Es fällt ja seit jeher nicht unbedingt leicht, sich als eingefleischter Green Day-Sympathisant zu outen: Anno '94 kommt mit "Dookie" jene grandiose Scheibe voll Ohrwurm-Punk daher, die das Trio im nu zu "Bravo"-gehypten Kiddie-Idolen hochstilisiert. "Basket Case" lässt sich selbst mit der heimischen Garagenband ohne große Schwierigkeiten nachspielen und "When I Come Around" macht es den Nachbarschaft-gefürchteten Cover-Königen noch ein gutes Stück einfacher; G, D, E-Moll, C - und ein weiterer Song im Repertoire! Doch auf Dauer kann ein solches Unterfangen nur schief gehen: MTV rauf, MTV runter, Billie Joe hier, Billie Joe da - und ab mit dem grasgrünen "Dookie"-Shirt in die dunkelsten Untiefen des Kleiderschranks! Dazu braucht's nun wahrhaft keiner Mitgliedschaft im Club der Bunthaarigen wider den Kommerz.
Ein Album, drei Lager und die letzte Konsequenz
Die Folge-Alben "Insomniac" und "Nimrod" sind denn für die "Ich hör alles, was es in die Charts schafft"-Klintel zwar gottlob wieder so mittelprächtig, dass sich sogar der Nieten-Nachwuchs ruhigen Gewissens an "Give It To Me Baby, aha aha"-Massenware ergötzt. Andererseits bedarf es abermals einer äußerst ausgefeilten Argumentation, warum denn ausgerechnet diese beiden Scheiben im fein säuberlichst zusammengestellten heimischen Plattenarsenal ihren Seelenfrieden finden dürfen. Vertrackte Sache, dieses Fan-Dasein. Wäre es zu vorschnell, nach drei Jahren mal eben einen kurzen Blick in den Klamottenschrank zu riskieren?! Einfach so, nur um zu sehen, ob's noch da ist.
Und während hier noch reiflich abgewägt wird, zeigen Billie Joe Armstrong, Trés Cool und Mike Dirnt, dass sie weit mehr zu bieten haben als eingängig-schnöde Melodieläufe auf Drei Akkorde-Basis. Mit "Warning" geht's anno 2000 fast gänzlich weg vom Punk; mehr Pop, und noch mehr Songwriter-Elemente. Da stellt sich so manchem Anhänger ganz schnell der Kamm und zwar gänzlich ohne eigenes Zutun. Man macht schließlich nicht jede Musikerlaune so ohne weiteres mit. Und jetzt räumen Green Day also nach vier Jahren ohne auch nur eine Note mit der anderen kombiniert zu haben dermaßen ab, dass sie ein zweites Mal ausgesorgt haben dürften. Dieses 13 mehr ("American Idiot") oder minder ("Are We The Waiting") brillante Songs umfassende Kunststück mit einem konsequenten Konzept-Album zu vollführen, das mit "Jesus Of Suburbia", "St. Jimmy" und "Whatsername" die drei Lager der Bush-Gegner in den Vereinigten Staaten widerspiegelt, stimmt da um so wohlgesonnener.
Und unser verzweifelter Sympathisant? Zwar wabert heuer mit "Boulevard Of Broken Dreams" der nächste Klingeltonwerbungs-Unterbrecher MTV rauf und Viva runter, ein auf androgyn gestylter Billie Joe schlurft hier und schlendert dort - aber mal ehrlich: Fürs pseudo-rebellische Green Day-Leibchen mit Fliege und Hundehaufen sind wir mittlerweile doch ohnehin längst zu alt.