Die Dekra Unfallforschung zeigt: Jeder sechste Fußgänger ist von seinem Smartphone abgelenkt. In sechs europäischen Hauptstädten wurde die Studie erhoben. Laut Dekra nutzten 17 Prozent der Fußgänger beim Überqueren der Straße ihr Handy: Knapp acht Prozent der Fußgänger tippten und fast drei Prozent telefonierten. Ganze zwei Prozent schafften sogar beides gleichzeitig, während sie eigentlich den Verkehr im Blick haben sollten.
Es fehlen klare Regeln und Grenzen
In einigen Fällen sprechen Experten von Mediensucht. Diese kann nicht nur auf Computer reduziert werden. "Mittlerweile lassen sich Smartphones von ihrer Funktionalität her nicht mehr von Computern unterscheiden. Somit ist auch ein Smartphone als potenzielle Gefahr einzustufen", erklärt eine Sprecherin der Fachstelle Mediensucht aus Karlsruhe.
Es fehlen auch gesellschaftliche Konventionen, sagt Petra Müller, stellvertretende Leiterin des Baden-Württembergischen Landesverbands für Prävention und Rehabilitation, Fachstelle Sucht Bruchsal. Beim Alkoholkonsum zum Beispiel gibt es gewisse Richtlinien, wie viel man trinken dürfe oder an welchen Orten dies angebracht sei. Bei der Mediensucht gebe es noch keine Grenzen, so die Psychologin. Darf im Restaurant telefoniert werden? Oder wie viele Stunden am Tag kann mein Kind unbedenklich spielen oder chatten? Das seien alles Fragen, auf die unsere Gesellschaft noch keine konkreten Antworten habe, so Müller.
"Die Dunkelziffer ist viel höher"
Auch in Karlsruhe scheint dieses Problem allgegenwärtig. 2015 war das Benutzen eines Handys sieben Mal Schuld an einem Verkehrsunfall, wie die Polizei Karlsruhe berichtet. Das sei jedoch nur die Spitze des Eisbergs, so Joachim Zwirner, erster Polizeihauptkommissar und Leiter des Sachbereichs Verkehr.
Er vermutet eine sehr große Dunkelziffer, denn nur selten könne man das Benutzen eines Handys dem Unfallverursacher nachweisen. Zwei von diesen Unfällen seien durch Fußgänger verursacht worden, berichtet der Polizist. Diese seien derart von ihrem Handy abgelenkt worden, dass sie nicht nur das Rotlicht nicht wahrnahmen, sondern auch die Straßenbahn oder das herannahende Auto übersahen.
"Der Straßenverkehr verlangt auch und gerade von den Fußgängern die volle Aufmerksamkeit. Der Blick aufs Handy kann zum falschen Zeitpunkt tödlich sein", sagt Zwirner. Das Telefonieren während des Autofahrens ist laut einer Studie genauso gefährlich wie 0,8 Promille am Steuer. Für Fußgänger gelten in Sachen Aufmerksamkeit die gleichen Regeln; denn die Erkenntnisse aus den Unfällen und die Beobachtungen würden dies bestätigen, so der Beamte.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wird jeder zehnte Verkehrsunfall mit Todesopfern durch ein falsches Verhalten von Fußgängern verursacht.
Der Zusammenstoß mit einer Laterne ist noch das kleinste Übel
Bereits auf dem Gehweg kann das Surfen oder Telefonieren problematisch werden, wenn der Handybesitzer zum Beispiel gegen eine Laterne läuft. Dies gehe aber meistens noch glimpflich aus, erzählt der Polizist. Richtig gefährlich wird das Surfen im Internet vor allem beim Überqueren einer Straße oder eines Straßenbahnübergangs. "Das kann der letzte Blick aufs Handy gewesen sein", sagt der Hauptkommissar.