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Der Mordfall Günther Staubach: Eine Polizei-Panne von 1949

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True Crime von 1949: Ein Kindsmord, eine fatale Polizei-Panne und ein grinsender Killer

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    Karlsruhe in den 1940er Jahren, Private Sammlung.
    Karlsruhe in den 1940er Jahren, Private Sammlung. Foto: Technische Hochschule

    Der neunjährige Günther Staubach aus der Kapellenstraße in Karlsruhe wird im Juli 1949 seit fünf Wochen vermisst. Der Junge liebt ländliche Verhältnisse, heißt es. Zunächst wird vermutet, dass er sich bei Bauern auf dem Land aufhält und seinen richtigen Namen verschweigt.

    Günther ist zirka 1,40 Meter groß, hat eine leichte Sprachbehinderung und spricht Karlsruher Dialekt. Zuletzt wurde er in einer kurzen, grauen Hose, grauem Hemd und grauem Pullover und schwarzen Stiefeln gesehen.

    Leiche wird in einer Kiste entdeckt

    Zuerst wird Günthers Vater, dann sein Onkel verdächtigt. Die können aber beide ihre Unschuld beweisen. Erst am 18. August wird der tote Junge in der Werkzeugkiste einer Lokomotive im Eisenbahnmuseum der Karlsruher Technischen Hochschule (heute KIT) entdeckt. Ein Arbeiter ist durch einen starken Verwesungsgeruch darauf aufmerksam geworden.

    Karlsruhe etwa 1920er Jahre, Private Sammlung
    Karlsruhe etwa 1920er Jahre, Private Sammlung Foto: Technische Hochschule Karlsruhe

    Die Leiche befindet sich in Hockstellung und ist nur mit einem Hemd bekleidet. Seine übrigen Bekleidungsstücke liegen neben der Leiche, ebenso sein Schulranzen. Fest steht, dass Staubach Opfer eines Verbrechens ist, da die Werkzeugkiste von außen mit einer Eisenstange verschlossen wurde. Der Junge scheint erwürgt worden zu sein. Aufgrund der fortgeschrittenen Verwesung ist zunächst unklar, ob Günther einem Sexualverbrechen zum Opfer fiel. Ein medizinisches Gutachten soll Klarheit schaffen.

    Die Suche nach dem Täter

    Bei Günthers Beerdigung fällt ein Mann durch sonderbares Verhalten auf und wird verhaftet. Es stellt sich heraus, dass er vor einigen Jahren sexuelle Verhältnisse mit Jugendlichen hatte. Es kann aber kein Zusammenhang mit dem Fall von Günther Staubauch festgestellt werden und er wird wieder freigelassen.

    Im September sucht die Polizei nach einem unbekannten Mann, der im Sommer fast täglich am Hochschulstadion gesehen wurde. Er fiel dadurch auf, dass er sich immer allein dort aufhielt und häufig mit Strümpfestopfen, der Pflege seiner Fingernägel oder mit Spiegel und Kamm beschäftigt war. Der Mann wird auf zirka 45 Jahre und 1,80 Meter geschätzt, gefunden wird er jedoch nie.

    Neuer Kriminalrat Groschek löst den Fall

    Erst als Kriminalrat Groschek im Februar 1952 das Amt übernimmt, wird der Fall wieder aufgerollt. Seine Ermittlungen führen zur Verhaftung des Täters. Es handelt sich um den 31-jährigen homosexuellen Fritz Frauenfeld, von seinen Arbeitskollegen als Fritzle bekannt, der als „schwachsinnig“, beziehungsweise psychisch behindert eingestuft wird.

    (Symbolbild).
    (Symbolbild). Foto: Maurizio Gambarini/dpa

    Frauenfeld hätte sich mehrmals an Kindern vergangen, unter anderem auch an Günther vor der Tat. Er hat bereits ein Geständnis abgelegt, wobei er bestreitet, Günther absichtlich erwürgt zu haben. Frauenfeld, der inzwischen in der Heil- und Pflegeanstalt Hub in Südbaden untergebracht ist, wird ins Gefängnis überführt.

    Bekannter von Frauenfeld gibt den entscheidenden Hinweis

    Ein anonymer Herr K., der Frauenfeld seit seiner Kindheit kennt, gibt der Kripo den entscheidenden Tipp zum Fall. „An dem Tag, nachdem die Leiche gefunden wurde, sah ich Fritzle in unserer Straße. Er verhielt sich wie ein Mensch, der verfolgt wird – schlich sich von Haustür zu Haustür, blieb stehen und schaute sich ängstlich um“, sagt Herr K.

    Der Bekannte habe schon damals den Verdacht, dass Fritzle der Täter sei. Alle in der Gegend wussten, dass er sich oft mit kleinen Kindern herumtrieb und auch den Günther kannte. Auch nach der Entdeckung der Leiche trieb er sich mit Kindern aus der Gegend um.

    Polizei winkt ab: „Der ist harmlos“

    Als Herr K. damals die Polizei, geschah allerdings nichts. „Der ist harmlos“, erklärt ihm ein Kripobeamter. „Ein Depp, sonst nichts“.

    „Hätte die Kripo damals schon reagiert“, sagt Herr K., „dann hätte der Frauenfeld sich nicht mehr an kleinen Kindern vergehen können. Aber es musste erst Kriminalrat Groschek kommen, um den Fall erfolgreich abzuschließen.“

    Karlsruhe in den 1940er Jahren, Private Sammlung.
    Karlsruhe in den 1940er Jahren, Private Sammlung. Foto: Technische Hochschule Karlsruhe

    1949 wurde Frauenfeld bereits von einem Kripobeamten aufgegriffen, wobei er sich auffällig nach dem Fall von Günther Staubach erkundigte. Dieser Hinweis wurde damals übersehen, fiel aber dem Kriminalrat Groschek später auf.

    Täter nicht zurechnungsfähig

    Fritz Frauenfeld gibt vor Gericht zu, sexuelle Beziehungen zu Kindern gehabt zu haben. Als er sich an Günther verging, sei der Junge zu Boden gefallen und leblos liegengeblieben. Frauenfeld habe den Körper danach in dem Werkzeugkasten versteckt, kann sich aber nicht mehr genau daran erinnern, was passiert ist – er war wie „weg“, sagt er aus.

    Justitia (Symbolbild)
    Justitia (Symbolbild) Foto: Jens Kalaene/dpa

    Nach einem Gutachten von Medizinalrat Dr. Braun ist Frauenfeld vollständig unzurechnungsfähig. Man muss annehmen, dass die Art wie Staubach ums Leben kam, im Geschlechtsrausch begangen worden sei. Nach dem Mord treibt sich Frauenfeld im Prostitutiertenviertel in Karlsruhe um, schläft auf den Straßen, schließt sich nachts auf der Toilette eines Lokales ein.

    „Jetzt ist er halt tot“

    Beim Gericht macht Frauenfeld den Eindruck eines Mannes, dem jedes intellektuelle und sittliche Verantwortungsbewusstsein fehlt, heißt es. Sein Gesichtsausdruck wechselt zwischen Angst, Verschlagenheit und Grinsen. „Jetzt ist er halt tot“, stammelt Frauenfeld grinsend dem Vorsitzenden des Gerichtes. „Jetzt kann ich auch nichts mehr machen“.

    Frauenfeld, seine Mutter und sein Bruder wurden von den Nationalsozialisten sterilisiert. Er selbst kann sich an kaum etwas aus der Vergangenheit erinnern, nicht einmal den Krieg, nur an den Tod seiner Eltern. „Es waren schöne Beerdigungen“, sagt er grinsend. Nach dem Gerichtsverfahren wird Frauenfeld wieder in die Heilanstalt eingeliefert.

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