Herr Becker: Lars Stindl und Hakan Calhanoglu haben beim KSC ihre Ausbildung begonnen und es bis zum Nationalspieler gebracht. Wie bewerten Sie die Entwicklung der beiden?
Becker: Mit Lars habe ich während meiner Trainerzeit bei den Profis zusammen gearbeitet und finde seine Entwicklung menschlich und sportlich überragend. Aber man muss sagen, Lars (Stindl) und Hakan (Calhanoglu) waren in der U15 oder U16 auch keine Ausnahmetalente, bei denen man "Die schaffen es sicher ganz, ganz nach oben" gesagt hätte.
Hakan hatte zwar seine Qualitäten und hat sie auch immer wieder gezeigt, aber dass er es bis zum AC Mailand schaffen würde, hat man nicht unbedingt gedacht, als er mit 15 Jahren aus Mannheim zu uns kam. Anhand Hakans Werdegang versuchen wir jungen Spielern zu vermitteln, dass man sich auch über die dritte Liga im Profi-Fußballgeschäft etablieren kann. Er hat sich in der dritten Liga stabilisiert und war mit entscheidend für den Wiederaufstieg.
Kann ein Talent auch ohne Ausbildung in einem NLZ Profifußballer werden?
Becker: Ohne Ausbildung im NLZ ist es heutzutage nicht mehr möglich Fußballprofi zu werden. Wer talentiert ist und gut spielt wird mit aller spätestens 14, 15 Jahren angesprochen und geht dann in ein NLZ. Es gibt zwar auch viele Amateurvereine die gute Nachwuchsarbeit leisten. Aber das ist nicht mit den Möglichkeiten in einem NLZ verleichbar. Egal ob Trainer, Infrastruktur oder auch Mitspieler haben in einem NLZ eines Profi-Klubs ein ganz anderes Niveau.
Wer arbeitet alles mit Ihnen im Nachwuchsleistungszentrum?
Becker: Insgesamt haben wir etwa 50 Mitarbeiter, darunter bilden etwa 30 Personen die Trainerstäbe der einzelnen Mannschaften. Dazu kommen noch Personen für den administrativen Bereich. Zum Beispiel Orga-Leiter, Pädagoge, Busfahrer, Betreuer und Physiotherapeuten. Ich denke, ich spreche für alle unsere Mitarbeiter im Nachwuchsleistungszentrum, wenn ich sage, dass wir alle mit Herzblut und Leidenschaft alles für den Verein in unsere tagtägliche Arbeit investieren.
Wie ist der Arbeitsablauf im Nachwuchszentrum?
Becker: Es gibt hier drei Bereiche, in denen wir die Jungs ausbilden und entwickeln möchten. Der Grundlagenbereich geht bis zur U12. Da bewegt sich unser Scoutingkreis in einem Radius von rund 50 Kilometern. Im Aufbaubereich, der bis zur U15 geht, scouten wir in einem Radius von knapp 100 Kilometern. Im Leistungsbereich bis U19 schauen wir uns dann sehr weitläufig um und wenn wir einen Spieler aus Hamburg, München oder Berlin haben der dort seine Chance nicht sieht, sind wir natürlich für Gespräche offen und laden ihn ein und schauen uns an, ob er für uns interessant ist.
Unsere erste Kaderplanung für die Saison 18/19 stand schon an. Dabei loten wir aus, auf welchen Postionen es Handlungsbedarf gibt. Im Leistungsbereich liegen uns auch Angebote von Spielerberatern vor. Wenn auf bestimmten Positionen Spieler fehlen oder wir dort eine Schwachstelle haben, dann gibt es die Möglichkeit, die Kontakte der Trainer zu nutzen - das hießt, bei Kollegen oder Spielerberatern anzufragen, ob sich ihre Spieler vorstellen könnten, beim KSC zu spielen.
Herr Kwansiok, wie läuft der Trainingsalltag in der U19-Mannschaft ab?
Kwasniok: Zwei Mal die Woche gibt es ein Vormittagstraining, daran können allerdings nur Spieler teilnehmen, die an unseren Partnerschulen sind. Sie werden dann frei gestellt. Dazu kommen bis zu fünf Trainingseinheiten am Abend. Je nach Stundenplan bekommen die Jungs individuelle Aufgaben von uns. Diese Übungen können im Kraftraum ohne Trainer, mit unseren Athletiktrainer defizitorientiert oder positionsgetreu absolviert werden. Einen Tag in der Woche versuchen wir den Jungs einen Tag komplett frei zu geben um den Kopf und die Beine frei zu bekommen. So kommen die Jungs zwischen den Spielen am Wochenende auf acht bis neun Einheiten.
Becker: An dieser Intention sieht man, was im Jugendbereich geleistet wird und Jugendspieler schon relativ früh sehr stabil und sehr weit sind. Der größte Nutznießer durch die Arbeit ist neben den Vereinen vor allem der Bundestrainer, der aus einem großen Topf gut ausgebildeter Spieler schöpfen kann.
Wie wichtig ist gute Nachwuchsarbeit in Zeiten von hohen Millionenablösen für Vereine wie den KSC?
Becker: Wir haben hier eine gute Basis an talentierten Spielern und versuchen, so auch weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, auch wenn es heute sehr viel schwieriger ist. Wenn man sich an die Generation (Lars) Stindl oder (Christian) Eichner zurück erinnert: Die hätten mit 15, 16 Jahren nie an einen Wechsel gedacht. Heute ist das anders - da kommen 15- und 16-Jährige mit den Beratern und durchleuchten den KSC, ob es Sinn ergibt, hier zu bleiben sportlich - vor allem auf finanzielle Sicht.
Das ist natürlich eine Situation, die es vor zehn Jahren noch nicht gab. Berater spielen schon im Jugendbereich eine sehr große Rolle. Aber wir stellen uns dem, wir wissen das sich der Markt extrem verändert hat. Man muss das als Verein aber nun mal annehmen und versuchen Gegenlösungen zu finden.
Warum es so schwer ist eigene Talente zu halten und ob Edmund Becker nochmal Profitrainer werden würde - die Antworten gibt es im ersten Teil des Interviews: KSC-Nachwuchs: Becker & Kwasniok im Interview - Teil 1
Im vergangenen Jahr wurde das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des Karlsruher SC erneut mit der Höchstpunktzahl an Sternen, die für die Qualität in den Leistungszentren vergeben werden, vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) bewertet.
Die Leitung des NLZ hat seit 2010 Edmund Becker inne. Becker war selbst KSC-Spieler (1977 bis 1981) und Trainer. Zunächst trainierte er den KSC-Nachwuchs, 2005 übernahm er die Profimannschaft und führte sie 2007 zum Aufstieg. Seit 2010 ist Becker Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ). An seiner Seite: Lukas Kwasniok. Er war 2016 Interimstrainer bei den Profis. Derzeit macht er seine Ausbildung zum Fußball-Lehrer beim DFB und betreut die U19-Mannschaft des KSC.
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