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Bruchsal: "Guten Morgen, Zellenkontrolle": Berufsalltag in der JVA Bruchsal

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"Guten Morgen, Zellenkontrolle": Berufsalltag in der JVA Bruchsal

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    Bernd Murrweiß arbeitet seit elf Jahren in der JVA Bruchsal.
    Bernd Murrweiß arbeitet seit elf Jahren in der JVA Bruchsal. Foto: (mda)

    Meterhohe Mauern, Stacheldraht und Wachtürme mitten in der Stadt. Die JVA Bruchsal erstreckt sich auf einem Gelände von etwa zehn Hektar wie eine Festung. Rund 400 Schwerverbrecher - ausschließlich Männer - werden derzeit hier festgehalten. Unter 15 Monaten sitzt hier keiner. 90 Mörder verbüßen in Bruchsal eine lebenslange Haftstrafe, sieben Straftäter befinden sich in Sicherungsverwahrung. Manche kommen nie wieder frei.

    Seit elf Jahren arbeitet Bernd Murrweiß als Justizvollzugsbeamter in der JVA Bruchsal - umgangssprachlich "Café Achteck" genannt. Den Namen verdankt das Gebäude seiner Architektur. Der im Jahr 1848 erbaute Hochsicherheitstrakt wurde nach amerikanischem Vorbild sternenförmig angelegt. Den Mittelpunkt des Bauwerks bildet ein Turm, von hier aus ertsrecken sich vier Flügel mit insgesamt über 390 Zellen. In jedem Flügel leben auf drei Stockwerken etwa 80 Gefangene  - überwiegend in Einzelzellen.

    Angst kein guter Ratgeber

    Murrweiß arbeitet jeden Tag mit Menschen zusammen, die anderen schweres Leid zugefügt haben. Er verbringt den Tag mit Mördern, Sexualstraftätern und Betrügern. Die große Herausforderung für einen JVA-Beamten sei es, den Häftlingen unvoreingenommen entgegen zu treten, ohne dabei nachlässig zu werden, erklärt der 43-Jährige im ka-news-Gespräch. Wichtig sei ein distanziertes Verhältnis zu den Gefangenen. Freundschaftliche Verhältnisse seien tabu. "Wir leben mit den Gefangenen zusammen, dürfen aber nie vergessen warum sie hier sind", betont Murrweiß. Viele der Inhaftierten seien sehr gefährlich und daher müssten die Beamten vorsichtig sein. Dennoch sei Angst kein guter Ratgeber. Trotz aller Gefahren seien gewalttätige Übergriffe auf Beamten sehr selten.

    In diesem Moment durchdringt ein schriller Ton den Gefängnistrakt. Alarm, Hektik, Eile - dann der beruhigende Funkspruch: Fehlalarm. "Wir müssen hier immer mit allem rechnen", so Murrweiß. Das Alarmgerät ist ein wichtiger Teil seiner Ausrüstung. Bei Schlägereien unter Häftlingen oder bei einer Notsituation eines Kollegen wird Alarm geschlagen, die Beamten stürmen sofort los. Bewaffnet sind sie nicht. Doch Murrweiß hat einen kräftigen Händedruck. "Ein sportliches Erscheinungsbild ist hilfreich, selbstsicheres Auftreten im Umgang mit den Straftätern unumgänglich", so Murrweiß. Im Notfall stehen für die Beamten Schutzschilder und Helme bereit.

    "Ich bin misstrauischer geworden"

    An seinem ersten Arbeitstag hatte Murrweiß noch ein mulmiges Gefühl, erinnert er sich. "Wenn das erste Mal ein tätowierter Zwei-Meter-Riese vor dir steht, wird man erst mal kleinlaut." Er habe sich aber schnell daran gewöhnt. Er wisse mittlerweile mit den Gefangenen umzugehen. "Es gibt sehr schwierige, aber auch lustige Tage", beschreibt Murrweiß seinen Berufsalltag. Ein Ausgleich außerhalb der Mauern sei extrem wichtig, betont er. Um nach Dienstschluss Abstand vom Gefängnisalltag zu bekommen macht Murrweiß Musik oder arbeitet in seinem Garten.

    Die Arbeit mit den schweren Jungs gehe dennoch nicht spurlos an ihm vorüber. "Ich bin misstrauischer geworden", sagt Murrweiß. "Wir werden hier oft angelogen oder es wird versucht uns zu hintergehen." Er sei daher Mitmenschen gegenüber kritischer geworden.

    Der Schlüsselbund rasselt - Murrweiß öffnet eine Zelle. Die schwere Holztür stammt noch aus dem 19. Jahrhundert, ist aber zusätzlich durch eine Stahltür gesichert. Dahinter verbirgt sich auf acht Quadratmetern ein Schrank, ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett. Die Toilette ist durch einen Vorhang abgeschirmt. "Das hier ist für manche die letzte Station ihres Lebens", so Murrweiß. Mitleid habe er dennoch nur selten. Grundlos sei eben keiner in der JVA.

    Schlüssel ist ständiger Begleiter

    Schlösser klacken, Türen fallen. Murrweiß schließt unzählige Male am Tag Türen auf und wieder zu. Der Schlüssel ist sein ständiger Begleiter. "Ich habe mal angefangene zu zählen wie oft ich am Tag den Schlüssel benutze, es aber schnell wieder aufgegeben", schmunzelt er.

    Jeden Morgen beginnt die Arbeit der Beamten mit der Zellenkontrolle. "Wir schauen in jede Zelle und kontrollieren, ob noch alle da und lebendig sind", schildert Murrweiß. Die gleiche Prozedur gebe es am Abend. Nach dem Frühstück - gegessen wird alleine auf der Zelle - geht ein Großteil der Häftlinge unter Aufsicht durch die unterirdischen Gänge zur Arbeit in die an die JVA angeschlossenen Werkstätten. Diesen Vorgang bezeichnet Murrweiß als "kritische Phase". Immer bei "Gefangenenbewegung" steige die Gefahr für Streitereien, Provokationen oder Tauschgeschäfte zwischen den Häftlingen. Zum Mittagessen bewegt sich der Trott wieder zurück in die Flügel. "Ein geregelter Tagesablauf ist sehr wichtig", weiß Murrweiß. Auch das Essen spiele eine wichtige Rolle. Mit der Qualität des Essens falle und steige die Stimmung der Inhaftierten.

    Pausenaufsicht mit Maschinenpistole

    Mittags haben die Inhaftierten Freizeit. Sie dürfen sich innerhalb ihres Traktes frei bewegen und andere Zellen besuchen. Auch der tägliche einstündige Hofgang sei für die Häftlinge eine willkommene Abwechslung. Im Gefängnishof tummeln sich am Nachmittag dann gleichzeitig etwa 200 Häftlinge. Sie spielen Fuß- oder Volleyball, unterhalten oder sonnen sich. Der Trubel im Hof ähnelt ein bisschen dem bunten Treiben auf einem Schulhof. Der Unterschied: Die Pausenaufsicht auf der sechs Meter hohen begehbaren Mauer ist mit Maschinenpistolen bewaffnet. "Das schreckt zusätzlich ab", findet Murrweiß. Die JVA in Bruchsal ist die einzige im Land mit begehbaren Mauern und bewaffneten Wachposten. Auch Murrweiß patrouilliert zwei Mal in der Woche für je zwei Stunden auf der Mauer. "Jeder übernimmt hier verschiedene Aufgaben. Diese Abwechslung ist wichtig", so Murrweiß.

    In der JVA Bruchsal arbeiten aktuell rund 350 Beschäftigte, davon sind 175 uniformierte JVA-Beamte. Die Voraussetzung für die zweijährige Ausbildung ist die Mittlere Reife oder ein Hauptschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung. Die Ausbildung ist in theoretische und praktische Abschnitte unterteilt. Ein tadelloses Führungszeugnis ist Voraussetzung für eine Einstellung.

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