Jetzt ist die erklärte "Supergroup des German Indie-Rock" wieder dem Studio entsprungen und erzählt "Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen" (Grand Hotel van Cleef/Indigo). Zuletzt wurde das "Lattenmessen" nur besungen und damit legten die Brüder Marcus (Gesang und Gitarre)und Lars (Keyboard) Wiebusch, Reimer Bustorff (Bass), Erik Langer (Gitarre) und Frank Tirado Rosales (Schlagzeug) selbige verdammt hoch. Dennoch ist das zweite Werk der Hamburger ein mindestens ebenbürtiger Nachfolger.
Der CD-Tipp von Patrick Wurster
Mit "Deiche" gibt's zu Beginn eine fesselnde Up-Tempo-Nummer, ganz im Stile von "Ausgetrunken" und wer es derart aufgegeilt kaum mehr abwarten kann und jeden Song nur kurz anspielt, wird beim ersten Durchhören vielleicht ein ganz klein wenig enttäuscht sein. Zu unrecht. Kettcar gehen's zwar im Ganzen betrachtet etwas akustiklastiger an (einfach genial: "Die Wahrheit ist, man hat uns nichts getan") und so mancher Track entfaltet sich zugegeben erst spät ("Die Ausfahrt zum Haus deiner Eltern", "Tränengas im High-End-Leben"). Doch diese Hooklines haben schlicht und ergreifend eine Klasse, wie man sie im deutschsprachigen Raum lange, lange suchen muss - und wahrscheinlich allem Bemühen zum Trotz nicht finden wird.
Ob das kinderchorgestützte und auf dem gleichnamigen Roman von Simon H. Cummings basierende "Stockhausen, Bill Gates und ich" oder "Handyfeuerzeug gratis dazu" - man könnte an dieser Stelle wohl so ziemlich jeden der elf Tracks namentlich erwähnen: Kettcar schaffen mit scheinbarer Leichtigkeit, was das Ziel jedweder Art von Musik sein sollte: sie berührt. Selbiges gilt für Marcus Wiebuschs durchweg deutsche Texte. Lyrik muss es folgerichtig heißen. Klar braucht es ab und an ein wenig Phantasie oder die entsprechenden Lebensumstände, um den Metaphern zur Gänze auf die Schliche zu kommen. Auch wenn Kettcars Passagen zeitweise die bittere Wirklichkeit so verdammt genau auf den Punkt bringen wie bei den Highlights "48 Stunden" und "Balu", bleibt die endgültige Sinnhaftigkeit des Dichters Geheimnis.
Aber wie heißt es doch so blasphemisch: Wer beim deutschen Indie-Rock nach dem Sinn im Gesungenen heischt, trägt auch Holz in den Wald - pardon, die Taube aufs Dach natürlich. Doch wir geben uns im vorliegenden Falle nur zu gerne mit dem Spatz in der Hand zufrieden; nicht zuletzt deshalb, weil sich immer wieder zwischen Pathos-Überdosis und Bilder-Wirrwarr jene eine erleuchtende Zeile auftut, die entwaffnend schlicht all das sagt, was gesagt werden muss. Ein T-Shirt-Spruch pro Song nunmal ist Kettcar-Pflicht! Und dafür kann man sie auch im Jahr 54 nach Gide eigentlich nur ganz furchtbar doll lieb haben.
Der Knuddeltermin in Karlsruhe lautet: Mittwoch, 30. November, 19.30 Uhr, Festhalle Durlach - präsentiert vom "Wochenblatt" und ka-news.