Ob im Garten, auf Wiesen oder in den Wäldern – Insekten sind allgegenwärtig und leisten einen unverzichtbaren Beitrag für Ökosysteme und Landwirtschaft. Sie bestäuben Pflanzen, zersetzen organisches Material und dienen zahlreichen Tieren als Nahrung. Doch der Insektenschwund schreitet unaufhaltsam voran. Viele Arten kämpfen ums Überleben, und einige sind bereits verschwunden. Die Rote Liste, herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz (BfN), dokumentiert das Ausmaß dieses Verlustes und zeigt, wie dringend Schutzmaßnahmen benötigt werden, um die Vielfalt dieser wichtigen Tiere zu erhalten.
Schlechte Wasserqualität bedroht Insekten
Laut Bundesamt für Naturschutz (BfN) sind 26,2 Prozent der Insektenarten in Deutschland gefährdet. Die Käfer stellen dabei mit neun Artengruppen und mehr als 5.600 Arten die größte Gruppe der bedrohten Insekten dar. Obwohl sich die Bestände einzelner Arten stellenweise erholt haben, dominiert insgesamt der Insektenschwund. Besonders betroffen sind gewässergebundene Arten wie Libellen, Steinfliegen und Eintagsfliegen, deren Rückgang laut BfN vor allem auf die Verschmutzung der Gewässer zurückzuführen ist.
Die Verbesserung der Wasserqualität haben lokal zur Erholung bestimmter Bestände geführt. Dennoch unterstreicht das BfN den dringenden Handlungsbedarf, um den Rückgang gefährdeter Arten aufzuhalten. Sabine Riewenherm, Präsidentin des BfN, betont die Notwendigkeit, die Belastung der Gewässer weiter zu reduzieren, Uferbereiche zu erhalten und Flüsse sowie Seen naturnäher zu gestalten. Diese Maßnahmen sind entscheidend, um die Lebensräume der besonders gefährdeten gewässergebundenen Arten langfristig zu schützen. Neben Wasserverschmutzung führen auch andere Umwelteinflüsse wie Lichtverschmutzung und Pestizide zum Insektenschwund.
Die Rote Liste - so gefährdet sind Insekten in Deutschland
Die Rote Liste erfasst die Gefährdungssituation von Tier-, Pflanzen- und Pilzarten in Deutschland und dient gleichzeitig als umfassende Inventur der Artenvielfalt. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) gibt die Rote Liste etwa alle zehn Jahre heraus. Die neueste Ausgabe, Band 5 der achtbändigen Reihe, erschien 2021 und behandelt wirbellose Tiere, insbesondere Insekten. Mit keiner anderen Maßnahme des Naturschutzes in Deutschland wird der Zustand einer so großen Zahl von Arten dokumentiert – nach dem Motto: Man kann nur schützen, was man kennt.
Die Erstellung der Roten Listen erfordert eine umfassende Gefährdungsanalyse, die durch das Wissen von mehr als 130 ehrenamtlich Mitwirkenden ermöglicht wird. Diese Fachleute tragen Daten zu Arten und Unterarten in Deutschland zusammen, analysieren sie und bereiten sie systematisch auf. Band 5 schließt die 2009 begonnene Reihe der Sammelbände ab, wobei eine übergreifende Auswertung aller seitdem erschienenen Listen noch aussteht.
Diese Insekten sind besonders gefährdet
Auf der Roten Liste wird der Kirschprachtkäfer (Anthaxia candens) bei den stark gefährdeten Arten geführt, ebenso wie viele Vertreter der Blattkäfer, Rüsselkäfer und Blatthornkäfer. Die meisten Käferarten sind eng an spezifische Biotope gebunden, deren Verlust und die veränderte Nutzung naturnaher Gebiete ihre Bestände bedrohen. Vor allem Gewässer werden immer stärker durch Umwelteinflüsse verschmutzt, wodurch zahlreiche wassergebundene Arten als stark gefährdet gelten: 46,6 Prozent der Steinfliegenarten und 40,5 Prozent der Eintagsfliegenarten gelten als gefährdet. Auch der Rossmistkäfer (Geotrupes stercorarius) aus der Gruppe der Blatthornkäfer steht auf der Liste der stark gefährdeten Arten. Die Wanze (Dicranocephalus agilis) wird auf der Vorwarnliste geführt.
Neben zahlreichen vom Aussterben bedrohten Insektenarten sind einige Arten unwiederbringlich verschwunden. Laut dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie sind 43 Prozent der 424 Wildbienenarten in Deutschland ausgestorben oder bestandsgefährdet. Bei den 74 Goldwespenarten sind 36 Prozent bedroht. Auch die Totholzkäfer, insbesondere die sogenannten Urwaldrelikte, kämpfen in den Wirtschaftswäldern mit großen Problemen. Der Mangel an alten Bäumen und ausreichend Totholz gefährdet ihren Lebensraum und damit ihren Fortbestand. Gleichzeitig befeuern die schnellen klimatischen Veränderungen den Insektenschwund.
Politische Maßnahmen für den Insektenschutz
Es wimmelt nur so von Tipps, wie man selbst etwas gegen das Verschwinden von Insekten tun kann. Auch wenn hier nützliche Tipps dabei sind, spielen politische Maßnahmen eine weitaus tragendere Rolle. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) betont, dass der Schutz vieler Arten in der Agrarlandschaft mit einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Nutzung verbunden ist. Nach dem Prinzip „Schutz durch Nutzung“ gilt es, ein Gleichgewicht zwischen der Nutzung von Flächen und dem Schutz der Biodiversität herzustellen sowie den Flächenverlust zu reduzieren. Hierfür gibt es unter anderem die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS), die 2007 verabschiedet wurde. Dort hat das BMEL Maßnahmen und Ziele definiert, die auch den Agrarsektor betreffen. Diese Strategie wird aktuell weiterentwickelt, um die biologische Vielfalt in Agrarlandschaften und Wäldern langfristig zu sichern und die nachhaltige Nutzung dieser Ökosysteme zu gewährleisten.
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