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Karlsruhe: We Are Happy ("Fest"-)Family

Karlsruhe

We Are Happy ("Fest"-)Family

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    Kettcar
    Kettcar Foto: pat, ka-news, ka-news

    Dass New Model Army, die einen Terminus aus der Zeit des englischen Bürgerkriegs für ihren Bandnamen auserkoren haben, auf dem "Fest" funktionieren, ist kein Geheimnis. Seit ihrem ersten "Fest"-Besuch 1998 sind Justin Sullivan und seine Band in den "Kreis des Vertrauens" aufgenommen und somit musste "Fest"-Organisator Rolf Fluhrer nicht lange überlegen, als sich die Engländer mehr oder minder selbst geladen hatten. Wer einmal auf dem "Fest" war, will wieder kommen - keine Frage.

    Mit auf die Bühne bringen sie jedoch mehr denn zwei satte Stunden Independent-Protest-Rock: Es windet ein wenig. Und dann ein wenig stärker; es tröpfelt und dann regnet's.

    "We Brought To You An English Summer!" Justin Sullivan nimmt's gelassen, feiert sich durch die "History" seiner Band, die ihre Wurzeln in den frühen 80ern weiß, längst alles erreicht hat und trotz aktuellen Albums namens "Carnival" ihre obligatorischen All-Time-Hits "51st State", "The World" und "Vagabonds" dennoch artig vorträgt.

    Auch wenn's nicht unbedingt und - traut man den gemischten Stimmen - erwiesenermaßen nicht jedermanns Sache ist: Die Army um Shouter Sullivan vermag zu überzeugen. Rohe und reine Energie schwappt über den Hügel, der Sound ist kompakt und die genannten Gassenhauer mobilisieren wie gehabt.

    New Model Army und das "Fest" - das zahnrädert wie eine alte Ehe, wo sich der eine im konservativ-positiven Sinne auf den anderen verlassen kann - ohne größere (negative) Überraschungen, versteht sich. Da muss man dann schon mal eine gute Stunde vor veranschlagtem Konzertbeginn loslegen.

    Kettcar sind ebenso eine jener Bands, die man entweder kennt und liebt, oder kennt und nichts von guter Musik versteht. Mit einer flotten Up-Tempo-Nummer fetzen die fünf Mannen um halb acht los und das etwas unbehagliche Gefühl, ob die nordischen "Deiche" bis zum badischen Hügel reichen würden, lag da irgendwo unter reichlich "Das Bier" und "Das Radler" in der Magengrube.

    Denn der feine Kettcar-Sound funktioniert am besten dort, wo auch kleine Brauereien funktionieren: In kleinen Clubs nämlich und nicht in Hallen oder gar auf großen Festivals. Zwischen einem Gig im Substage, der Durlacher Festhalle und dem LKA-Longhorn in Stuttgart liegen jeweils atmosphärische Welten. Ein Gedankengang, der nach wenigen Minuten wie von selbst dem vollkommenen Genuss in Kopf und Bauch Platz machen muss: Kettcar auf der "Fest"-Bühne, das rockt und zwar richtig!

    Die Hamburger legen in gewohnter Seelenruhe ihren (teils) sonischen Soundteppich über das sich zusehends füllende "Fest"-Gelände, und Hymnen wie "Landungsbrücken raus" sind zumindest schon Semi-Klassiker im deutschen Indierock-Kanon und werden von den tanzenden Reihen natürlich erkannt und dementsprechend abgefeiert.

    Zwischen durchweg feinen Songs füllt Frontmann Marcus Wiebusch in gewohnt schnoddrig-intelligenter Manier die Kunstpausen; und gegen Ende will man die Nordlichter seitens des wirklich begeisterten "Fest"-Publikums gar nicht mehr runter lassen von einer Bühne, die in Karlsruhe einmal jährlich die Welt bedeutet. Und sogar hier können es Kettcar mit ihren Songs wieder mal am besten auf den Punkt bringen: "Bei allem was jetzt muss: Wir bleiben bis zum Schluss! Ich danke der Academy für das erkennen von Talent, das Leben schreit nach Energie, wahrscheinlich war ich besser nie als in diesem Moment."

    "Danke an den Veranstalter, der erkannt hat, dass man bei Kettcar besser saufen kann!", unkt Sänger Wiebusch mit Blick auf die Vorjahresgigs von Juli (ka-news berichtete) und Silbermond (ka-news berichtete); und zwar besser im Sinne von gepflegter: "Pur für Alkoholiker" und "Bob Dylan für Taubstumme", in Songs gesprochen "Tränengas im High-End-Leben", "Stockhausen, Bill Gates und ich", "Balu", "Ich danke der Academy". Wir danken Kettcar und Standing Ovations. Für einen grundehrlichen, sympathischen Auftritt und für die Musik. Wie bilanziert Wiebusch am Ende fast unhörbar, aber beeindruckt: "I Will Remember!" "Das Fest" und die Karlsruher auch. Sie dürfen, müssen irgendwann wiederkehren. 'Cause We Are Happy ("Fest")-Family - und Kettcar "gehoeren" fortan dazu.
    Patrick Wurster und Tobias Frei

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