Der Kinotipp von Patrick Wurster
Gesungen wird sie von seinem ungeflügelten Trio Michaela (Mira Gittner), Gabriela (Marina Anna Eich) und Lucy (Mönning), die auf ihren Motorrädern die Lande durchstreifen, um Lust und Laster zu leben.
Denn Gott hat die Engel mit seinen Geboten sprichwörtlich zu Tode gelangweilt; die Überlebenden sind geflohen, haben sich nun unter die Menschen gemischt und sündigen auf Erden ohne Reue. Die hemmungslose Lucy ist durch und durch seelengeil, definiert sich einzig über Sex - "Ich ficke, also bin ich".
Und der Moment, in dem sie wirklich lebt und das Leben nicht nur nachahmt, ist im Orgasmus, von denen es über 86 Minuten so manchen heftigen gibt und die allesamt nicht gespielt gewesen sein sollen.
Lucy verkehrt allerdings unter dem moralischen Deckmantel von "Ich habe mich verliebt". Dass sie dabei den Männern etwas vormacht, ist für ihre beiden Begleiterinnen nicht das Problem. Sie betrügt sich selbst. Und diese Verlogenheit wollen ihr die Erzengel Michaela und Gabriela austreiben. Damit sie endlich erkennt, wer sie ist: nämlich eine geile, habgierige Schlampe.
Selbstfindungstrip oder Softporno? Feministisches Pamphlet oder Altherrenfantasie? Weibliche Selbstbestimmung oder männliche Selbstverleumdung? "Ich kenn alles bis auf Punkt und Strich, nur eines nicht, das bin ich, ich, ich", lässt Reber seine Engel immer wieder postulieren. Ein ganz wesentlicher Dreizeiler in seinem erotischen Drama, das jeden mit der Frage nach der eigenen Integrität konfrontiert und schließlich bei allem ehrlich vorgelebten Egoismus befindet: "Ohne Liebe sind wir leere Hüllen in einer leeren Welt."
Dass Reber aus dem Theater-Universum stammt, wird wieder an langen Einstellungen, ruhigen Schnitten und den philosophierenden Dialogen erkennbar. Und während Hollywood seine Frauen beim Liebesakt völlig weltfremd in Büstenhalter und Bettdecken drapiert, scheut sich Deutschlands Enfant Terrible unter den Regisseuren nicht, Ross und Reiter zu zeigen: Ob's auch ohne den (kultigen!) gehörnten Helm noch als Kunstfilm durchgeht, wenn die aparte Mönning ihre gespreizte Vagina in die Kamera streckt, bevor sie mit allen greifbaren Männern schläft und sich bei Blow- und Handjobs austobt, ist eine doppelt doppelmoralische Frage.
Natürlich zum Ersten, weil sich mancher "Um Himmels Willen"-Zuschauer scheinheiligst über diese Freizügigkeit echauffieren wird. Dem hält der Film entgegen: "Schmutz ist Leben." Aber wie rein ist das Gewissen der Macher? Sind sie integer? Ist das Kunst oder Kalkül oder Kunst des Kalküls? So viel mediale Aufmerksamkeit wie über elf Geschichten in der "Bild" und ein "Penthouse"-Fotoshooting, zu begutachten in der Ausgabe vom 11. März, dürfte sich anderweitig jedenfalls kaum herstellen lassen. Aber Reber und seine auch beim dritten Kinoprojekt (nach "24/7 - The Passion Of Life" und "Mein Traum oder die Einsamkeit ist nie allein") wieder ohne einen Fördercent produzierende WTP-Crew waren immer gerne streitbar. Ihre Engel wissen sowieso längst: "Wer gefallen will, ist schon gefallen."
Am Montag, 22. März, stellt der Regisseur mit seinen Hauptdarstellerinnen Antje Nikola Mönning und Marina Anna Eich um 19 Uhr (nicht wie ursprünglich angekündigt 20 Uhr!) "Engel mit schmutzigen Flügeln" in der Schauburg vor. Karten gibt's unter Telefon 0721/3500018.
www.engel-derfilm.com
www.schauburg.de