Liebe Fußballfreunde,
nachdem wir uns hier nicht mehr über das Thema Aufstieg unterhalten müssen will ich auch lieber den Mantel des Schweigens über den kollektiven Abwehrschlaf beim Gegentreffer zum 2:2 -Ausgleich in Dresden breiten. Ich will auch nicht oberlehrerhaft erscheinen und daran erinnern, dass ein Spiel erst dann unterbrochen ist, wenn der Schiedsrichter dies anzeigt, was in der Regel durch einen weithin hörbaren Pfiff erfolgt.
Warum soll das Karlsruher Stadion eigentlich doppelt so teuer werden wie das in Mainz?
Und ersparen werde ich mir auch die Bemerkung, dass ein Fußballtor 7,32 Meter breit ist und es beim Freilauf auf das selbige nicht darum geht, den in der Mitte postierten Torhüter zu treffen, sondern man auch in die Ecken schießen darf. Nein, all dies werde ich unterlassen und mich daher mal wieder ein bisschen dem Thema widmen, über das unser Gemeinderat im Oktober dieses Jahres befinden soll: Dann soll nämlich die (wievielte eigentlich?) endgültige Entscheidung darüber fallen, ob Karlsruhe neben einer U-Strab, einem neuen Schauspiel- und Exotenhaus auch ein neues Stadion bekommen soll.
Und damit unsere geschätzten Entscheidungsträger diese Entscheidung auch guten Gewissens fällen können, gab es jetzt eine Exkursion zu den Spielstätten der TSG 1899 Hoffenheim nach Sinsheim und der des FSV Mainz 05. Im Jahr 2007 gab es schon mal eine solche Fahrt, damals nach Köln und Duisburg. Aber daran erinnert sich vermutlich nicht mehr jede und jeder von denen, die damals dabei waren, was ja kein Wunder ist, werden wir doch alle älter. Also musste das Gedächtnis unserer Entscheidungsträger aufgefrischt werden und so machten sich über 40 Teilnehmer an einem sonnigen Dienstagmorgen frohgemut auf den Weg, um zu sehen und zu hören, was in Sachen Stadionbau denn so angesagt ist. Es soll eine schöne Fahrt gewesen sein, vor allem als man in Mainz ankam. Es gab kleine Snacks und eine nette Begrüßung vom Mainzer Präsidenten Harald Strutz und jede Menge Informationen darüber, wie die Arena in Mainz zustande kam, wie sie finanziert wurde und wie sie betrieben wird.
Und da haben mich jetzt doch ein paar Zahlen erstaunt. Rund 60 Millionen Euro hat dieses Stadion, das 34.000 Besuchern Platz bietet, gekostet. Einschließlich der acht Millionen, die für das Grundstück bezahlt werden mussten. Die Kosten für ein neues Wildparkstadion, bei dem kein Grund erworben werden muss, werden dagegen auf 120 Millionen taxiert. Die Frage, warum dieses Stadion doppelt so teuer werden soll, wie das in Mainz, erschließt sich mir noch immer nicht, auch wenn die Karlsruher Finanzplaner den woanders keinesfalls üblichen Anteil der Mehrwertsteuer (in diesem Fall mehr als 20 Millionen) einfach mal dazu geschlagen haben, was niemand weiß, man aber wissen sollte, wenn man die Sache seriös bewerten will. Aber ich bin kein Finanzexperte.
Karlsruhe im Schneckentempo
Ich wundere mich nur, dass woanders Dinge zu einem darstellbaren Preis und in einem Zeitraum gehen, bei dem unsere Entscheidungsträger vermutlich Schwindelanfälle bekommen würden. Der Stadionbau in Mainz wurde 2008 beschlossen, 2009 mit dem Bau begonnen und zwei Jahre später wurde die "Coface Arena" eingeweiht. Ein städtischer Bau, zur Hälfte finanziert über Kommunalkredite, die eine äußerst niedrige Verzinsung haben. Dazu kamen Zuschüsse vom Land, von der Stadt und ein Eigenanteil in Höhe von sieben Millionen Euro, den der FSV Mainz beisteuerte, in dessen Besitz das Stadion übrigens nach 30 Jahre übergeht. Zur Erinnerung: der erste Entwurf für ein neues Stadion in Karlsruhe stammt aus dem Jahr 1994, aber gemach.
Zumindest das Fazit des gemeinderätlichen Betriebsausflugs nach Sinsheim und Mainz, das da lautetet, dass nach dieser Fahrt "der Wille zum erfolgreichen Abschluss deutlich geworden" sei, gibt Hoffnung. Und sollte es doch wieder ein bisschen länger dauern und man sich nicht mehr so genau erinnern können, was man in Sinsheim und Mainz gesehen hat: Es gibt ja noch einige schöne Stadien, deren Besichtigung sich lohnt, zumal ein solcher Ausflug dem Betriebsklima durchaus förderlich ist.
Ihr Harald Linder