Eine Wiederkehr in der größten Rolle der Karriere birgt immer die Gefahr, eine Institution nachhaltig zu beschädigen. An Sharon Stones "Basic Instinct 2" (ka-news berichtete) ließen viele Kritiker trotz ansprechendem Äußeren kein gutes Haar, Sylvester Stallone hat mit über 60 Lenzen seinen "Rocky Balboa" dagegen mit An- in den Ruhestand geknokt, "John Rambo" folgt ihm nach und dann dürfen wir ja auch noch schauen, wie Harrison Ford 65-jährig als "Indiana Jones" die Peitsche schwingt. Dagegen ist Willis mit seinen 52 ein echter Jungspund.
Der Kinotipp von Patrick Wurster
McClane mit Glatze, das ist allerdings neu, das "Wrong Time, Wrong Place"-Prinzip der Reihe hat indes Bestand: Der Routinier soll den flaumbärtigen Hacker Matthew Farrell (Justin Long) für ein Verhör zum FBI bringen und steckt mit einem Male mitten drin im wilden Feuergefecht. Cop und angehender Buddy entkommen dem Killerkommando, doch das Chaos am Unabhängigkeitstag weitet sich aus.
Weil er es ganz alleine nicht (mehr) schaffen würde, bekommt McClane einen Abgesandten des Internet-Zeitalters zur Seite gestellt (Foto: pr) |
Der Verkehr kollabiert ebenso wie die Telekommunikation, dazu Anthrax-Alarm in Regierungsgebäuden, der Finanzmarkt verfällt dank gefakter Meldungen in Panik, auf sämtlichen Fernsehkanälen läuft dieselbe Drohbotschaft und schon bald steht die halbe Westküste ohne Strom da. Cyberterrorist Thomas Gabriel (Timothy Olyphant), einst Programmierer in Regierungsdiensten, attackiert die gesamte Infrastruktur der Vereinigten Staaten und ist auf seinem Rachefeldzug drauf und dran, eine komplette Nation lahmzulegen.
McClane ist ebenso Ikone wie Relikt
Damit verlässt das "Die Hard"-Szenario endgültig sein in den ersten beiden Teilen durchgehaltenes und von da an vielfach kopiertes Konzept des Einzelkämpfers auf begrenztem Raum. Doch keiner der Nachahmer konnte die Faszination des Action-Kammerspiels im Nakatomi-Tower übertreffen; nicht "Alarmstufe: Rot", nicht "Speed", nicht "The Rock". Weitete der '95 gestartete Teil drei "Jetzt erst recht" das Geschehen auf den Mesokosmos New York aus, tingeln McClane und Anhang nun gleich vom einen Ende des Bundesstaaten zum anderen.
Mit dem Streifenwagen einen Helikopter vom Himmel holen - Maßarbeit! (Foto: pr) |
Aber wir sind ja mobil dieser Tage und wenn man "Stirb langsam 4.0" und Drehbuchautor Mark Bomback vornweg ein großes Kompliment machen muss, dann ist es das nicht ganz einfache Unterfangen, eine zwar unschwer zu erkennende, dann aber konsequent beschossene Achilles-Ferse unserer Gesellschaft ins Visier zu nehmen: Man zollt dem Zeitalter der Vernetzung Tribut, wie schon an der Titelziffer zu erkennen ist. Doch McClane ist ebenso Ikone wie Relikt, ein Auslaufmodell, ein wandelndes Klischee, inkompatibel mit jedwedem Update.
Ob man ihm deshalb einen in den 80ern hängen gebliebenen Volltrottel abkaufen muss? Selbst Polizeibeamte im zweiten Lebensabschnitt dürften mittlerweile im Berufsalltag nicht um die Konfrontation mit einem Personal Computer herumkommen. Doch McClane scheint bis heute seine Berichte mit Schreibmaschine und Tipp-Ex zu Protokoll zu bringen. Aber der sah sich ja schon in "Stirb langsam 2" ganz offensichtlich außer Stande, ein simples Faxgerät zu bedienen.
Anachronismus zwischen verdientem Held und fremder Welt
Wenn auch überstrapaziert, ist es doch genau dieser Anachronismus zwischen einem verdienten Helden und seiner ihm fremd gewordenen Welt, von dem die Fortsetzung lebt. Die Gesellschaft ist digital, und doch braucht es einen analogen Bullen, um ihren Arsch zu retten. Und weil er es ganz alleine nicht (mehr) schaffen würde, bekommt McClane - ohne Unterhemd und ohne auch nur einen Glimmstängel anzurühren - konsequenterweise einen Abgesandten des Internet-Zeitalters zur Seite gestellt. Es ist hin und wieder einfach nur noch zutiefst amüsant, wie diese beiden Charaktere sich die Bälle zuspielen!
Schüsse aus der Drehung - McClane mag ein analoges Auslaufmodell sein, aber er ist beweglich wie eh und je (Foto: pr) |
Ein Einzelkämpfer ist er sowieso nicht mehr und genau wie Bruce Willis und Samuel L. Jackson vor zwölf Jahren humorvoll schwarz-weiße Klischees zur Schau getragen haben, sorgen auch die verbalen Wortgefechte zwischen McClane und seinem "Kid" für reichlich markige Sprüche und andere launige Momente, wie sie so noch in keinem anderen Film der Reihe zu sehen waren. Der Kult macht's möglich und Kevin Smith' Gastauftritt als Hacker-Nerd wohnhaft bei Mutti tut der allgemeinen Heiterkeit ein Übriges.
Ironie ist der Kitt
Ohnehin gehen die Macher sehr souverän mit dem fortgeschrittenen Alter ihres Heroe um; sinnbildlich eingeführt durch die gemeinsame Autofahrt, in der Matt beinahe Ohrenkrebs bekommt, als McClane andächtig dem "Altherren-Rock" von Creedence Clearwater Revival lauscht. Ironie ist der Kitt, der diese Lücken auszufüllen hat. Das gilt auch für die obligatorischen Raufereien: Das Action-Genre hat sich nicht zuletzt durch die Kampfsporteinflüsse aus Fernost in den vergangenen Jahren von Grund auf geändert. Folgerichtig bekommt McClane von Asiaschnitte Mai Lihn (Maggie Q) erst mal kräftig auf die Fresse, bevor er den "Kung Fu Shit" mit gezielten Fausthieben kontern darf.
Hacker Matt Farrell hat gegen Asiaschnitte Mai Lihn keine Chance (Foto: pr) |
Wo des Mannes Kraft nicht ausreicht, war keimfreie Digitalakrobatik tabu. Die Zeiten, da Miniaturmodelle in die Luft gejagt wurden, sind natürlich vorbei; und doch ist hier noch vieles echte Handarbeit. Das gilt auch für die drei Action-Ladungen, die penibel verteilt über 128 Minuten gezündet werden: Kann man den Abschluss der rasanten Tunnelszene, in welcher die Terroristen die Fahrspuren von beiden Seiten her öffnen und McClane mit seinem führerlosen Streifenwagen einen Helikopter vom Himmel holt, gerade noch als unglaubwürdige Entgleisung durchgehen lassen, ist die Fahrstuhl-Hommage eine zugegeben nette, aber übel konstruierte und völlig überzogen.
John McClane war noch nie besonnen, aber immer ein umsichtiger Draufgänger. In dieser Szene agiert er jedoch total idiotisch und bringt sich selbst samt Geländewagen und Gegenspielerin um des Effektes Willen in eine haarige Situation. Der sprichwörtliche Abschuss ist dann die Kampf-Jet-Truck-Jagd. Hier macht sich ein schlichtweg unangemessener Jerry-Bruckheimer-Krawall breit, der nur noch peinlich ist. Etwas weniger wäre so viel mehr gewesen.
Überzogene Bruckheimer-Action: Der Held zwischen Truck und Kampf-Jet (Foto: pr) |
Ob man damit schnöde Anziehungspunkte fürs U30-Publikum schaffen wollte, das die 80er allenfalls im Strampelanzug verbracht hat? Jedenfalls ist das nicht der Stil von Regisseur Len Wiseman. Ansonsten hat der unter den wachsamen Augen von Produzent und zweifachem "Die Hard"-Regisseur John McTiernan einen verdammt guten Job gemacht. Der "Underworld"-Look (ka-news berichtete) mit seiner bläulich-monochromen Farbpalette passt zum kühlen Geschehen, in dem der Bösewicht neuerdings seine Schurkereien nurmehr per Mausklick erledigen kann. Vielleicht liegt es auch daran, dass der dritte Teil im Beliebtheits-Ranking gelegentlich vor dem Sequel landet.
Yippie-ya-yeah, jetzt wird's endlich wieder persönlich!
Sie alle hatten etwas; William Sadler, Jeremy Irons, doch keiner übertraf das frostige Schauspiel eines Alan Rickman als Jack "Hans" Gruber. Man wächst mit seinen Aufgaben, der Action-Held an seinem Obermotz. Timothy Olyphant mimt nun glaubhaft den gefallenen, überheblichen Chefcoder, bleibt aber eine gute Spur zu glatt, um den Cybermörder als Zuschauer wirklich verachten zu können.
Kurz blitz dann der Gedanke auf, ob das Filmteam vielleicht zu feige war, einen religiös inspirierten Terroristen mit Vollbart und Koran ins Skript zu nehmen. Doch das würde der Reihe nicht gerecht. Wie seine Vorgänger hat nämlich auch Gabriel jegliche Ideale abgelegt, ist einzig am schnöden Mammon interessiert. Dafür menschelt's angenehem vertraut bei Bruce Willis. Schon in der Anfangssequenz, wenn Filmtochter Mary Elizabeth Winstead zum ersten Mal in Erscheinung tritt, haben wir ihn wieder, unseren Jedermann, die Identifikationsfigur, den Daddy Uncool, der nur seinen längst flüggen Nachwuchs behüten möchte.
128 Minuten langsamen Sterbens hinterlassen Spuren: McClane hat wieder viel gelitten (Foto: pr) |
Als Lucy in die Fänge Gabriels gerät, wird's denn auch endlich persönlich. Ein Antrieb, den man im dritten Teil leider völlig vergessen hatte. "Yippie-ya-yeah, Schweinebacke!" Nachdem uns die Synchro vor zwölf Jahren den Spruch und McTiernan ein pointiertes, versöhnliches Ende verweigert hat, rechtfertigt sich Wisemans "4.0" als (massen-)kompatibles Upgrade schließlich und obendrein durch einen überaus runden Schluss, der immerhin nicht weniger als das letzte Ausrufezeichen unter die "Die Hard"-Serie setzt. Und während der Abspann die Leinwand hinaufkriecht, erklingt abermals die 60er-Hymne von Creedence Clearwater: "It Aint Me, It Aint Me..." No, No, No! Heute sind wir ausnahmsweise mal alle Fortunate Ones. Yippie-ka-yeah.
"Stirb langsam"-Upgrades sind in Karlsruhe in der Kurbel, dem Universum, im Filmpalast am ZKM sowie in der Schauburg erhältlich, wo echte "Schweinebacken" noch "Motherfucker" heißen.