Plötzliche Lust auf ein Stück Schokolade, ein schnelles Eis von der Tankstelle, oder die Überlegung, doch noch mal kurz in den nächsten Supermarkt zu gehen, um sich einen süßen Snack zu besorgen: Wer Heißhunger auf Süßigkeiten hat, ist diesem oft hilflos ausgeliefert – auch wenn man noch so sehr auf die Ernährung und Ratschläge zum Abnehmen achtet. Dann sind alle guten Vorsätze schnell über Bord geworfen, und das angestrebte Kaloriendefizit gerät in weite Ferne. Danach haben viele ein schlechtes Gewissen, weil sie der Versuchung nicht widerstehen konnten. Doch nicht immer steckt nur ein schwacher Wille hinter dem Verlangen nach Süßigkeiten; die Wissenschaft versucht noch immer, die vielschichtigen Ursachen für Heißhunger zu verstehen. Ein neuer Ansatz: Könnte ein Mangel an einem bestimmten Vitamin mit der spontanen Lust auf Schokolade und Co. zusammenhängen? Und könnte ein Bakterium helfen, die Heißhunger-Attacken in den Griff zu bekommen?
Heißhunger auf Süßes: Welche Gründe kann er haben?
Eine simple Erklärung für Gelüste und Heißhunger auf Süßes gibt es nicht. Dafür scheinen mehrere Vorgänge im Organismus verantwortlich zu sein. Ein Erklärungsansatz für den spontanen Griff ins Süßigkeiten-Regal dreht sich rund um Hormone. Glückshormone wie Dopamin, die beim Essen von Süßem ausgeschüttet werden, geben dem Gehirn den Eindruck, dass Snacks wie Eis oder Schokolade eine Belohnung seien: „Fett- und zuckerhaltige Lebensmittel setzen im Gehirn besonders viel Dopamin frei. Dies beeinflusst Lernverhalten und fördert die Vorliebe für solche Speisen“, erklärt das Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung in Köln auf seiner Website. Denn das Gehirn merkt sich die Belohnung und möchte bald wieder mehr davon.
Es gibt weitere Hormone, die beim Heißhunger mitmischen: Insulin und Ghrelin. Insulin regelt den Blutzuckerspiegel und meldet, ob wieder Zeit für Zucker ist. Nach dem Verzehr von Zucker schießt der Blutzuckerspiegel in die Höhe und verursacht ein kurzfristiges Energiehoch. Der abrupte Abfall des Blutzuckerspiegels führt zu einem Energiemangel, der uns wieder zu Süßigkeiten greifen lässt, erklärt das Uni-Klinikum Dresden in einem Blogartikel. „Ghrelin hingegen ist das ‚Hungerhormon‘, das unsere Naschlust anheizt“, heißt es in dem Beitrag: „Es ist, als ob unser Körper uns ständig zu einem Dessert überreden will.“
Und eine Studie des Kölner Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung hat herausgefunden, dass eine bestimmte Gruppe von Nervenzellen, sogenannte POMC-Neuronen, in Mäusen aktiv werden, die satt sind und Süßes essen. Diese Neuronen schütten nicht nur Botenstoffe für das Sättigungsgefühl, sondern auch ein Endorphin aus, das dem Gehirn ein Gefühl der Belohnung gibt. Die Nervenzellen überschreiben das Sättigungsgefühl mit dem Belohnungsgefühl – eine Erklärung für die Lust auf Nachtisch, obwohl man schon satt ist.
Übrigens: KI-Apps sind ein neues Werkzeug im Kampf gegen die Pfunde. Eine Studie zeigt jedoch: Geld und motivierende Worte helfen bereits beim Abnehmen.
Heißhunger: Bakterien produzieren Hunger-senkendes Vitamin
Immer wieder schieben Ratgeber-Blogs und Nahrungsergänzungsmittel-Händler die Schuld am Heißhunger auf Mangel von Stoffen wie Magnesium, Zink oder Vitaminen. Tatsächlich gibt es hier kaum Studien, die belastbare Hinweise darauf geben. Auch wenn Mangel oder Überdosierungen von Vitaminen schwere Folgen haben können und unsere Ernährung stark beeinflussen können, kann man durch die Einnahme von einem Vitamin nicht einfach den Heißhunger abstellen – so einfach ist es nicht.
Eine 2025 im Fachblatt Nature veröffentlichte Studie zeigte aber zumindest, dass ein Vitamin gegen Heißhunger hilft, wenn es mithilfe von einem bestimmten Bakterium im Mikrobiom des menschlichen Darmes gebildet wird. Es geht um das Darmbakterium Bacteroides vulgatus, mit dem die Darmschleimhaut sozusagen zusammenarbeitet. Die Wissenschaftler untersuchten sowohl Menschen mit Typ-2-Diabetes als auch gesunde Kontrollgruppen mit Blick auf das Bakterium und fanden heraus, dass bei den Diabetikern auffällig weniger Bacteroides vulgatus im Darm vorkommen.
Doch dieser Mangel ist nicht von Vorteil, denn die Bakterien sind nützlich: Sie produzieren einen Stoff namens Pantothenat, auch bekannt als Vitamin B5. Das Vitamin ist nicht nur für die Blutzuckerregulation essenziell, sondern löst im Darm auch eine kleine Kettenreaktion aus: Es spielt auch eine Rolle bei der Produktion des sogenannten FFAR4-Rezeptors, der wiederum die Ausschüttung eines Hormons namens GLP-1 anregt. GLP-1 verstärkt wiederum das Sättigungsgefühl und stabilisiert den Blutzuckerspiegel – und fördert die Ausschüttung eines weiteren Hormons, FGF21, das im Gehirn das Essverhalten beeinflusst und den Appetit auf Zucker dämpft. Kurz zusammengefasst: Wenn weniger Bacteroides vulgatus im Darm vorkommen, kommt es zu einem Vitaminmangel, der schlussendlich das Verlangen nach Zucker erhöht.
Übrigens: Das Hormon GLP-1 bildet auch die biochemische Grundlage für Medikamente, die als Abnehmspritzen bekannt. Doch die beliebten Medikamente bergen Risiken und Nebenwirkungen - zum Beispiel auch dann, wenn man damit aufhören will. Eigentlich sind die Medikamente für die Behandlung von Diabetes entwickelt worden.
Mehr Vitamin B5 - weniger Heißhunger auf Süßes?
Aus der Studie ergeben sich möglicherweise neue Ansätze, um Heißhunger in den Griff zu bekommen. Zwar betonen die Autoren der Studie, dass hierzu noch viel geforscht werden muss, doch Fütterungsversuche mit an Diabetes erkrankten Mäusen bestätigten die Ergebnisse: Wenn die Mäuse entweder das Vitamin Pantothenat erhielten oder mit Bacteroides vulgatus besiedelt wurden, zeigten sie deutlich weniger Lust auf Zucker. Das gibt Hoffnung, dass Therapien mit Pantothenat auch beim Menschen helfen könnten, um süßen Heißhunger zu stoppen.
Übrigens: Die Wirkung von Vitaminen bei psychischen Erkrankungen, wie Depressionen, wird laut Experten häufig unterschätzt. Manche Nährstoffe können dem Körper bei Depressionen helfen - Vitamin D kann zum Beispiel dazu beitragen, die Stimmung zu stabilisieren.
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