Die Pflegebranche steht in Deutschland unter wachsendem Druck. Immer mehr Menschen sind auf eine gesundheitliche Betreuung angewiesen – und damit auch auf gut ausgebildetes Personal. Doch gerade im Pflegebereich herrscht bereits heute ein erheblicher Fachkräftemangel, der sich in Zukunft noch verstärken wird. Wie das Statistische Bundesamt prognostiziert, könnten bis zum Jahr 2049 zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräfte fehlen.
Das Pflegewesen ist also mehr denn je auf Nachwuchs angewiesen. Obwohl sich in den letzten Jahren wieder mehr Menschen für eine Pflegeausbildung entschieden haben, kann der Bedarf an Fachkräften laut Einschätzung der Deutschen Krankenhausgesellschaft nicht allein dadurch gedeckt werden. Und dazu kommt noch: Nicht alle begonnenen Ausbildungen werden erfolgreich abgeschlossen.
Wie viele Azubis brechen die Pflegeausbildung ab?
Zwar konnte die Pflegebranche 2024 einen Höchststand an neuen Auszubildenden vermelden: Mit rund 59.500 Personen haben nach Angaben des Bundesfamilienministeriums in diesem Jahr so viele Menschen wie nie eine Ausbildung in der Pflege begonnen. Doch ein nicht geringer Anteil der Azubis bricht die Ausbildung vor dem Abschluss ab: Deutschlandweit werden circa 30 Prozent der Ausbildungsverträge vorzeitig aufgelöst. In Berlin und Brandenburg verlässt sogar rund jeder Zweite die Ausbildung ohne Abschluss, wie die Erhebungen des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg zeigen.
Eine vorzeitige Vertragsauflösung muss allerdings nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Ausbildung endgültig abgebrochen wurde, denn die auszubildende Person hat nach wie vor die Möglichkeit, sie bei einem anderen Träger fortsetzen. Das dürfte allerdings nur auf einen gewissen Anteil der Abgänger zutreffen. Nach Angaben der Jobplattform Medwing, die sich auf die Arbeitsvermittlung im Gesundheitswesen spezialisiert hat, werden in kaum einem anderen Berufszweig Ausbildungen so häufig abgebrochen wie im Pflegebereich.
Warum brechen viele Azubis ihre Pflegeausbildung ab?
Im Gesundheitswesen wird diese Entwicklung mit großer Sorge betrachtet. Für Dana Wiens, die den Geschäftsbereich Pflegeschulen der Deutschen Angestellten-Akademie in Nordrhein-Westfalen leitet, liegt das Problem auf der Hand. Vor allem die harten Arbeitsbedingungen im Pflegebereich dürften dazu beitragen, dass Azubis ihre Ausbildung frühzeitig abbrechen, vermutet sie im Gespräch mit der Tagesschau.
In der alltäglichen Arbeitspraxis würden die Schüler häufig einen „Realitätsschock“ erleiden, wenn sie die Überbelastung der Fachkräfte sehen und selbst erleben, so Wiens. Das schrecke manche Auszubildende ab. Auch Jacqueline Böttcher, Leiterin der Gesundheitsschule Eisenhüttenstadt, nennt bei zdfheute falsche Berufsvorstellungen und die starke Belastung als Hauptgründe für die hohe Abbruchquote.
Eine Besserung der Situation für Pflegefachkräfte sei nicht in Aussicht - im Gegenteil: „Die Menschen werden älter und dadurch immer kränker. Auf der anderen Seite gibt es zu wenig Personal“, erklärt Pflegeschulleiterin Wiens. Hinzu komme noch, dass die Anwärter für Pflegeausbildungen immer geringer qualifiziert seien. Es werde zunehmend schwerer, geeignete Bewerber zu finden.
Warum setzt Deutschland zunehmend auf Nachwuchs-Pflegekräfte aus dem Ausland?
Weil der Nachwuchs im eigenen Land fehlt, suchen viele gesundheitliche Einrichtungen in Deutschland inzwischen gezielt im Ausland nach Pflegekräften. Wie eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, kommt bereits heute jede sechste in der Pflege tätige Person aus dem Ausland. Die zunehmende Beschäftigung ausländischer Pflegerinnen und Pfleger kann den Rückgang des deutschen Pflegepersonals zwar nicht vollständig kompensieren, dämmt jedoch den Fachkräftemangel in der Branche maßgeblich ein. Nur dank dieser Entwicklung könne der Pflegebetrieb überhaupt noch aufrechterhalten werden.
Innerhalb der EU stammen die in Deutschland beschäftigten ausländischen Pflegekräfte laut den Auswertungen des IAB überwiegend aus Polen, Kroatien und Rumänien. Aber auch die Türkei, Serbien, Bosnien-Herzegowina, die Philippinen, Indien, Tunesien und Vietnam sind unter den Herkunftsländern stark vertreten. Um weiterhin Pflegefachkräfte aus dem Ausland gewinnen zu können, müsse die Politik ihnen künftig erleichterte Zuwanderungsregeln und eine schnellere berufliche Anerkennung ihrer Qualifikationen bieten, appelliert IAB-Forscherin Doris Wiethölter.
Auch Pflegeschulleiterin Dana Wiens sieht die Ausbildung von ausländischen Pflegeanwärtern als unverzichtbar für die Branche an. An den Pflegeschulen, die sie betreut, komme aktuell ein Drittel aller Auszubildenden direkt aus dem Ausland, etwa aus Indien, Marokko, Vietnam oder dem Iran. Doch auch unter ihnen gebe es ähnlich viele Abbrecher wie unter den einheimischen Lehrlingen. Das liege hauptsächlich an der Sprachbarriere, die meist inhaltliche Defizite nach sich zieht, erläutert Wiens in der Tagesschau. Deshalb fordert sie mehr finanzielle Mittel für die Sprachförderung der ausländischen Pflegeanwärter – und für eine bessere sozialpädagogische Unterstützung aller Auszubildenden.
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