Goethes Vers aus Faust II lässt die Besucher wissen: "Und merk Dir ein für allemal, den wichtigsten von allen Sprüchen, es liegt Dir kein Geheimnis in der Zahl, allein ein großes in den Brüchen." Es zählt die Zahl - und nicht etwa eine nicht messbare Eigenschaft. Die Ausstellungsmacher und Kuratoren bleiben dieser Leitlinie treu und zeigen das Jahrhundert der Quantifizierung in Verbindung mit Technisierung und Industrialisierung. Die Zahl - Basis für den Fortschritt - wird zum treibenden Motor des Jahrhunderts.
Rechenkenntnisse für grenzübergreifenden Handel
Ein Klassenzimmer ist in der Ausstellung symbolisch für die Einführung der allgemeinen Schulpflicht zu sehen. 1754 wird zwar in der Markgrafschaft Baden für Knaben und Mädchen vom sechsten bis zum 12./13. Lebensjahr ganzjährig die Schulpflicht eingeführt, aber erst die badische Schulordnung von 1834 verordnet den Rechenunterricht ab dem ersten Schuljahr.
Rechenkenntnisse waren insbesondere in der Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts von großem Nutzen, um grenzübergreifend Handel zu treiben. Gewicht- und Längeneinheiten wurden ebenso wie Währungen mit verschiedenen Maßstäben gemessen. Ein Spruch aus dem Jahr 1848 belegt: "Jedes deutsche Ländchen hat sein eigen Quäntchen. Eigne Maß hat fast jede deutsche Stadt". Dieser Vierzeiler hatte bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts seine Gültigkeit und noch heute kennen wir die Maßeinheit einer "Prise Salz" im Küchenbereich. Doch diese nicht quantifizierbare Maßeinheit birgt insbesondere bei Kocheleven große Gefahren, weil eben eine Prise nicht in Gramm angegeben ist.
Becher, Schoppen, Sester?
Alte Verpackungseinheiten wie Dutzend (zwölf Stück) und Gros (zwölf Dutzend) haben sich dagegen bis zum heutigen Tag bewährt. Wesentlich unpraktischer waren dagegen die Längen- und Flächeneinheiten. Linie (drei Zentimeter), Fuß (30 Zentimeter), Elle (60 Zentimeter), Klafter (180 Zentimeter oder Spanne der ausgestreckten Arme) und Rute (300 Zentimeter) sind als "Modell" in der Ausstellung zu sehen. Bezogen auf die individuellen Körperproportionen des Menschen waren diese Staffelungen individuell für jedes Fürstentum festgelegt, ohne Rücksicht auf die Maßeinheit benachbarter Territorien. Dasselbe galt für die Maßeinheiten Becher, Schoppen, Mäßlein, Sester und Fuder im Volumenbereich. Erst mit der Reichsgründung 1871 und der Zusammenführung der Einzelterritorien ins Kaiserreich wurden die Maß- und Gewichtseinheiten standardisiert.
Die Zahl ist rationales und abstraktes Mittel, um Wissenschaft und Technik zu optimieren, den Handel zu forcieren. Mit der Einführung des Papiergeldes entwickeln sich Börsen und Banken, florieren die Produktionsweisen und prüfen Rechenmaschinen die Einkünfte. Diese Umstände verändern das Leben jedes Einzelnen. Geld nimmt als Zahlungsmittel und Wertmaßstab eine Mittlerfunktion ein. Geld regiert die Welt. Das Abwägen, Rechnen, Reduzieren qualitativer Werte auf quantitative wird zum Alltag.
Zuse 23 hilft der Zahl auf die Sprünge
Kein Wunder also, dass ein findiger amerikanischer Kaufmann, James Ritty, die erste Rechenmaschine - das Goldstück der Ausstellung - im Jahr 1879 erfand, um seinem Servierpersonal korrekte Abrechnungen zu ermöglichen und darüber hinaus den privaten "Griff in die Kasse" mittels Klingelzeichen zu unterbinden. Die Zahl vereinheitlicht das praktische Leben binnen weniger Jahrzehnte. Produkte des Alltags, um 1800 noch mühevoll in Handarbeit als Einzelstücke gefertigt, werden um 1900 bereits als Massenprodukt in Warenhäusern angeboten. Die Standardisierung begünstigt Handel und Verkehr und nicht zuletzt die Entwicklung neuer Maschinen.
Für die Weiterentwicklung der Zahl steht der durch den findigen Kopf von Konrad Zuse 1961 entwickelte Großrechner. Das "mechanische Gehirn", wie Zuse seine Rechenmaschine bezeichnete, entstand 1937 als ein rein mechanisches Rechenwerk noch im elterlichen Wohnzimmer - und füllte dieses wohl aus. Zuse 23 ist ein Rechner, der immerhin 98 Mal verkauft wurde. In der Ausstellung ist eines der nur insgesamt sechs erhalten gebliebenen Sammlerstücke zu sehen - die Ausmaße werden von allen Besuchern bestaunt und bewundert, zumal man in Zeiten des i-Phones den privaten PC in der Hosentasche trägt.
Nach wie vor sind es jedoch die kleinen Schmuckstücke und Exponate, die die Präsentation so wertvoll machen. "Kopf oder Zahl" bietet zudem wertvolle Programme für Kinder von fünf bis zwölf Jahren unter dem Titel "Kinderzeit". Die themenbezogenen Führungen sind altergerecht aufbereitet und bieten zudem Workshops zu Maß- und Münzeinheiten, um spielend Wissen und Erfahrungen zu Sammeln.
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