Was für die junge Violetta zunächst wie ein Spiel beginnt, wird zu einem Alptraum. Denn Hannah zögert nicht, ihre Tochter in ihrem morbiden Atelier für kindliche Aktfotos zu missbrauchen.
Mit «I'm Not A F**king Princess» stellt Eva Ionesco nicht nur ihren ersten Film vor, sondern schlägt ein Kapitel ihrer eigenen Lebensgeschichte auf: die als Kindfrau wider Willen. Bereits mit vier Jahren lichtete ihre Mutter sie ab. Als Irina Ionesco die Aktfotos erstmals in den 70er Jahren in der Presse publizierte, war die Öffentlichkeit schockiert.
Auch der Film spielt im Paris der 70er Jahre. Violetta lebt bei ihrer Urgroßmutter. Ihre extravagante Mutter sieht sie nur gelegentlich, wenn sie ihr und ihrer Uroma etwas Geld vorbeibringt. Für ihre Tochter hat Hannah keine Zeit, bis zu jenem Tag, an dem sie entdeckt, dass sich Violetta wunderbar zum Fotomodell eignet. Anfangs freut sich das junge Mädchen über die neugewonnene Aufmerksamkeit ihrer Mutter. Auch das Spiel vor der Kamera als Prinzessin und verführerisches Objekt macht ihr zunächst Spaß. Als die Posen immer lasziver und erotischer werden, lehnt sich Violetta gegen ihre Mutter auf und flieht.
Im Original heißt das Mutter-Kind-Beziehungsdrama «My Little Princess». Der Unterschied ist bedeutend, denn hier wird die Perspektive der Mutter beschrieben. Der deutsche Titel «I'm Not A F**king Princess» rückt die Ablehnung und den Widerstand von Violetta in den Mittelpunkt, die sich schließlich von ihrer Mutter löst. Ionescos Film ist keine bloße Abrechnung mit ihrer eigenen Mutter. Sie versucht vielmehr die Gründe und das Warum zu erklären. Beide Titel haben dadurch ihre Berechtigung.
Isabelle Huppert brilliert in ihrer Rolle als Hannah: extravagant, kalt, hart und gleichzeitig unendlich zerbrechlich. Nur sie kann so furios-abgedreht und manisch-depressiv spielen. In Anamaria Vartolomei hat Ionesco eine vielversprechende Nachwuchsschauspielerin gefunden, die an Sinnlichkeit, Schauspiel und Grazie in ihrem Alter kaum zu übertreffen ist.
Ionesco dreht einen Erstlingsfilm, der ungewöhnlich bizarr, skurril und originell ist. Das Fotostudio Hannahs gleicht einer morbiden «Tausendundeiner Nacht-Kammer»: überall Glitzer, Plüsch, Spitzen, Perlen und Totenköpfe. Hannah scheint mit ihren glamourösen Kleidern einer märchenhaften Welt zu entsteigen.
Durch die trugbildhafte Inszenierung bleibt der Film trotz der Schwere und Ernsthaftigkeit abstrakt und der Zuschauer außen vor. In gewisser Hinsicht ist das ein Verdienst, denn Ionesco will nicht verurteilen, sondern einen Teil ihrer Lebensgeschichte aufarbeiten - auf ungewöhnliche und bizarre Weise. Darin liegt auch die Besonderheit des Films, der dieses Jahr in Cannes in der Nebenreihe «Un Certain Regard» gezeigt wurde.
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