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Karlsruhe: Eine Legende kehrt zurück

Karlsruhe

Eine Legende kehrt zurück

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    Das Jahr 1972 war politisch aufgeladen, die Proteste der 68er hatten das gesellschaftliche Klima in Deutschland verändert, die Baader-Meinhof-Gruppe terrorisierte die Republik, Charles Wilp versetzte die Nation in den Afri-Cola-Rausch - und die Kunst blieb davon nicht unberührt. Klaus Staeck wetterte gegen eine unkritische L´art pour l´art, Öffnung und Kommunikation waren angesagt, und keiner hat das auf der documenta 5 präziser übersetzt als Joseph Beuys. Er beteiligte sich nicht mit einem "künstlerischen Phänomen", womit Beuys die traditionelle museale Präsentation künstlerischer Objekte meinte, sondern stellte sich in den 100 Tagen von Kassel der Diskussion mit dem Publikum in seinem Büro für "Direkte Demokratie".

    Die erste "Videothek"

    Der Maler und Grafiker Karl Oskar Blase, 1925 in Köln geboren, war damals Professor für Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel. Für sein d5-Vermittlungs-Programm filmte er Gespräche mit Künstlern, Ausstellungsmachern und Kritikern wie zum Beispiel Ben Vautier, Arnold Bode, Jean Christoph Amman, Klaus Honnef und Peter Iden (alle im authentischen 70er-Jahre-Outfit!). Er produzierte rund 20 Bänder für die Ausstellung vor und ergänzte seine "Videothek" im Laufe der documenta 5 mit weiteren Interviews, auch mit Besuchergesprächen und Performance-Mitschnitten. Das Publikum konnte sich die Statements während der Ausstellung ansehen und war somit in den diskursiven Hintergrund eingebunden; denn in den Filmen werden das Konzept der Ausstellung und künstlerische Positionen mit zum Teil deutlichen Worten diskutiert, kritisiert und verteidigt.

    Aus heutiger Sicht ist das Konzept simpel. Doch Anfang der siebziger Jahre stellte es erstens einen völlig neuen Ansatz dar und stieß zweitens an die Grenzen des technisch Machbaren, denn die Videokamera war noch nicht erfunden. 1969 kam das erste schwarzweiß Akai-Videosystem auf den Markt, ein Gerät, das an eine Tonbandmaschine mit Bildschirm erinnert. Das Magnetband musste von Hand eingefädelt werden, die maximale Aufzeichnungszeit betrug 20 Minuten und das Material konnte nicht geschnitten werden. Ungeklärt war auch die Frage, wie diese einmaligen Filmdokumente nach Ablauf der documenta 5 der Nachwelt zugänglich gemacht werden könnten. Karl Oskar Blase lagerte sie erst einmal im Keller seines Privathauses, kühl, trocken und dunkel.

    Christoph Blase in der Medialounge (Foto: ka-news)

    Ein Schatz wird gehoben

    Christoph Blase, Sohn von Karl Oskar Blase und Betreiber eines Internet-Kunstportals, hob 1992 den Schatz und nahm eine erste Sichtung vor. Dabei zeigte sich, dass das Filmmaterial noch in erstaunlich gutem Zustand war. Es wurde zur Sicherung auf VHS-Bänder überspielt und dann dauerte es noch einmal 10 Jahre, bis die DVD-Technik und das ZKM Karlsruhe eine zeitgemäße digitale Präsentation ermöglichten. Endlich sind die Filmdokumente für jedermann zugänglich und können in der Medialounge per Mausklick am Computer-Terminal abgerufen werden.

    Peter Weibel, der Direktor des ZKM, betonte bei der Vorstellung des documenta 5-Archivs, dass die Aufgabe der Mediathek nicht nur im Archivieren, sondern auch ganz wesentlich im Erhalten von Film- und Videokunst besteht. Da ein ganz normales VHS-Band höchstens zehn Jahre hält, müssen diese Dokumente stets auf das technisch neueste Bildträgermedium umkopiert werden - sonst sind sie verloren. Dass die "Audiovisuellen Dokumentation" von Karl Oskar Blase erhalten werden konnte, ist ein außerordentlicher Glücksfall. Die einzigartige Dokumentation über die documenta 5 - laut Peter Weibel die wichtigste Ausstellung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts - ist noch bis zum 17. März zu sehen. Danach wechselt das Programm in der Medialounge des ZKM im zweimonatlichen Rhythmus. Wer sich mit der documenta 5 darüber hinaus in Buchform beschäftigen möchte, dem sei der bei Hatje Cantz gerade erschienene Band "Wiedervorlage d5 - Eine Befragung des Archivs zur documenta 1972" empfohlen.

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