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Karlsruhe: Zwischen Berlin und Birmingham: "Fest" mit Bela, Editors und Monsters

Karlsruhe

Zwischen Berlin und Birmingham: "Fest" mit Bela, Editors und Monsters

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    Zwischen Berlin und Birmingham: "Fest" mit Bela, Editors und Monsters
    Zwischen Berlin und Birmingham: "Fest" mit Bela, Editors und Monsters Foto: VoWa

    Der Konzertbericht von Patrick Wurster

    Bei bester Festival-Witterung eröffnet um halb vier die Karlsruher Alternative-Formation Centermay das Hauptbühnen-Programm und nach den Pop-Rockern Stanfour von der Nordseeinsel Föhr beschreitet Graf Rockula den Hügel-Vorhof: Bela B und seine Truppe Los Helmstedt markieren den zweiten Teil des Ärzte-Vorspiels auf Raten, nachdem Kollege Farin Urlaub mit seinem Racing Team bereits im vergangenen Jahr auf dem "Fest"-Programm stand.

    Eine Frauenband kann der Stehtrommler zwar nicht auffahren, seine Los Helmstedts wissen allerdings eine Person in ihren Reihen, an der "alles lang und länger ist", wie der "Boss" seine Mitsängerin Ina Paule "Babe" Klink vorstellt. Die restliche Band muss sich damit begnügen, lediglich ihren Part hochkant auf dem Hemd zu tragen: "Bass", "Gitarre" und "Drums" für Holly Burnette, Gary Schmalzl und Danny Young. Bela B - neuerdings typographisch geliftet ohne Punkt - hat Gefallen am Auffallen.

    Losgelöst von Farin Urlaubs harmonieseligen Arrangements legt der Ärzte-Vampyrologe einen unterhaltsamen Auftritt hin, der nunmal nicht besser sein kann, als das Songmaterial seiner beiden Soloalben "Bingo" und "Code B": Manches plätschert so dahin zwischen den Midtempo-Nummern "Geburtstagsleid" und "In diesem Leben nicht", zwischen "Schwarz/Weiss", "Ninjababypowpow", dem countryesken "Der Vampir mit dem Colt", "Altes Arschloch Liebe" und der "Traumfrau" im Rockabilly-Stil, begleitet vom roten Kontrabass und Rempeltänzen. Dankbar angenommen sind da die Fingerübungen mit Bela bei "1.2.3." und der Band-Bananeness-Contest zum Vorspiel des Punksongs "Als wir unsterblich waren".

    Die kontrollierten Gefühlswelten der Editors

    Schon jetzt ist die Klotze auf beiden Seiten - im kostenpflichtigen Hügel- wie im kostenlosen Sport- und Familienbereich - ordentlich gefüllt; das Wandeln zwischen den Welten geht trotz Menschenansammlung vor den Scannern einigermaßen flott vonstatten. Denn die zieht es nun vor die Hauptbühne: Die Wave-Epigonen Editors aus Birmingham setzen sich schließlich nicht alle Tage mit "No Sound But The Wind" in Karlsruhe ans Piano. Die Bariton-Stimme streift Tod, Krankheit und Verlust, die Texte eine Melange aus Melancholie, Verzweiflung, Angst und Wut - dabei behält der Sound der Editors immer die Oberhand über die Gefühlswelten: Kontrolle, kein Ausbruch.

    Betont düster starten die studierten Musiker Tom Smith (Gesang und Gitarre), Chris Urbanowicz (Gitarre), Russell Leetch (Bass) und Ed Lay (Schlagzeug) mit Songs aus ihrem viel gelobten Debüt "The Back Room" und dem Zweitwerk "An End Has A Start" in den Abend. Interpol, R.E.M oder Joy Division - die Editors verstehen ihre Referenzbands als Bezug und nicht als Vorlage; neuerdings mit zurückgenommenen Gitarren und Synthie-Sprengseln klingen sie auf "In This Light And On This Evening" auch nach New Order oder Depeche Mode und so gestaltet sich die zweite Konzerthälfte wesentlich leichter zugänglich und Kompositionen wie "Papillon" geben Gelegenheit, die Ehrfurcht aus den Gliedern zu schütteln.

    Sitzpogo-Party auf Mount Klotz

    Warmmachen fürs Komplett-Kontrastprogramm der Headliner: die Monsters Of Liedermaching. Sechs Mann im Halbkreis, fünf Akustik-Klampfen und lose Mundwerke - das bleibt in Sachen Dezibels überschaubar, ist aber nicht nur auf Club-Bühnen, sondern auch open-air ein echter Knaller. Und den Rest richtet das Publikum: Fred Timms von einem schmerzhaften Zahnarztbesuch berichtender "Lady In Black"-Ableger "Marzipan" animiert die Klotze gleich mal zum kräftigen Einstimmen.

    Stilistisch hat die Wandergitarren-Community alles drauf, was das Genre hergibt. Und das liegt vornehmlich an der Zusammensetzung der bunten Truppe, die neben Gemeinschaftswerken wie "Ich trink dich schön" aus den mehrstimmig und vielsaitig präsentierten Solowerken der sechs Monster besteht: Rüdiger Bierhorst aus Berlin, Torsten Kühn alias Der flotte Totte, das gitarrenlose Monster Jan Labinski alias Labörnski, Sänger im Duo Frische Mische, Timm, das ehemalige Mitglied von Norbert und die Feiglinge, der umtriebige Peer Jensen alias Pensen und Jens Burger alias Burger, bis vor kurzem Frontmann der inzwischen aufgelösten Schröders.

    Der sorgt mit dem alten Punkrock-Gröhler "Tod in der Nordsee" gleich für den ersten Sitzpogo. Was folgt, ist ein ganz extraordinärer "Fest"-Auftritt, der dank blankem Nonsens ("Ich brauch ein Döner" und "Türen"), heiterem Namenreimen ("Interesse ist gut"), schwarzem Humor ("Sususu"izid) oder der frivolen Oralverkehrhymne "Blasenschwäche" entspannten Spaß verbreitet. Und beim ganz offensichtlich zündenden Sicherheitskonzept mit der viel diskutierten Einlassbeschränkung wäre mancherorts auf dem Hügel sogar noch Platz geblieben für ein zünftiges Lagerfeuer.

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