Das einzelne Insekt ist recht unscheinbar: nur wenige Millimeter klein und äußerlich kaum zu unterscheiden von einer heimischen Ameise. Doch die Tiere der Art Tapinoma magnum treten in riesigen Kolonien auf und richten gewaltige Schäden an, warnen Expertinnen und Experten. Die Ameisenart stammt aus dem Mittelmeerraum, wurde vermutlich eingeschleppt und breitet sich zunehmend im Südwesten aus. Die Folgen sind Stromausfälle, Spielplatzschließungen und Schäden an Gebäuden.
Ameisen in Deutschland: Tapinoma magnum macht Probleme
Rein äußerlich fällt die Ameisenart Tapinoma magnum nicht auf. In Körperbau, Größe und Färbung unterscheidet sie sich nicht besonders von der gewöhnlichen schwarzen Wegameise, wissenschaftlich auch Lasius niger, die in Deutschland heimisch ist, zitiert der SWR den Regensburger Ameisenforscher Jürgen Heinze. Auch der übersetzte Namevon Tapinoma magnum - Große Drüsenameise - trügt laut dpa: Besonders groß sei die Ameise nicht. Ein Erkennungsmerkmal: Zerdrückt man die Tiere, riechen sie nach ranziger Butter.
Doch das einzelne Tier ist nicht das Entscheidende bei der Ameisenart. Besonders ist, wie die Tiere in Gruppen agieren. In den riesigen Nestern der Tiere, den sogenannten Kolonien, leben mehrere Königinnen gleichzeitig. Die Kolonie kann sich dadurch aufspalten in kleinere Nester um die jeweilige Königin. Das ist zwar bei heimischen Ameisen - wie auch bei vielen Insektenarten - auch so, doch die neu entstandenen Kolonien sehen sich dann als verfeindet an und bekämpfen sich. Die unterschiedlichen Gruppen erkennen sich am Geruch. Das sei bei der eingeschleppten Tapinoma-Art anders, erklärt Jürgen Heinze.
„Durch die Einschleppung sind sie sich genetisch so ähnlich geworden, dass sie alle sehr ähnlich riechen“, zitiert der SWR den Ameisenforscher. Deshalb bekämpfen sich die Ameisenkolonien nicht gegenseitig und breiten sich explosionsartig in Superkolonien mit Hunderttausenden bis Millionen von Individuen aus.
Übrigens: Die heimischen Ameisenarten sind kaum zu vergleichen mit der größten Ameisenart aller Zeiten, die so groß war wie ein Vogel.
Agressive Ameisen breiten sich in Deutschland aus
Wie genau die Tiere nach Deutschland gelangt sind, ist unklar. „Wir vermuten, dass sie mit Pflanzentransporten aus dem Mittelmeerraum gekommen ist“, erklärte der Manfred Verhaagh vom Karlsruher Naturkundemuseum laut dpa bei einer Konferenz im badischen Offenburg.
Die Ameisenart komme nicht nur im Süden, sondern inzwischen auch in Köln und Hannover vor, sagte der Ameisenfachmann. Die Art sei bereits 2009 in Rheinland-Pfalz nachgewiesen worden. Besonders betroffen sind mittlerweile Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und das ostfranzösische Elsass, erklärt der Experte. Schon im vergangenen Jahr breitete sich Tapinoma magnum expolisionsartig in Deutschland aus.
Welche Schäden richtet die südeuropäische Ameise an?
Für den Menschen gilt die Art zwar als ungefährlich, einigen Berichten zufolge ist sie aber aggressiv und bissig. Und ein Problem stellen die Tiere für die Infrastruktur dar. Die gigantischen Kolonien der Großen Drüsenameise sorgen in vielen Gemeinden schon für Probleme: Im badischen Kehl gab es Stromausfälle und das Internet wurde lahmgelegt. Ein Kinderspielplatz in der Grenzgemeinde am Rhein musste wegen Unfallgefahr geschlossen werden: Eine Ameisenkolonie hatte den Untergrund des Spielplatzes ausgehöhlt. Die Ameisen können Gebäude, Wege, Straßen und technische Infrastruktur beschädigen.
In Schutterwald im Ortenaukreis, nicht weit von Kehl, kämpfen Bürgerinnen und Bürger schon seit Monaten mit den kleinen Insekten in ihren Häusern. „Sie kehrt immer wieder zurück, die Ameise“, sagte ein Anwohner der dpa. Die Insekten kommen demnach in die Küche, ins Schlafzimmer, in den Keller. „Es gibt keine Tabuzonen“, klagt ein anderer Betroffener.
In der hessischen Stadt Reinheim tauchten die eingeschleppten Insekten in großer Zahl in einer Grundschule auf. Die Tiere ließen sich auf Heizkörpern, Türklinken und Lampen nieder, laut der Verwaltung des Landkreises Darmstadt-Dieburg seien Nester von Tapinoma magnum auf dem gesamten Schulgelände zu finden.
Schäden durch Ameisen: Ist die Art invasiv?
Behördenvertreter machten gegenüber der dpa deutlich, dass die Große Drüsenameise bisher offiziell nicht als invasiv gelistet wird. Aber - invasiv oder eingeschleppt, wo liegt da der Unterschied? Auch wenn eine Tierart in einem Gebiet neu und nicht heimisch ist, muss sie nicht automatisch invasiv sein. „Nur wenige gebietsfremde Arten gefährden in ihrem neuen Einbringungsgebiet die biologische Vielfalt und werden daher als ‚invasiv‘ bezeichnet“, erklärt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) den Unterschied.
Und wie ist das bei Tapinoma magnum? Das BfN sehe derzeit Ökosysteme nicht als gefährdet an, sagte Thorsten Erny, Landrat des Ortenaukreises, in dem auch die Stadt Kehl liegt. Der baden-württembergische Umweltstaatssekretär Andre Baumann (Grüne) sagte dagegen, die Ameise sei für ihn „ein Schädling“ - auch wenn sie rechtlich nicht so bezeichnet werde.
Massive Schäden durch Ameisen: Was tun gegen Tapinoma magnum?
Die betroffenen Gemeinden versuchen sich mit aller Kraft gegen die Krabbeltiere zu wehren. In Kehl setzt man auf heißes Wasser: „Bestätigt sich ein Verdachtsfall und erscheint die Bekämpfung erfolgversprechend, bietet die Stadt an, die Ameisen auf dem Grundstück mit dem Heißwasserverfahren einzudämmen“, erklärt die Stadtverwaltung auf ihrer Website. Dabei werden die unterirdischen Nester mit 95 Grad heißem Wasser zerstört, Pestizide kommen nicht zum Einsatz.
Aber lässt sich damit die Ausbreitung der eingeschleppten Ameisenart aufhalten? Ein Forschungsprojekt der Staatlichen Naturkundemuseen in Stuttgart und Karlsruhe soll darauf eine Antwort finden und geeignete Gegenmaßnahmen liefern. Fachleute aus dem Südwesten und Behörden arbeiten dafür erstmals zusammen. Aber eines ist den Ameisenkennern schon klar: „Wir werden sie nicht mehr ausrotten können“, sagte Ameisenfachmann Manfred Verhaagh laut dpa.
Übrigens: Ameisen haben Flügel und gehören wie die Hummeln und Bienen sowie Wespen zu den sogenannten Hautflüglern.
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