Einen Tag Pause macht die WM noch, bevor sie am Freitag mit Beginn der Viertelfinalspiele langsam auf die Zielgerade biegt. Fußball in Russland, Berichterstattung vor der Haustür - zumindest wenn man in der Nähe von Baden-Baden wohnt. Von hier aus findet nämlich die Übertragung der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 statt. Im Sendezentrum des Südwestrundfunks (SWR) übertragen ARD und ZDF die WM-Spiele.
Eine Premiere, denn bisher waren die Sender immer vor Ort. 2014 in Brasilien meldeten sich die Moderatoren-Duos von ARD und ZDF von einer Terrasse mit Meerblick über den Dächern Rios. Vier Jahre später ist das anders: Heute steht das über 500 Quadratmeter große Sendestudio in Baden-Baden, knapp 2.500 Kilometer von Russlands Hauptstadt Moskau entfernt. Modernste Technik macht das möglich, sagt WM-Teamchef Harald Dietz der ARD und zeitgleich der Sportchef beim SWR.
Dietz ist seit 2013 als Sportchef beim SWR und vermittelt sofort die Gelassenheit die trotz bevorstehender Sendung bei allen Mitarbeitern zu spüren ist. Er macht den Eindruck eines Teamplayers und genau das ist es, was auch während der vierwöchigen WM-Übertragung von großer Bedeutung ist: Das gute Zusammenspiel von ARD und ZDF, aber auch die Harmonie zwischen Redaktion, Produktion und Technik.
Nach erfolgreichem Testlauf beim Confed-Cup 2017 entschied man sich, auch die WM-Übertragung aus Baden-Baden zu steuern. "Erst die gute technische Entwicklung hat den Schritt, mit einem Sendezentrum aus Baden-Baden ermöglicht. Vor einigen Jahren wäre der Aufwand noch viel zu groß und entsprechend teuer gewesen", erklärt der SWR-Mann gegenüber ka-news.
Das Studio in Baden-Baden ist mit den WM-Spielorten durch 45 Bild- und Tonleitungen verbunden. Leitungen mit solchen Kapazitäten sind zwar schon länger verfügbar, waren bisher aber sehr teuer und somit wirtschaftlich nicht sinnvoll. Das ist nun anders.

Ein weiterer Vorteil sind die Kosten: "Dadurch, dass wir aus Deutschland senden, konnten wir im Vergleich zur letzten WM 82 Prozent der Mietflächen reduzieren und dadurch hohe Kosten einsparen", erklärt mir Dietz. Ein Faktor, der natürlich auch den Sparbemühungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu Gute komme, erläutert mir der SWR-Sportchef weiter.
Ein großer Faktor war der Platz, der benötigt wird und der am besten in Baden-Baden geschaffen werden konnte. Für die Übertragung wurden drei Stockwerke für Studio- und Büroflächen bereitgestellt. Zudem sind zwei Studios für die Übertragung in der Fußball-WM-Zeit geblockt.

Das Kernstück im mit modernster Technik ausgestatteten Studio: eine leistungsstarke LED-Wand hinter dem Moderatorenpult. Auf die kann ein Ultra-HD-Signal mit besonders hoher Auflösung übertragen werden. Was dann entsteht, ist eine atemberaubende Kulisse hinter den Moderatoren und Experten.
Aus Baden-Baden ins ganze Land
Im Studio arbeiten während der gesamten Weltmeisterschaft Redaktion, Produktion und Technik von ARD und ZDF unter einem Dach."Das Zusammenspiel zwischen ARD, SWR und ZDF harmoniert hervorragend. Davon hätte sich die deutsche Mannschaft einiges abschauen können", sagt Harald Dietz augenzwinkernd. Die Redaktionen arbeiten zwar unter einem Dach, allerdings doch in getrennten Räumen, unabhängig voneinander.
In den Redaktionsräumen des SWR läuft mir Alexander Bommes über den Weg, der sich gerade auf die anstehende Sendung vorbereitet und noch einmal mit seiner Redaktion abspricht. Er wirkt bereits konzentriert, hat aber noch ein paar lockere Sprüche auf den Lippen, bevor er in Richtung Studio und zur Probe verschwindet.
Über 6.000 Stunden Material kommen zusammen
Doch nicht nur die Moderatoren holen sich Infos aus der Redaktion. In den Archiv-Abteilungen bedienen sich die Reporter und Story-Macher für Bilder und Töne, um ihre Berichte zu realisieren. Denn natürlich haben ARD und ZDF auch mehrere Reporter-Teams vor Ort, die direkt aus Russland berichten. Der Stab, der für die Berichterstattung der deutschen Mannschaft eingeteilt war, hatte diesmal eine unerwartet kurze Dienstreise. "Bis zu 6.000 Stunden Bild- und Tonmaterial werden hier dokumentiert", erklärt Harald Dietz.
"Die gute Breitbandversorgung macht es möglich, dass alle Prozesse in einer Leitung abgewickelt werden können. Dazu steht eine leistungsgleiche zehn Gigabit-Leitung und das Spielsignal über Satellit als Backup zur Verfügung." Bei der WM 2014 erfolgte die Hauptabwicklung der Übertragung aus dem Internationalen Sendezentrum (IBC) in Rio, etwa 35 Kilometer entfernt von eben jener Dachterrasse. Dort war dann - neben den Moderatoren und Experten - nur ein kleines Team aus Technik und Produktion.

Insgesamt arbeiten in Baden-Baden für die ARD 60 Mitarbeiter in der Redaktion, hinzu kommen weitere 60 Leute aus der Technik und Produktion sowie die Reporter-Teams vor Ort. Beim ZDF ist die Anzahl ähnlich hoch. Die Mitarbeiter aus der Technik, etwa Kamera- und Tonleute, sind in der Regel die selben und werden von beiden Sendern gleichermaßen eingesetzt.

Dass die Abwicklung dieses mal nicht vor Ort erfolgt, spielt für die Produktion keine Rolle. "Für den Zuschauer macht es keinen großen Unterschied, ob wir aus einem Studio in Baden-Baden oder Moskau senden. Entscheidend ist, dass der Zuschauer das gewünschte Angebot von uns erhält und das den Erwartungen entspricht", erklärt mir Harald Dietz während wir unseren Rundgang fortsetzen.
Die besten Bilder finden und an die Bildschirme "zuhause" liefern
Ich treffe Volker Drews, den verantwortlichen Regisseur während der Fußball-Spiele, die bei der ARD übertragen werden. Er ist ein "alter Hase" im Geschäft und war bei der WM 1994 erstmals dabei. Dennoch wird sein Job nie zur Routine, da immer etwas unvorhergesehenes passieren kann. Zusammen mit seinem Team hat Drews im Regie-Raum alle Kameras im Überblick, sodass ihm nichts entgeht.

Insgesamt 110 Monitore mit verschiedenen Inhalten haben Drews und sein Team vor sich, darunter auch das sogenannte Weltbild, das er und seine Crew ein wenig entlastet. Dabei produzieren mehrere Kamerateams Bilder aus dem Stadion, die dann an Fernsehstationen in der ganzen Welt gesendet werden. Deutlich stressiger sind für Drews und seine Kollegen der Vor- und Nachlauf eines solchen Fußballspiels.
Über Funk ist er mit den Reportern, den Moderatoren, den Kollegen der Bildregie sowie dem Dolmetscher verbunden und kann mit ihnen sprechen. "Blöd wird es dann, wenn mich alle mal auf einmal ansprechen", sagt Drews lachend. Auch er macht kurz vor Beginn der Übertragung einen völlig entspannten Eindruck auf mich.

Im Regie-Raum ist Kommunikation das A und O
Etwa ein Dutzend Personen, darunter auch Grafiker und Cutter, sitzen im Regie-Raum. Die Grafiker erstellen beispielsweise Tabellen, die dann live eingeblendet werden. Ein Team kümmert sich um die Projektion der LED-Wand im Studio, wieder andere sichten Bilder und schneiden parallel zur Übertragung schon die Interviews zusammen. Das alles passiert in einem verhältnismäßig kleinen, dunklen Raum ohne Tageslicht. Schon einige Stunden vor Übertragungsbeginn fängt hier ein langer Arbeitstag für den Regisseur und seine Kollegen an.

Den Ablaufplan der Sendung hat Volker Drews auf einem Bildschirm vor sich. Auch für ihn macht die Arbeit keinen großen Unterschied, ob sie in Baden-Baden oder einem Sendezentrum vor Ort stattfindet. Die geplante Sendung mit über 150 verschiedenen Positionen wird vorab und nach der Sendung, gegen 23 Uhr, besprochen und analysiert: Was lief heute gut, was könnte eventuell verbessert werden.
Zwei Dinge werden mir im Regie-Raum klar: Keine Sendung ist hundertprozentig planbar, da immer etwas unvorhersehbares dazwischenkommen kann, zum anderen hat das Regie-Team eine gute Kommunikation und ist optimal aufeinander eingespielt. Mein Tag im Sendezentrum geht zu Ende. Mit dem Eindruck, was alles hinter einer Fußball-Übertragung steckt, schaue ich zuhause das Abendspiel mit ganz anderen Augen. So wie auch die noch ausstehenden acht Spiele...