1926 in Yonkers geboren, schreibt Yates jahrelang, ohne seine Geschichten veröffentlichen zu können. Er hält sich als Journalist, Werbetexter und Redenschreiber über Wasser. Sein Erstling "Zeiten des Aufruhrs" ("Revolutionary Road") wird 1961 kurzfristig gefeiert, nach einigen Romanen und Kurzgeschichten gerät er in den späten 60er Jahren aber zunehmend in Vergessenheit. Es folgen psychische Zusammenbrüche und Alkoholsucht - es wird angenommen, dass Yates sein exzessives Trinken und Rauchen mit dem Leben bezahlte. Er stirbt 1992. Jüngst, 30 Jahre nach seiner Erstpublikation (1976), ist "Easter Parade" auf Deutsch erschienen (aus dem Amerikanischen von Annette Grube).
Der Buchtipp von Matthias Walz
Sarah und Emily heißen die hübschen Grimes-Schwestern. Im Amerika der 30er Jahre leiden sie unter der Scheidung ihrer Eltern und der Lebensart ihrer extravaganten Mutter Esther, die sich von ihnen Pookie nennen lässt. Pookie hält viel von Flair und glaubt, diesen bei den Reichen zu finden. Sie zieht mit ihren Töchtern ständig innerhalb von New York um und mietet viel zu große Wohnungen mit Stuck (und Flair), die sie mehr kosten als sie sich leisten kann. Walter Grimes, der Vater der Schwestern, ist ein gescheiterter Journalist und trinkt ganz gerne zwei Whiskeys vor dem Essen.
Das Ende der Romantik und die Einsamkeit des Seins
Die erwachsenen Schwestern werden nicht glücklicher als ihre Mutter. Sarah heiratet statt ihres Märchenprinzen den zur Gewalt neigenden Tony und lebt mit ihm und ihren drei Söhnen ein tristes Leben auf Long Island. Was ihr am Ende bleibt, ist ein Foto, auf dem sich Sarah und Tony im Aprilsonnenschein romantisch anlächeln; es wurde von einem Fotografen während der traditionell am Ostersonntag stattfindenden Easter Parade geschossen, bei der die soziale Elite nach dem Kirchbesuch die Fifth Avenue entlangschlendern, um ihre neuen Hüte und Kleider bewundern zu lassen.
Emily gibt sich unbürgerlich, studiert, macht Karriere in New York und stürzt sich von einer Affäre in die nächste. Schnörkellos und mit quälender Exaktheit erzählt der Autor von Emilys Entjungferung durch einen nie wiedergesehenen Soldaten, von ihre Kurzehe mit einem depressiven Dichter oder von ihrer unglücklichen Beziehung mit einem verheirateten Liebhaber. Als Emily ihre Stelle als Texterin in einer Werbeagentur verliert, wird ihr deutlich, wie einsam sie ist. Emilys letzter Satz im Buch lautet: "Ich bin fast 50 Jahre alt, und ich habe noch nie im Leben irgend etwas verstanden."
Brutale, sachliche Schilderung eines Chronisten
Beim Lesen von "Easter Parade" wird schnell klar: Hier herrscht traurige Mittelmäßigkeit, die als solche nicht akzeptiert werden will. Präzise, in knapper, einfacher und herber Sprache, beschreibt Yates die verkorksten Lebensgeschichten seiner Figuren. Sarah und Emily versuchen ihr Bestes, aber sie erreichen nie das, was sie sich wünschen. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität bleibt immer bestehen, die Hoffnungen der beiden Schwestern werden sich nie erfüllen. Beide scheitern - am Alkohol, an den Männern, an Sorgen und Selbstbetrug. Ihre Träume zerplatzen nicht wie Seifenblasen. Sie zerbröseln nach und nach wie kleine Kuchenstücke.
"Easter Parade" fesselt von Beginn an. Richard Yates ist ein genauer Beobachter der amerikanischen Mittelklasse der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Die realistischen, sachlichen Schilderungen reservieren "Easter Parade" auf dem Bücherregal einen Platz zwischen den Büchern von Ernest Hemingway oder Siegfried Lenz. Yates urteilt nicht, sondern registriert und fordert den Leser heraus, die eigene Situation zu überdenken. Vielleicht sogar mit Happy End.