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Der ka-news-Kinotipp

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    Das will Regisseur Niko von Glasow mit nervöser Handkamera, bewusstem Verzicht auf Hakenkreuz-Symbolik, nicht zu übersehendem Low Budget und Ärzte-Drummer Bela B. als Zugpferd ändern. Seine von den Geschichtsbüchern fast gänzlich verschwiegenen Anti-Helden aus dem Proletariermilieu hören Swing-Musik, kloppen sich mit der verhassten Hitler-Jugend und tragen ein Edelweiß am Revers. Die Nachkriegszeit brandmarkte sie als Kriminelle, weil ihr Überleben im Untergrund sie zu Diebstählen und Plünderungen zwang. Erst im Juni dieses Jahres wurden die Edelweißpiraten in Deutschland anerkannt. Sie waren "die Schmuddelkinder des Widerstands", wie es der heute 75-jährige Edelweißpirat Jean Jülich beschreibt, dem als Berater und Erzähler eine maßgebliche Rolle im Film zukommt.

    Hans (Bela B.) lehrt die Edelweißpiraten militantes Vorgehen statt unpolitischer Klassenkeile und Wandschmierereien (Foto: pr)

    Und so führt Jülich mit einem Anfangsmonolog auf (s)eine Geschichte über die Arbeiterkinder aus Köln-Ehrenfeld ein; er selbst in der halbfiktiven Rolle des Karl, gespielt von Iwan Stebunov. Vorerst belässt es die lose Gruppe noch bei unpolitischer Klassenkeile und Wandschmierereien. Dann retten sie den flüchtigen Strafgefangenen Steinbrück (Bela B. Felsenheimer) vor den Nazis. Kaum gesund gepflegt, schwingt sich der "Bomberhans" zu ihrem Leitwolf herauf und die Piraten machen ernst: Ein militanter Anschlag hier, ein Sabotageakt da; schon gerät die edelweiße Gemeinschaft ins Visier der Gestapo, die selbst gegen Heranwachsende mit erbarmungsloser Härte vorgeht.

    Ein Regisseur verstrickt sich in Widersprüche

    Und diese Härte will von Glasow zeigen. "Nicht von der anderen Seite zusehen - reingehen ins Grauen", nennt es der Regisseur. Das spricht er nicht nur den jüngsten (auf unterschiedlichste Weise das Dritte Reich thematisierenden) Spielfilmen wie "Sophie Scholl - Die letzten Tage" (ka-news berichtete), "Napola - Elite für den Führer" (ka-news berichtete) oder "Der Untergang" (ka-news berichtete) ab. Die schlimmsten Szenen musste er sogar herausschneiden, schließlich "sollte es kein Splatter-Movie werden." So tief ins Grauen wagte sich von Glasow laut Selbsteinschätzung. "Und falls jemandem schlecht wird darf er gerne den Saal verlassen", verunsicherte er die Zuschauer der Karlsruher Schauburg-Preview am vorletzten Oktobertag noch zusätzlich. Doch oh Graus, die Gewalt, sowohl die plakative als auch die unterschwellige, sind nicht mehr oder minder stark ausgeprägt als bei allen anderen Filmen über die Nazi-Zeit auch.

    Geben sich Geborgenheit in einer schrecklichen Zeit: Karl (Iwan Stebunow) und Cilly (Anna Thalbach) (Foto: pr)

    Warum sich die deutschen Verleiher zierten, ja weigerten, von Glasows "Edelweißpiraten" ins Kino zu bringen und er es am Ende selbst tun musste, darüber verstrickt sich der Filmemacher im Gespräch mit ka-news sogar in weitere Widersprüche: Sollten es wirklich politisch motivierte Gründe gewesen sein? Schließlich hätten unsere Eltern und Großeltern in der Tat wesentlich mehr gewusst, wenn es wirklich allein in Köln 3.000 Edelweißpiraten gegeben hat. So lauten die Gestapo-Akten. Zu brisanter Stoff? Wirklich ein revidierender und viele schmerzender Blick auf Deutschlands dunkelste Jahre? Ist nicht das Ammenmärchen vom gänzlich unwissenden deutschen Volke längst und zumindest unter vorgehaltener Hand als ein ebensolches entlarvt? Doch dann räumt sich von Glasow selbst ein, dass es den Verleihern letzten Endes "nicht auf Inhalte ankommt, sondern allein das Geldverdienen im Vordergrund steht". Und das ist mit seiner "Gemischte Gefühle"-Produktion, die über ein "Tatort"-Budget nicht sonderlich weit hinauskommt, nur schwer zu machen. Wir nähern uns der Wahrheit.

    Bela B. ebenso hölzern wie seine Schlagzeugstöcke

    Und wenngleich Low Budget noch lange nichts über die Güte eines Werks aussagen muss, sollte man im Falle der "Edelweißpiraten" den Tatsachen ins Auge blicken und Verschwörungstheorien etwas weiter hinten anstellen: Vielleicht mangelt es ja wirklich schlicht an der Qualität. Da hilft dann - und das ist gut so - auch kein großer Name wie Bela B., der nebenbei bemerkt seit seinem Mitwirken im trashigen "Killer Barbys vs. Dracula" (ka-news berichtete) auch nicht geschafft hat, sonderlich viel mehr aus seinem "Schauspiel-Talent" herauszukitzeln; er agiert im Laufe der 100 Minuten ebenso hölzern wie seine Schlagzeugstöcke. Nein, wir müssen vielmehr endlich aufhören, die Dinge von vornherein gut zu heißen, nur weil es um die gute Sache geht. Die "Edelweißpiraten" sind, was sie sind: Nämlich nur ein weiteres filmisches Plädoyer wider das Vergessen. Und das wird in Karlsruhe in der Schauburg proklamiert.

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