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Karlsruhe: KSC-Sportdirektor Jens Todt: Ein schrecklicher Mordfall lässt ihn nicht los

Karlsruhe

KSC-Sportdirektor Jens Todt: Ein schrecklicher Mordfall lässt ihn nicht los

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    Jens Todt
    Jens Todt Foto: marvinguengoer.de

    Herr Todt, Sie bleiben weitere zwei Jahre Sportdirektor beim Karlsruher SC. Sie unterzeichneten kürzlich im Wildpark einen neuen Vertrag bis 2017. Warum fühlen Sie sich in Karlsruhe wohl?

    Karlsruhe war von Anfang an wahnsinnig nett zu mir. Ich war an meinem ersten Tag in Karlsruhe allein in der Waldstraße essen. Ich habe im Verlauf des Abends fast alle weiteren Gäste kennengelernt, sie haben mich angesprochen, wir kamen ins Gespräch, alle waren sehr freundlich. Die Menschen, die ich dort zuerst kennengelernt habe, haben mir dann wenige Wochen später meine Wohnung vermittelt. Das war ein sehr guter Einstieg in diese Stadt, und ich fühle mich hier nach wie vor sehr wohl.

    Was macht Karlsruhe als Stadt für Sie so besonders?

    Mir gefällt das Flair der Weststadt. Ich wohne in unmittelbarer Nähe des Gutenbergplatzes. Dort herrscht eine entspannte Atmosphäre von leben und leben lassen. Ich mag es sehr, dort den ganzen Sommer über abends in den umliegenden Restaurants draußen zu sitzen.

    Ihr erster Wohnsitz ist Potsdam, Ihre Familie lebt dort. Sind Sie oft in Brandenburg zu Besuch?

    Zu selten natürlich. Mein Job ist zeitaufwendig. Ich versuche aber, einmal in der Woche für einen Tag nach Hause zu kommen. Das klappt allerdings nicht immer. Das ist natürlich nicht ganz leicht, aber den meisten meiner Kollegen bei anderen Vereinen geht es ja ähnlich.

    Sie verbringen viel Zeit im Wildpark. Wo halten Sie sich neben dem Gutenbergplatz sonst noch gerne in Karlsruhe auf?

    Ich mag auch die Restaurantszene in der Oststadt. Dort ist alles etwas trubeliger, dort fühle ich mich wohl. Die Trainer und ich gehen nach den Heimspielen auch sehr oft in einem Restaurant in der Südstadt essen. Dort trifft sich ein gemischtes Publikum und es ist sehr lebhaft. Das gefällt mir auch sehr gut.

    Sie haben von 1999 bis 2003 beim VfB Stuttgart gespielt. Die Schwaben sind bei Karlsruher Fußballfans - vorsichtig ausgedrückt - nicht gerade beliebt. Was halten Sie von solchen Klischees?

    Es gibt natürlich Rivalitäten, die über Jahre und Jahrzehnte gepflegt werden. Das macht zum Teil auch den Fußball aus. Für mich ist aber ganz klar die Grenze erreicht, sobald es in Aggression oder gar Hass umschlägt. Vernünftige Rivalität hält wach und hungrig und macht ja auch den Reiz der Derbys aus, die wir haben. Aber sobald es gewalttätig wird, hört mein Verständnis auf.

    Sie wurden 1970 geboren, bei der WM 1974 waren Sie vier Jahre alt. Haben Sie damals das Endspiel gesehen und können Sie sich noch daran erinnern?

    Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen besteht tatsächlich darin, dass mein Vater bei der WM 1974 ein Spiel geschaut hat und der Kommentator im Fernsehen gesagt hat: "Beckenbauer." Ich habe dann überlegt, was das Wort wohl bedeutet. Heute weiß ich es...

    40 Jahre später - und zwar vor wenigen Wochen holte Deutschland bei der WM in Brasilien den vierten Stern. Wo haben Sie das Finale geschaut?

    Mit der Mannschaft im Trainingslager in Österreich. Das war super.

    Sie sind zwar nicht Welt-, dafür aber Europameister. Bei der Europameisterschaft 1996 wurden Sie kurz vor dem Finale vom DFB aufgrund einer Ausnahmegenehmigung als 23. Spieler nachnominiert. Deutschland gewann das Turnier. Fühlen Sie sich als Europameister?

    Nun ja, ich bin vielleicht so etwas wie ein halber Europameister. Ich habe nur zwei, drei Mal mit der Mannschaft trainiert. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich damals die Chance hatte und dabei sein durfte. Ich habe aber kein Spiel gemacht, deswegen fühle ich mich eher wie ein halber Europameister.

    Haben Sie noch Kontakt zu Spielern aus der Titelmannschaft von 1996?

    Ja, ich habe guten Kontakt zu Marco Bode und sporadisch zu Dieter Eilts. Andere sehe ich gelegentlich. Die Branche ist ja nicht so groß, da trifft man immer wieder mal ehemalige Mannschaftskollegen. Das ist dann immer schön.

    Sie haben mit 33 Ihre Karriere als Fußballspieler verletzungsbedingt aufgegeben. Wie hart war das damals für Sie?

    Der Moment war überhaupt nicht hart, er war eher eine Erleichterung für mich. Ich habe die letzten zwei Jahre meiner Karriere jeden Tag mit Schmerzen trainiert. Die Entscheidung aufzuhören hatte ich schon länger mit mir herumgetragen. Ich habe mich dann letztlich dazu entschieden, meinen Vertrag ein Jahr früher als vorgesehen beim VfB Stuttgart aufzulösen. Das war für mich eine Erlösung, weil ich mich über lange Zeit nur noch mit Medikamenten trainingsfähig gehalten hatte. Das hat keinen Sinn mehr ergeben. Ich wollte auch unbedingt den richtigen Zeitpunkt erwischen und vermeiden, dass mir die nachrückenden 18-jährigen Spieler Knoten in die Beine spielen.

    Nach Ihrer aktiven Spielerzeit waren Sie als Journalist tätig. Sie volontierten bei Spiegel-Online und haben dort auch als Redakteur gearbeitet. Wenn man in der Suche bei Spiegel-Online "Jens Todt" eingibt, findet man noch zahlreiche Artikel von Ihnen. Gibt es eine Geschichte, an die Sie auch heute noch besondere Erinnerungen haben?

    Die gibt es tatsächlich. Ich habe ja für den Spiegel so gut wie nie über Fußball geschrieben, sondern mich häufig um Kriminalfälle und Justizthemen kümmern dürfen. Es gibt einen Fall, der mich immer wieder beschäftigt - und zwar einen ungeklärten Mordfall in Brandenburg. Im Jahr 1995 ist die zehnjährige Jane Fränzke auf furchtbare Art umgebracht worden. Es gibt einen pensionierten Polizeibeamten, den dieser Fall nicht loslässt. Und es gibt einen Privatdetektiv, der seit Jahren recherchiert und versucht, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Mit diesem Fall habe ich mich eine Zeit lang sehr intensiv beschäftigt. Der Mord ist bis heute nicht aufgeklärt. Daran denke ich oft.

    Warum haben Sie sich damals für den Beruf des Journalisten interessiert?

    Das war für mich eigentlich schon immer klar. Wenn ich nicht Fußballprofi geworden wäre, wäre ich Journalist geworden. Ich habe schon als Jugendlicher bei der Schülerzeitung mitgemacht. Ich habe als Jugendspieler bei meinem Heimatverein ASC Nienburg oft die Spielberichte geschrieben und dann bei meiner Heimatzeitung "Die Harke" im Sportressort abgegeben. In meinem Sommerurlaub als Fußballprofi habe ich Praktika gemacht - beim Spiegel und beim Stern und hatte eine Zeit lang auch eine eigene Kolumne in einem Fußballmagazin.

    Die niedersächsische Lokal-Zeitung "Harke" wurde durch den Fall Edathy einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Haben Sie denn noch Kontakte zur Redaktion?

    Ja, der heutige Sportressort-Leiter ist ein Freund und ehemaliger Mitschüler von mir, der Chef des Lokalteils auch. Nienburg ist eine Kleinstadt; da kennt man sich.

    Könnten Sie sich auch in Zukunft vorstellen wieder als Journalist zu arbeiten?

    Absolut. Ich glaube, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man genau weiß, welchen Job man die nächsten 30 Jahre macht. Die Dinge ändern sich, und das stört mich nicht. Ich habe bisher das Privileg gehabt, immer das machen zu dürfen, was mich auch erfüllt. Dafür bin ich sehr dankbar. Und warum nicht? Es kann durchaus sein, dass ich in zehn Jahren beruflich etwas völlig anderes mache.

    Sie wurden in Hameln in Niedersachsen geboren. "Der Rattenfänger von Hameln" gilt als eine der bekanntesten deutschen Sagen. Selbst in fernen Ländern gehört sie häufig zum Schulstoff. Sie ist auch in Japan sehr beliebt. Sie gelten als Japan-Kenner. Was begeistert Sie am "Land der aufgehenden Sonne"?

    Ich mag den Gemeinschaftssinn der Japaner. Ich finde es sehr angenehm, wie die japanische Kultur darum bemüht ist, den anderen zu achten und möglichst nicht mehr als notwendig zu stören. Das gefällt mir sehr gut. Außerdem bin ich gern in Tokio. Es ist ein Mysterium für mich, wie gut dieser Ballungsraum mit seinen mehr als 30 Millionen Menschen im Alltag funktioniert - absolut faszinierend.

    Ich bin durch Zufall auf den japanischen Fußball aufmerksam geworden. Nach meinem Ausscheiden als Nachwuchsleiter beim HSV hatte ich ein wenig Zeit und habe meinen Ex-Mannschaftskollegen Karsten Neitzel, der heute Trainer bei Holstein Kiel ist, und meinen Ex- Trainer Volker Finke, die dort gemeinsam bei den Urawa Red Diamonds gearbeitet haben, in Japan besucht. Dort habe ich mir dann zehn Tage lang japanischen Fußball angeschaut und bin dadurch neugierig geworden. Seitdem bin ich eigentlich jedes Jahr einmal in Japan und schaue mir ein paar Spiele an. Gerade für Vereine wie den KSC, die in der 2. Bundesliga, was Transfers betrifft, oft den Kürzeren ziehen, kann so etwas ja durchaus interessant sein. Wir sind darauf angewiesen Nischen zu finden.

    Ihr teuerster KSC-Neuzugang heißt Hiroki Yamada und ist Japaner. Sie haben ihn nach Karlsruhe gelotst.

    Ja, ich kannte ihn schon länger und hatte mich in meiner Funktion als Sportvorstand des VfL Bochum auch schon mal um ihn bemüht. Damals war es nicht möglich ihn nach Deutschland zu holen, da die Ablöse viel zu hoch war. Jetzt gab es ein Zeitfenster, in dem es möglich war ihn zu bekommen, und das haben wir zum Glück geschafft.

    Sprechen Sie japanisch?

    Nein. Konichiwa - und das war es auch schon. (lacht)

    Gehen Sie auch häufiger in Karlsruhe Sushi essen?

    Nein, ich bin kein Sushi-Fan. Da ist mir die badische Küche schon näher.

    Der Karlsruher Gemeinderat hat kürzlich grünes Licht für einen Stadionneubau gegeben. Wenn sich Verein und Stadt einigen, könnte im Jahr 2017 Baubeginn sein. Wenn alles glatt läuft, dann spielt der KSC bereits im Jahr 2019 in einer modernen Fußballarena. Mit Ihnen als Sportdirektor?

    Ich versuche so lange durchzuhalten (lacht). Es ist klar, dass wir auf Dauer ohne neues Stadion nicht konkurrenzfähig sein werden. Bis dahin werden wir improvisieren müssen und mit einem ähnlichen Etat auskommen, wie wir ihn jetzt haben - einem unterdurchschnittlichen Etat für die 2. Liga. Das ist die Realität, der müssen wir uns stellen - und zwar gutgelaunt. Wir versuchen daraus etwas Erfolgreiches zu machen. Das gelingt uns derzeit, und wir werden alles dafür tun, dass das auch so bleibt. Ich bin allerdings sicher, dass der KSC mit dem neuen Stadion einen großen Schritt machen kann.

    Das Gespräch führte Moritz Damm

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