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Karlsruhe: Erotik und Religion: Karlsruher Kunsthalle zeigt Rokoko-Künstler Fragonard

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Erotik und Religion: Karlsruher Kunsthalle zeigt Rokoko-Künstler Fragonard

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    Fragonard-Ausstellung: Wiener Werke in Karlsruhe eingetroffen
    Fragonard-Ausstellung: Wiener Werke in Karlsruhe eingetroffen Foto: (fst)

    "Toll, das Wichtigste gleich zuerst", freut sich Astrid Reuter, die Kuratorin der Ausstellung, als eine Kiste aufgeschraubt und das erste Bild vorsichtig auf den Arbeitstisch gelegt wird. "Ja, das ist Albertina", sagt sie und zeigt dabei auf den Goldrand des Passepartout sowie die kaum erkennbaren Verzierungen des ebenfalls goldenen Rahmens - "Wahnsinn. Und das Bild ist noch nie restauriert worden?".

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    12 Bilder

    Ihr österreichischer Kollege schüttelt den Kopf - "Wahnsinn". Acht weitere Zeichnungen aus Wien warten noch in den beiden Kisten, darunter "Ein Löwe im Stall", "Das Mädchen mit dem Murmeltier" und "Die große Zypressenallee im Park der Villa d'Este in Tivoli". "Wir wollen mit unserer Ausstellung einen Künstler vorstellen, der in Deutschland weitgehend unbekannt ist", sagt Reuter. Dabei zähle Fragonard zu den französischen Meistern des 18. Jahrhunderts - ein herausragender Künstler und vor allem Zeichner.

    Von Erotik bis Religion - Aus Lissabon bis Amsterdam

    Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe besitzt gerade einmal fünf eigene Werke von Fragonard. Davon wurde eines gerade erst vom Förderkreis anlässlich der Ausstellung erworben. "Fragonard ist in deutschen Sammlungen nicht gut vertreten. Es gibt noch einige Werke in Hamburg und München", so Reuter. Das liege unter anderem daran, dass französischer Rokoko damals allgemein in Deutschland nicht sonderlich populär gewesen sei und Fragonard für den zeitgenössischen deutschen Geschmack "vielleicht ein bißchen zu kühn". So habe sich der Künstler relativ viel mit erotischen Szenen beschäftigt. "Das ist aber nur eine seiner Facetten. Er hat ebenso Historisches und Religiöses gemalt - im 18. Jahrhundert kein Problem", meint die Kuratorin. "Fragonard konnte jede Emotionsebene bedienen, denn er richtete sich nach dem, was gerade auf dem privaten Markt nachgefragt war." Diese Vielfalt in seinen Themen solle auch in der Ausstellung gezeigt werden.

    Insgesamt 85 Zeichnungen und Gemälde von Fragonard hat die Kunsthalle dafür zusammenbekommen. "Die Werke stammen dabei aus ganz Europa - von Lissabon bis Amsterdam, die meisten natürlich aus Frankreich", sagt Katharina Weiler von der Kunsthalle. Darunter seien auch einige aus dem Louvre. "In der Albertina in Wien haben wir eine der größten Fragonard-Sammlungen außerhalb Frankreichs mit 60 bis 80 Bildern", so der dortige Kurator Heinz Widauer. "Trotzdem ist es uns in Österreich bisher noch nicht gelungen, eine solche Ausstellung auf die Beine zu stellen. Gerade weil Fragonard im deutschsprachigen Raum so selten gezeigt wird, helfen wir hier gerne aus", so Widauer. Abgesehen von einer Bearbeitungsgebühr von etwa 100 Euro pro Bild müsse die Kunsthalle für das Ausleihen nichts bezahlen, das sei im Museumsbetrieb mittlerweile so üblich geworden.

    Genauer hinschauen und Neues entdecken

    Im Mittelpunkt der Karlsruher Ausstellung stehen Fragonards Zeichnungen, die hier rund 90 Prozent der gezeigten Werke ausmachen. "Damit möchten wir den Besucher auch einladen, etwas Neues zu entdecken und ihn motivieren, genauer hinzuschauen", erklärt Reuter. Bei einem Gemälde könne man zwar schneller erkennen, um was es geht, dafür schaue man dann aber oft nicht so genau hin. "Zeichnen hat etwas Intimeres, Handschriftliches - es ist nahe am Schreiben. Man nimmt die Ausführung und die Äußerung des Künstlers stärker wahr", meint Reuter. So habe Fragonard bei seinen Bildern viel mit Gesten und Blicken gearbeitet, etwa um Spannung zu erzeugen.

    "Die Menschen des 18. Jahrhunderts schätzten Zeichnungen sehr, oft hingen sie in den Salons neben Malerei", sagt Reuter. Schon wegen des zeitlichen Abstands zu heute sei die Kunst dieser Epoche aber womöglich schwieriger zugänglich als beispielsweise Strömungen des 19. Jahrhunderts wie Impressionismus und Expressionismus. "Deshalb zeigen wir während der Ausstellung einen kleinen Film im Foyer der Kunsthalle als eine Art 'Sehhilfe'. Da wird man auch mit dem nötigen Wissen und einigen Stichworten ausgestattet", so die Kuratorin. Außerdem sollen vier exemplarische Werke Fragonards im Eingangsbereich des Grünen Saals zeigen, was Besucher in der Ausstellung erwartet. Diese gliedert sich in die Themenbereiche "Inspirationen", Sinnliches, Landschaften, Genres, Historisches und Literatur.

    Auch Bilder müssen sich akklimatisieren

    "Von der Planung bis Eröffnung der Ausstellung am Samstag wird etwa ein Jahr vergangen sein", schätzt Reuter. Der Arbeitsaufwand lässt sich auch bei Ankunft der Albertina-Werke am Montag beobachten. Jedes Bild wird mit unterschiedlichen Schrauben individuell aufgehangen, Höhe und Lot mit Lasermessgerät und Wasserwaage bestimmt. Bevor ein ausgeliehenes Bild überhaupt an die Wand kommt, wird es wie schon vor dem Transport penibel auf Schäden untersucht - bei Zeichnungen etwa vom museumseigenen Papierrestaurator. "Alles wird protokolliert: vom Riss im Papier bis zum Kratzer im Rahmen", so Weiler. Ein Vertreter des ausleihenden Museums begleite den gesamten Prozess, bis das Bild schließlich hänge. So wie Widauer sind viele Kuratoren für die Übergabe ihrer kostbaren Fragonards persönlich angereist.

    "Die Zeichnungen werden in so genannten 'Klimakisten' transportiert und müssen darin am neuen Standort noch 24 Stunden 'ruhen', um sich an die neue Umgebung zu gewöhnen", erklärt Weiler. Erst dann würden sie ausgepackt. Auch nach der "Akklimatisierung" dürfen Licht und Luftfeuchtigkeit in den Ausstellungsräumen bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten. Alle Zeichnungen werden mit höchstens 50 "Lux" angestrahlt, denn sie sind besonders lichtempfindlich. Im Gegensatz zu den Öl-Gemälden bleiben sie bis zur Eröffnung mit Papier abgedeckt. "Wir lassen unsere Zeichnungen nicht länger als zehn bis zwölf Wochen in einer Ausstellung", so Widauer. Danach würden sie für etwa zwei Jahre in dunklen Schubladen verschwinden. Vielleicht ein weiterer Grund, sich die Werke in der Ausstellung jetzt anzusehen.

    "Fragonard - Poesie und Leidenschaft" läuft vom 30. November bis zum 23. Februar 2014 in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Hans-Thoma-Straße 2-6. Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag, von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet acht Euro, ermäßgt sechs Euro, für Schüler zwei Euro und für Familien 16 Euro. Zur Ausstellung bietet die Kunsthalle ein Begleitprogramm mit mehreren Abendkonzerten, einem Aktionstag im Januar und einem Zeichenkurs im Ferbuar. Die nächste Begleitveranstaltung ist ein Konzert am Mittwoch, 4. Dezember. Weitere Informationen gibt es telefonisch unter 0721 9262696 und via Mail an info@kunsthalle-karlsruhe.de.

    www.kunsthalle-karlsruhe.de

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