Herr Peitz, 2012 wechselten Sie vom FC Augsburg zum KSC in die dritte Liga, heute klopfen Sie mit ihrem Verein an die Tür zur ersten Bundesliga. Hätten Sie sich das bei Ihrer damaligen Verpflichtung vorstellen können?
So weit haben wir damals nicht gedacht, obwohl ich einen Vertrag unterschrieben habe, der sowohl für die dritte, die zweite und die erste Liga galt. Aber als ich kam, waren wir Tabellenachtzehnter in Liga drei und das erste Ziel war, den Verein wieder in die zweite Liga zu führen, was uns ja dann auch gelungen ist.
Sie kamen damals zu einem Verein, in dem viele und insbesondere das Umfeld immer noch von den glorreichen Zeiten in den Neunziger Jahren träumen. Wie haben Sie diese Erwartungshaltung erlebt?
Ich habe schnell gemerkt, dass diese Zeit für den Verein und das Umfeld ein wichtiger Teil seiner Tradition ist und dass es das Ziel eines jeden ist, der hier spielt, den Verein wieder dahin zu bringen, wo er mal war. Aber das ist eine ganz schwere Aufgabe. Man darf nicht vergessen, dass es mittlerweile viele, sogenannte kleine Vereine gibt, die in den letzten Jahren nach oben gekommen sind und es ist nicht einfach, sich gegen diese Konkurrenz zu behaupten.
Haben Sie den Eindruck, dass sich diese Erkenntnis im Verein durchgesetzt hat?
Man muss wissen, wo man heute steht, ohne die Tradition zu vergessen. Das ist die Basis, um sich Ziele wie zunächst den Wiederaufstieg in die zweite Liga, der ja noch nicht so lange zurückliegt, vorzunehmen und sich dann Schritt für Schritt weiter zu entwickeln. Ich habe den Eindruck, dass dies im Verein und auch im Umfeld weitestgehend erkannt wurde und die heutige Entwicklung zeigt dies auch.
Sie gelten als "Kartenkönig" der Liga. In Aalen gab‘s in dieser Saison für Sie schon die neunte "Gelbe" und die haben Sie kassiert, als Sie noch gar nicht im Spiel waren, sondern von der Bank aus auf den Platz liefen, um gegen eine Schiedsrichterentscheidung zu protestieren. Sind Sie tatsächlich der "böse Bube" der Liga?
Das mag rein statistisch so aussehen, aber ich glaube nicht, dass ich deshalb ein besonders unfairer Spieler bin. Ich gehe natürlich mit allem was ich habe, in die Zweikämpfe, aber einige Karten habe ich bekommen, weil ich mich gegen Entscheidungen des Schiedsrichters gewehrt oder die Gangart des Gegners kritisiert habe. Wenn meine Mitspieler ungerecht behandelt werden oder wenn die Gegenspieler meine Mitspieler unfair attackieren und dies dann nicht geahndet wird, darf man das nicht einfach hinnehmen, man muss sich wehren und da versuche ich auf dem Platz „mein Rudel“ zu verteidigen, wenn ich das so sagen darf. Ja, ich bin „Grenzgänger“, aber an der Stelle auch mal der Hinweis, dass ich noch nicht einen einzigen Platzverweis in meinen nun fast 150 Zweitligaspielen wegen Unsportlichkeiten oder ähnlichem bekommen habe, da gibt es definitiv bösere Buben (lacht).
Wenn Sie von der "Verteidigung Ihres Rudels" sprechen, heißt das auch, dass Dominic Peitz für die Mannschaft auch eine Art Leitwolf ist. Kann man diese Rolle auch spielen, wenn man zumeist nur noch von der Bank kommt?
Über meine Rolle in der Mannschaft müssen Sie andere befragen. Ich versuche das zu tun, was ich seit meiner Verpflichtung hier immer getan habe. Und dies besteht in erster Linie darin, das umzusetzen, was der Trainer vorgibt. Ob das dann, wie zur Zeit, von der Bank ist, oder unter den ersten Elf, das entscheiden dann andere. Es ist deine Pflicht und der versuche ich, bestmöglich nachzukommen.
Dennoch muss es doch für einen wie Sie, nicht gerade prickelnd gewesen sein, als Stammspieler eine Saison zu beginnen und auf einmal "nur" noch einen Platz auf der Bank zu haben.
Natürlich ist das ein Gefühl, das man nicht so gern hat. Als ich wegen meiner fünften Gelben Karte aussetzen musste, habe ich meinen Platz in der Startelf an Jonas Meffert verloren. Jonas macht das gut, jetzt stütze ich ihn, genauso wie ich es von ihm erwarte, wenn ich spiele. Zufriedenstellend ist das natürlich nicht, aber so ist das eben und nun gilt es, an sich zu arbeiten und die Dinge noch besser zu machen.
Wobei das Alter gegen Sie spricht. Mit 31 sind Sie elf Jahre älter als Jonas Meffert. Ist dies generell eine Entwicklung im heutigen Fußball, dass man mit über 30 fast schon am Karriereende ist?
Das ist in der Tat eine Entwicklung, die sich im gesamten Fußball zeigt. Ich bin jetzt seit 12 oder 13 Jahren dabei. Damals galten Spieler um die 30 als diejenigen im besten Fußballalter. Die Perspektiven haben sich seitdem verschoben. Heute bist du mit 23 kein Talent mehr, das bist du heute bis 20, 21, und da solltest du auf höherem Niveau schon ein paar Spiele gemacht haben, sonst wird es eng.
Und dennoch könnten Sie in Ihrem "hohen Alter" doch noch in der ersten Liga spielen. Ist der Aufstieg machbar?
Ja, der Aufstieg ist machbar. Letztes Jahr sind wir fünfter geworden und wenn man dieses Jahr nach 27 Spieltagen wieder da steht, wo wir jetzt stehen, kann das kein Zufall sein. Aber wir müssen zunächst unsere Arbeit erledigen und das wird auch gegen Mannschaften, die unten stehen, nicht einfach. Aber wenn wir unsere Stärken abrufen und diese dann effizient einsetzen, kann es gelingen ...und ein bisschen Glück brauchen wir natürlich auch noch... (lacht).
Jetzt sind Sie außerhalb des Fußballs auch noch sehr sozial engagiert. Hat dieses Engagement einen besonderen Grund?
Das wäre jetzt ein Thema, das über dieses Interview hinausgeht. Nur soviel: Wir leben hier in Europa und speziell in Deutschland auf einem recht hohen Niveau. Als ich noch bei Union Berlin spielte, ist meine Frau eine Zeitlang in Jordanien gewesen und wir haben dort sehr viel Elend gesehen. Wir konnten mit Kleinigkeiten, wie ein paar Bällen oder einigen Trikots Kinder in einem Flüchtlingslager glücklich machen. So etwas bleibt haften. Es geht nicht darum, den Samariter zu spielen.
Aber wir Fußballer sind, das habe ich schon oft genug gesagt, auch hierzulande sehr privilegiert. Und wenn ich dann die Möglichkeit habe, benachteiligte Menschen durch Kleinigkeiten, wie ein Besuch mit meinem Therapiehund in einem Heim glücklich zu machen, ist dies etwas, bei dem der Fußball dann plötzlich ganz klein wird. Und ein bisschen Demut schadet nicht, um sich vor Augen zu führen, wie es im „wahren“ Leben wirklich zugeht.