Patrick Walz (36 Jahre) ist Polizeibeamter und aktuell im Führungs- und Einsatzstab des Polizeipräsidiums Karlsruhe tätig. Er beschäftigt sich dort tagtäglich mit der Planung von Einsätzen im Rahmen von Veranstaltungen oder Demonstrationen.

Im Nebenamt ist er einer von sieben sogenannten Strategiepaten für Demokratie und Toleranz der Karlsruher Polizei. Davor war er unter anderem im Polizeirevier Ettlingen tätig, dort zum Beispiel im Streifendienst und als Praxisausbilder für Polizeischüler*innen.
Herr Walz, was macht ein Strategiepate für Demokratie und Toleranz bei der Polizei?
Die Idee ist, dass wir Fortbildungsangebote von Polizist*innen für Polizist*innen generieren, um demokratische Bildung voranbringen und dadurch die Resilienz gegenüber extremistischen Bestrebungen weiter zu fördern.
Wir wurden in einem Pilotprojekt vom Kompetenzzentrum gegen Rassismus Baden-Württemberg ausgebildet. Wir haben Kontakte zu wichtigen Mitspielern aus der Zivilgesellschaft aufgebaut und haben viel Input zu extremistischen Weltanschauungen erhalten.
Jetzt versuchen wir zu schauen, welche thematischen Bedarfe die Kolleg*innen haben und entsprechende Angebote zu organisieren. Wir haben beispielsweise schon zu QAnon, Reichsbürgern und Selbstverwaltern gearbeitet.
Auch mit uns selbst als Polizei setzen wir uns auseinander, zum Beispiel mit Exkursionen ins „Hotel Silber“ in Stuttgart. Und wir versuchen auch tagesaktuelle Impulse aufzugreifen.
Als Daniela Klette im Februar 2024 verhaftet wurde, haben wir eine Veranstaltung zur RAF und zum Linksextremismus angeboten. Die Nachfrage nach allen Formaten ist hoch und wir bekommen sehr gutes Feedback.
Was hat Sie motiviert, diese Zusatzausbildung zu absolvieren?
Dazu hat sicher meine eigene Familiengeschichte beigetragen. Meine Urgroßmutter war aus politischen Gründen während der NS-Herrschaft im KZ interniert, der Familienteil flüchtete dann auch aus den deutschen Ostgebieten.
Da habe ich mich ein Stück weit berufen gefühlt, in diesem Themenfeld tätig zu werden. Und andererseits ist natürlich auch die Aufgabe ganz herausfordernd und spannend, weil wir große Freiheiten und ein eigenes Budget haben.
Wie blicken Sie als Karlsruher Polizist mit diesem Hintergrund auf die aktuelle Situation unserer Demokratie?
Die Demokratie ist eine tolle Errungenschaft, von der jeder von uns jeden einzelnen Tag profitiert. Das ist nicht selbstverständlich.
Sorge bereitet mir, dass bisher Unsagbares langsam zunehmend sagbar wird und dass Akteure, die unsere Freiheiten beschneiden wollen, gezielt das System angreifen. Das zeigt sich auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik.
Wenn Sie mit der Planung von Einsätzen im Rahmen von Demonstrationen befasst sind, erleben Sie das sicher ganz konkret, oder? Am 26. Juli kommt bekanntlich die Reichsbürger-Szene aus Deutschland in Karlsruhe zusammen.
Als Polizei haben wir bei solchen Veranstaltungen die Aufgabe, neutral und professionell die freie Meinungsäußerung zu ermöglichen – für die Extremen genauso wie für etwaige Gegendemonstrationen. Als Privatperson mag man im Einzelfall anderer Meinung sein, aber im Dienst hat das nichts zu suchen.
Bei entsprechender Brisanz oder einem konkreten Risiko greifen wir lenkend ein und stellen einen geordneten Verlauf der Veranstaltung sicher. Diese Arbeit lebt vom Dialog mit den Anmeldenden und den Verantwortlichen der kommunalen Versammlungsbehörden.

Was passiert, wenn das mal schiefgeht?
Wir evaluieren jeden größeren Einsatz, schauen insbesondere auf die jeweiligen Schwierigkeiten, um sie das nächste Mal zu vermeiden. Aber jeder Einsatz ist anders, oftmals dynamisch und nicht bis in jede Kleinigkeit vorzuplanen.
Und in wenigen Einzelfällen gibt es auch Situationen, die herausfordernd und problematisch sind. Wir versuchen immer, uns so professionell zu verhalten und aufzustellen, dass man etwaige Fehler in Zukunft nicht nochmal macht.
Nicht alle Menschen vertrauen der Polizei und einige haben negative Erfahrungen mit der Institution gemacht, die im Gedächtnis bleiben.
Als Polizeibeamte haben wir einen Eid auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung geleistet. Danach müssen wir uns verhalten. Wir sind eine tragende Säule des demokratischen Systems, sitzen aber ein Stück weit zwischen den Stühlen.
Wir schützen die Rechte jedes Einzelnen, greifen aber auch täglich in diese ein. Das ist nicht immer einfach. Wenn die Polizei irgendwo hinkommt, erwartet man von ihr, dass sie Entscheidungen trifft. Wo verschiedene Interessen aufeinandertreffen, können wir es naturgemäß nicht allen recht machen.
UND ABSCHLIESSEND NOCH: Die Polizei wird als große Organisation nicht von gesellschaftlichen Entwicklungen und Trends verschont. Auch bei uns wird kontrovers über Themen diskutiert und einzelnen muss man erst beibringen, sensibler aufzutreten.
Aber ganz klar ist, dass antidemokratische Einstellungen keinen Platz bei uns haben. Deshalb hat die Polizei in Baden-Württemberg in den letzten Jahren u.a. ihre Ausbildung und ihre Dienstvorschriften weiterentwickelt.
Als Vorbilder sind z. B. Ausbilder*innen und Führungskräfte gefordert, eine demokratische Wertekultur zu praktizieren und vorzuleben. Aber auch die Strategiepatenschaft für Demokratie und Toleranz ist Ausfluss hieraus.
Wie können Sie verloren gegangenes Vertrauen wiederherstellen?
Mit so viel Transparenz wie rechtlich möglich und einem ständigen Dialog zwischen der Bevölkerung und der Polizei.
Bei welchem der über 70 Partner im Bündnis für Demokratie und Menschenrechte Karlsruhe würden Sie gerne einmal ein Praktikum absolvieren?
Das wäre wohl eine Organisation, die im Themenfeld Flucht und Asyl arbeitet. Wir haben dazu im Rahmen des Strategiepaten-Projektes in 2023 eine Veranstaltung mit zwei Geflüchteten durchgeführt und die war wirklich sehr interessant. In diesem Bereich ergeben sich erfahrungsgemäß oft Spannungen in der täglichen Polizeiarbeit.

Das Interview führte Luca Wernert im Mai 2025. In der Reihe Karlsruher Stimmen lässt das Bündnis für Demokratie und Menschenrechte Karlsruhe Personen aus der Region zu Wort kommen, die aus einem ganz persönlichen Blickwinkel auf Demokratie und Menschenrechte schauen.
Hier ist Platz für Meinungen und Diskussionen sind ausdrücklich erwünscht. Alle Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner eint der gemeinsame Einsatz für unsere Demokratie und die unumstößlichen Menschenrechte.
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