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Karlsruhe: Ein Mann, ein Lied, ein Alkoholproblem: Warum ein durstiger Graf in Bruchsal legendär ist

Karlsruhe

Ein Mann, ein Lied, ein Alkoholproblem: Warum ein durstiger Graf in Bruchsal legendär ist

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    ?? Foto: Hans-Joachim Of

    Um die Jahrhundertwende von 1900 herum stand die Barockstadt Bruchsal in voller Blüte. Auch die 1879 gegründete "Große Karnevalsgesellschaft" (GroKaGe) florierte und das Präsidium setzte einen Preis für ein Lied aus, das sich mit der "Brusler Geschichte" auseinandersetzt.

    Ein Lied über ein Suchtproblem

    Otto Oppenheimer (1875 bis 1951), der bis zu seiner Emigration 1938 in Bruchsal lebende jüdische Tuchgroßhändler und Kunstmäzen, verfasste darauf hin mehrere Lieder. Eines der Stücke - passenderweise beim Junggesellenabschied Oppenheimers am 27. April 1901 erstmals öffentlich gesungen - handelte vom "Brusler Dorscht".

    Otto Oppenheimer
    Otto Oppenheimer Foto: Hans-Joachim Of

    "Graf vom Kraichgauland" (Brusler Dorscht)

    Das war der Graf vom Kraichgauland Graf Kuno war's, der Held. Der hatte einen Höllenbrand, doch leider wenig Geld. Im Rappen war sein Stammlokal, da saß er Tag und Nacht und hat so manches Zechgelag auf frohen Pump gemacht. (Refrain, 2x) Denn der Dorscht, denn der Dorscht, denn der alte Brusler Dorscht, war die Leidenschaft des Grafen, alles andre war ihm worscht. Vom Eichelberg bis an den Rhein war all sein Eigentum, der schöne Lußhardtwald war sein und vieles drumherum. Doch freute ihn kein grüner Wald, kein Jagen auf der Au, das schöne Mädchen ließ ihn kalt, er liebte keine Frau. (Refrain, 2x) Bloß der Dorscht, bloß der Dorscht, ... Der deutsche Kaiser Heinrich war mütterlicherseits des Grafen Kuno Petterich und Gläubiger bereits. Der hatt'ne Hypothek auf das alte Brusler Schloss, sodass des Vetters Lebenslauf den Kaiser arg verdroß. (Refrain, 2x) Ach der Dorscht, ach der Dorscht, ... Doch eines schönen Tages war vorbei die große Not. Es war gerade Februar, da war Graf Kuno tot. Doch an die Brusler hat gedacht er bis ans Lebensend', denn als die Teilung ward gemacht, da stand im Testament: (Refrain, 2x) "Meinen Dorscht, meinen Dorscht, meinen alten Brusler Dorscht erben meine Landeskinder, alles andre ist mir worscht."

    Der Liedtext befasst sich mit den hohen Wirtshausschulden des Grafen "Kuno vom Kraichgauland", der sich Tag und Nacht mit "Höllenbrand" durch die Bruchsaler Schanklokale zecht. Aufgrund seines ausschweifenden Lebensstils muss er seine Ländereien "vom Eichelberg bis an den Rhein" sowie den Lußhardtwald verpfänden. Als er stirbt, kann er nur noch eines an die Bevölkerung vermachen: Seinen "alten Brusler Dorscht".

    Schild am Haus in der Kaiserstraße 87, wo früher das Gasthaus "Rappen" war.
    Schild am Haus in der Kaiserstraße 87, wo früher das Gasthaus "Rappen" war. Foto: Hans-Joachim Of

    Von der historischen Wahrheit bis zur humoristischen Dichtung - nur ein kleiner Schritt

    Doch was hat es auf sich, mit dem Grafen und seinem legendären Durst? In einem Brief, den der am 8. Februar 1951 in New York verstorbene Oppenheimer an den damaligen Präsidenten der "Großen Karnevalsgesellschaft Bruchsal" schrieb, heißt es: "Den Stoff zu diesem Lied fand ich in dem Werk 'Die Geschichte des Bistums Speyer' in der Staatsbibliothek Dresden-Neustadt."

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    Foto: Hans-Joachim Of

    Die lateinische Urkunde vom Mai 1056 besagt demnach, dass der Kaiser Heinrich III. den Hof zu Bruxoles (Bruchsal) mit allen Wiesen und Gewässern - wie es ihm von seinem Vetter, dem Grafen Konrad (Kuno) vom Kraichgauland hinterlassen wurde - dem Bistum Speyer schenkte. Warum der Hof von Bruchsal dem Kaiser Heinrich zufiel? Dazu ist nichts überliefert.

    Von der historischen Wahrheit bis zur humoristischen Dichtung sei es laut Otto Oppenheimer jedoch nur ein kleiner Schritt gewesen: Aus dem Grafen Konrad wurde ein Kuno, aus dem Hof entstand ein Schloss - und schon war das Stück fertig.

    "Brusler Dorscht" avanciert zum Fastnachtsschlager

    Doch lange Zeit war das Lied - wie so viele aus dieser Zeit - verschollen. Überliefert ist, dass Oppenheimer an Fastnacht 1912 im "Cafe Bellosa" zufällig auf eine Zigeunerbande stieß, die dieses Lied mit Gitarre und Flöte interpretierte. Fortan sollte der aus vier Strophen bestehende Evergreen, der eigentlich "Graf vom Kraichgauland" heißt, immer wieder gesungen werden.

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    Foto: Hans-Joachim Of

    Seit dem Jahr 2008 verkörpert der 70-jährige Büchenauer Heimfried Werner den blaublütigen Trunkenbold in der fünften Jahreszeit und bei offiziellen Anlässen der Stadt "Es macht Spaß, in diese Rolle zu schlüpfen und eine historische Persönlichkeit zu verkörpern", sagt er gegenüber ka-news.de. 

    "Graf-Kuno-Denkmal"-Enthüllung wegen Corona-Krise verschoben

    Um die Legende rund um Otto Oppenheimers Kultfigur zu komplettieren, soll dem Durstigen nun auch ein physisches Monument gesetzt werden: Auf dem Otto-Oppenheimer-Platz in der Barockstadt soll Künstler Wolfgang Thiel aus Zweibrücken ein Graf-Kuno-Denkmal installieren - unter anderem mit vom Künstler gestaltete und in der Majolika Karlsruhe gebrannten Fließen. Finanziert wird das Werk aus Geld- und Sachspenden.

    So sieht der Otto-Oppenheimer-Platz heute aus.
    So sieht der Otto-Oppenheimer-Platz heute aus. Foto: Hans-Joachim Of

    Ursprünglich sollte es bereits am 5. April enthüllt werden - aufgrund der Corona-Krise wurde die Eröffnung allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben. Doch auch (noch) ohne Denkmal wird sich Bruchsal dank Otto Oppenheimers Lied immer an seine lokale Berühmtheit erinnern: An den Grafen "Kuno vom Kraichgauland" und seinen legendären "Brusler Dorscht".

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