochglanzbroschüren versteckt, sind die Gefahren nicht auf Anhieb erkennbar", so die Stadt.
Land Baden-Württemberg warnt vor Scientology
Laut Beware BW - dem Beratungsportal des Landes Baden-Württemberg für gefährliche weltanschauliche und religiöse Angebote - gilt die Scientology-Lehre "als einzige Rettung einer angeblich vom Niedergang gekennzeichneten Gesellschaft. Hubbards Techniken sollen Menschen 'geistig befreien' ('individuelle Dianetik'), welche anschließend als nahezu fehlerlos funktionierende 'Clears' beziehungsweise höher trainierte 'Operierende Thetane' ('OTs') zunehmend die Kontrolle über ihre Umgebung ausüben sollen."

Die seit 1970 in Deutschland vertretene Sekte, wird in Baden-Württemberg seit 1997 vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Über Scientology schreibt der baden-württembergische Verfassungsschutz auf seiner Website:
"Scientology ist international aktiv und strebt ein totalitäres gesellschaftliches System an: Um eine 'Neue Zivilisation' ('Clear Planet') aufzubauen, will sie die Gesellschaft 'säubern' (Englisch: 'clear'). In diesem System wären elementare Grundrechte wie die Menschenwürde, die Meinungs- und Pressefreiheit sowie das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip massiv eingeschränkt oder gänzlich außer Kraft gesetzt."
Scientology wird vom Verfassungsschutz beobachtet
Laut Verfassungsschutz würden in diesem System nur "Clears" volle Bürgerrechte besitzen, was beispielweise den Wahlgrundsätzen des Grundgesetzes – allgemeine und gleiche Wahl – widerspräche.

Zur Verwirklichung ihres Ziels strebe Scientology nach einer stetigen Expansion. Dabei werde versucht Einfluss auf Parlamente und Regierungen zu gewinnen, sowie in staatliche Strukturen einzudringen.
Verschiedene Unterorganisationen sollen der Sekte unter dem Deckmantel von Sozialprogrammen Akzeptanz in der Bevölkerung verschaffen und neue Mitglieder zuführen. Hierzu zählen nach Verfassungsschutz die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte" (KVPM) in Stuttgart und in Karlsruhe sowie die Gruppen "Sag NEIN zu Drogen – Sag JA zum Leben" und "Jugend für Menschenrechte" im Raum Stuttgart.
Allerdings mit wenig Erfolg: Seit Beginn der Beobachtung durch den Verfassungsschutz im Jahr 1997 hat Scientology etwa ein Drittel seiner Mitglieder verloren. Bundesweit gehörten im Jahr 2021 noch zirka 3.800 Personen der Sekte an.
In Baden-Württemberg ist die Anzahl der Mitglieder im Jahr 2020 auf 820 gestiegen. Dies sei laut Verfassungsschutz Baden-Württemberg der erste Zuwachs seit über 15 Jahren gewesen, wie der Verfassungsschutz schreibt.
Weitere Informationen zum Thema Sekten gibt es unter folgenden Links:
Hilfsangebote für Aussteiger oder Angehörige:
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel soll der Aufklärung und Sensibilisierung über die Sekte "Scientology" dienen. Wir haben bewusst keine Veranstaltungsdaten oder -informationen genannt, um die Aufmerksamkeit dafür so gering wie möglich zu halten.