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Der ka-news-Kinotipp

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    Der Vater-Sohn-Konflikt spitzt sich zu: Werner (Herbert Knaup) beim Roden des Hanf-Feldes... (Foto: pr)

    Roehler entwirft eine Familiengeschichte von drei Brüdern, die unterschiedlicher nicht sein könnten; unabhängig voneinander befinden sich aber alle auf der Suche nach zutiefst menschlichen Bedürfnissen wie Liebe und Anerkennung. Während sich Bibliothekar Hans-Jörg (Moritz Bleibtreu) weitestgehend von seiner Sexsucht durchs Leben leiten lässt und darüber zum Voyeur geworden ist, gerät das Familienleben des Grünen-Politikers und Ministerialanwärters Werner (Herbert Knaup) so langsam aus den Fugen: Seine Frau Signe (Katja Riemann) ist ihm sowohl sexuell als auch menschlich entfernter denn je, und sein Sohn Ralf (Tom Schilling in seiner Paraderolle als rebellischer Jugendlicher) lässt keine Gelegenheit aus, sich mit seinem verhassten Vater zu messen und ihn bloßzustellen.

    Moritz Bleibtreu gibt den verschwitzten Voyeur

    ...und auch in seiner Ehe steht längst nicht mehr alles zum Besten (Foto: pr)

    Und schließlich gibt es noch die titelgebende Tänzerin Agnes (Martin Weiß), die auf ihrer Suche nach Anerkennung und Geborgenheit durchs Leben irrlichtert, sich benutzen lässt, und trotzdem als einzige der drei Brüder keine gutbürgerliche Maske trägt: Agnes war früher ein Mann, und hat sich aus Liebe zum mittlerweile berühmt gewordenen Modezar Henry (Lee Daniels) operativ zur Frau umwandeln lassen. Und die gesellschaftliche Außenseiterin Agnes ist es, die als einzige der drei Brüder einen gewissen Stolz und eine Würde verströmt, die gerade dem beruflich und finanziell erfolgreichen Werner völlig abhanden gekommen ist. So verzweifelt letzterer an seiner abweisenden Frau und lässt sich von seinem Sohn beim Verrichten der Notdurft auf dem Teppich seines Büros filmen.

    Alltag in der Selbsthilfegruppe: Ist eine sexuelle Beziehung zu einer Hündin legitim, solange man ihr treu ist? (Foto: pr)

    Hans-Jörgs andauernder Voyeurismus auf der Damentoilette hat indes seine Kündigung zur Folge, und da außer verunglückten Frauengeschichten und Selbsthilfegruppe nicht viel bleibt, nimmt er das Angebot des schmierigen Manni Moneto (krächzend-zwielichtig wie immer: Martin Semmelrogge) an, sich im Pornogeschäft zu versuchen. Und Ironie des Schicksals: Ausgerechnet im seelenlosen Horizontal-Gewerbe trifft der verkrampfte Einzelgänger auf Desiree (Susan Anbeh), die Frau seines Lebens. Als Hans-Jörg nach dem Mord an seinem ihm verhassten und des sexuellen Missbrauchs bezichtigten Vater Günther (Vadim Glowna) Deutschland fluchtartig verlassen muss, bleibt Desiree vorbehaltlos an seiner Seite.

    Regisseur Roehler gelingt modernes deutsches Sittenbild

    Hans-Jörg (Moritz Bleibtreu) konzentriert sich auf die wesentlichen Dinge (Foto: pr)

    Roehler erzählt mit "Agnes und seine Brüder" keine abgeschlossene Geschichte, vielmehr begleitet er die Figuren einfach ein Stück entlang ihres Lebensweges und steigt genauso spontan aus dem Leben der drei Brüder wieder aus wie der Einstieg erfolgt. Es sind Momentaufnahmen einer (deutschen) Familie, deren Stärken in emotional erfahrbaren Situationen und einer präzisen Charakterzeichnung sichtbar werden.

    Der Regisseur schrammt in seiner Kompromisslosigkeit dabei oft haarscharf an einer Überzeichnung seiner Charaktere vorbei, bildet dabei aber letzten Endes doch nur die Realität ab. Eine Villa, ein stets bereiter Fahrer und eine nach außen hin heile Fassade können nicht über die zerrüttete Seele des einen hinwegtäuschen, während die vordergründige und gesellschaftlich-unakzeptierte Abnormalität des anderen eine Reinheit bereithält, die letztendlich eine gewisse Karthasis erfährt. So entsteht ein modernes deutsches Sittenbild und ein wirklich starkes Stück deutscher Film, das in Karlsruhe in der Schauburg angelaufen ist.

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