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Karlsruhe: "Happy Aua" trotz Todesfall: Bastian Sick, der Wolf im Schafspelz

Karlsruhe

"Happy Aua" trotz Todesfall: Bastian Sick, der Wolf im Schafspelz

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    Seine mittlerweile auf drei Folgen angewachsenen Sprachpflege-Bände "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" (Kiepenheuer & Witsch) - die neben Schneiders "Deutsch für Kenner" und "Deutsch für Profis" zumindest all jene mindestens einmal gelesen haben sollten, die das Schreiben zu ihrer Profession zählen - sind richtig und wichtig und nicht ohne Grund so erfolgreich: Der "Spiegel Online"-Redakteur Sick vermeidet es in seinen einfach nur großartig und pointiert geschriebenen Kolumnen allzu geballt aus den Grammatik- und Orthographie-Regelwerken zu zitieren, lässt schweren Kapiteln, in denen das dann doch einfach mal sein muss, immer wieder auch gefällige folgen.

    Die Kulturkritik von Patrick Wurster  

    Es geht in Anekdoten eingebettet um spannende Alltagsbanalitäten; um Deppen-Apostrophe, gefühlte Kommas, unsinnige Anglizismen und andere falsche Freunde, das Nutella-Geschlecht, den (nun betitelten) vermaledeiten Warentrenner im Supermarkt (einst Kassendingsbums, Separator oder Pensionistenberuhiger) oder darum, wie die offiziell verbürgten fünf Wörter auf -nf lauten. Thematisiert werden aber auch stilistische Verfehlungen, etwa "Puromanie" in Reinform und bundessprachliche Bereicherung, brutalstmöglichst gesteigerte Superlative oder die "Sucht nach Synonymen", Journalismus und PR - Sick kreidet auf beiden Seiten des Schreibtischs ohne den interessierten Normalbürger zu vergessen, an den sich beide Berufsgruppen letzten Endes richten.

    Diese gesunde Mischung aus Lachen und Lernen, sie geht dem Mittwochabend ab. Es ist nie die beste Ausgangslage, mit überbordenden Erwartungen in eine solche Veranstaltung zu gehen; und vielleicht auch nicht ganz fair dem Künstler und Kollegen gegenüber - aber diese Rahmenbedingungen hat Bastian Sick mit seiner hervorragenden Arbeit in den vergangenen Jahren selbst geschaffen.

    Sein zweites Bühnenprogramm eröffnet der erklärte Schutzpatron selbigen Falles mit einem GeniTV-Einspieler auf der Videoleinwand, bevor er sich gelackt gekleidet an seinen (auf dem weiten Podium etwas verloren wirkenden) Schreibtisch setzt und erst einmal ein paar Wem-oder-Wessen-Verwechslungen zum Besten gibt. Dann verliert er sich in Endloskonjugationen. Und sehr früh beinahe schon sein Publikum: Nach einem Dutzend Anhörungsobjekten zur korrekten Handhabe von regelmäßigen und unregelmäßigen Verben mithilfe falscher Beispiele wird es bei "furzen - farz - geforzen" weder eleganter noch komischer. Vielmehr geht die zweite Lektion - immerhin passend - in die Hose.

    Bühnenhäme statt literarischem Charme

    Beim sich anschließenden Deutsch-Test, verniedlichend als Quiz verkauft, kann dafür das Karlsruher Publikum punkten: Es weiß mehrheitlich, dass dasselbe nicht dasselbe wie das Gleiche ist (sogar worin der Unterschied besteht) und bekommt von Sick obendrein eine Eselsbrücke an die Hand, "gewohnt" und "gewöhnt" auseinanderzuhalten. Herhalten darf mal wieder des Linguisten Busenfreundin Sibylle, die sich mit dem Satz "Ich bin es gewohnt, von den Männern versetzt zu werden, daran gewöhnen werde ich mich allerdings nie" einführt.

    Die eben nicht verbesserungsfähige, dafür aber unverbesserliche Stichwortgeberin wird in seinen Büchern schon kräftig genug geschunden und man kann nur hoffen, dass sie ein Produkt von Sicks Phantasie ist. Wäre sie es nicht und würde sich trotz seiner Bosheiten weiter mit ihm abgeben - Sibylle wäre offensichtlich noch blöder, "als bisher angenommen". Noch so ein Sick. Und mit dieser von "Spiegel Online"-Redakteuren gern genommenen Journaillen-Phrase leitet er zur eigenen Vorgeschichte über; wie der einstige Schlussredakteur zum "Zwiebelfisch" wegbefördert wurde, weil er die Kollegen mit neunmalklugen E-Mails bombardierte. Noch schmunzeln wir.

    Nach der Pause aber, wenn Sick programmgemäß seinen Schreibtisch nicht mehr so vorfindet, wie er ihn verlassen hat, wenn er sich künstlich darüber echauffiert, dass man ihn für einen Pedanten hält, während er den Pritt-Stift zurück an den gleichen - nein denselben... an seinen angestammten Platz stellt und den Kugelschreiber parallel zur Unterlage ausrichtet. Doch wird man trotz aller angestrebten Selbstironie das Gefühl nicht los, dass er genau so einer sein könnte: ein nerviger Oberlehrer, ein ewiger Besserwisser, einer, dem sie des Morgens ein Lächeln entgegenzwingen, der in der Kantine alleine sitzen muss, weil er den übrigen Tag bis zum letzten Klugschiss drückt. Ein Part, den er sonst eher seinem Leidensgenossen Henry zuschreibt.

    Und man erinnert sich. Nicht zurück, aber an die ersten "Happy Aua"-Minuten und Sicks Bericht von der Ankunft in Karlsruhe, als ihm im Hotel ein "Geschenk des Hauses" kredenzt wurde. Jede Wette, dass er eines "vom Haus" mit auf dem Fuße folgender Belehrung verweigert hätte. Denn dieser Mann weiß Steilvorlagen zu nutzen. Ein bisschen Lokalkolorit kann auch bei einer solchen Mischung aus Grammatik-Schau, Comedylesung und Deutschstunde nicht schaden: Freude hatten wir an der zweifelhaften Ehre im "Zwiebelfisch" zu erscheinen nun nicht, aber bei Bastian Sicks persönlichem "Hohlspiegel" fühlt man sich als Medium perfiderweise einigermaßen gut aufgehoben, ja beinahe schon ein bisschen geadelt.

    Und der Herr Sick staunte vor anderthalb Jahren wie so mancher Leser zu Recht "mit aufem Mund" über die ka-news-Meldung zum Thema "Kleidung im Büroalltag": "Für Frauen sind zuene Schuhe und längere Röcke das ideale Büro-Outfit", stand damals noch in der Bildunterzeile (ka-news berichtete). Ein total danebener Satz, ein Schmunzler im Saal und die Erkenntnis: Adverbien taugen (bis auf ganz wenige Ausnahmen) nicht als Attribut vor einem Hauptwort - und zum Leben nicht, wer es verlernt hat, über sich selbst zu lachen.

    Beamtenböcke aus Schilda und andere Sprachfratzen

    Anders als in seinen charmanten Kolumnen jedoch versprüht der Bühnenmensch Sick eine gewisse Häme, ist ein Wolf im Schafspelz und jetzt also im zweifachen, auch negativen Sinne. Diese dreckige Freude beim Spotten über die ach so minderbemittelten Mitmenschen (die oft weniger aufgrund ihrer mangelnden Intelligenz, sondern schlicht von Herkunft wegen der deutschen Sprache nicht in vollem Umfang mächtig sind) überträgt sich aufs Publikum. Man fühlt sich mit zunehmender Zeit unwohl inmitten einer sich für Besseres haltenden höhnischen Bildungselite.

    Das gilt besonders, wenn ihr Vordenker Schnappschüsse und Ausrisse aus dem Kuriositätenkabinett der deutschen Sprache vorführt, das in der Summe mehr einer Powerpoint-Gag-Sammlung gleichkommt, wie wir sie alle irgendwo im E-Mail-Postfach liegen haben. Im tourtitelgebenden Bilderbuch "Happy Aua" (Kiepenheuer & Witsch) posieren nämlich nicht nur allerlei Beamtenböcke aus Schilda, sondern häßlichste Sprachfratzen.

    Da sehen wir etwa die Fahrschule, die einen "Crashkurs" anbietet, während der Rest lieber zum "Farad Valai" um die Ecke geht, vorbei an "vermiesten Katzen" und "fettarmiger Marmelade", Senkrechtparkern, Gürüstbauern, Verbotsschildern für "Montenbyke"-Fahrer, "Schädelgärtnern", die sich für ihre Friseurläden solch originelle Wortkreationen wie Haarem, Haarakiri oder Crehaartiv haben einfallen lassen und anderen fragwürdigen Offerten wie das "Bett mit Nachtisch (Birke)", den "Lederchef-Sessel" aus dem Edeka-Prospekt, "Wasser ohne H2O" zur "Kalbsbrust von der Schweinelende", den angehenden Bestseller "Jetzt koch ich Mama" oder die DVD-Kollektion "James Bonn".

    Unser Mann für alle (Zweifels-)Fälle verabschiedet sich nach mäßig erheiternden Handpuppenspielereien zum besseren Ausdruck der Jugendsprache und einer völlig überflüssigen Revue-Einlage theatralisch - wie ein echter Showman eben. Der Applaus ist wohlwollend, anerkennend. Angemessen für einen befriedigenden, ja für manch anderen sogar für gut befundenen Abend. Dennoch: Die Kolumnen machen in Abwesenheit ihres Autors weitaus mehr Freude. Setzen, Sick.

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