Ab wann gilt man eigentlich als „reich“? Diese Frage stellt sich nicht nur in politischen Debatten, sondern auch im deutschen Steuerrecht – wenn es um den sogenannten Höchststeuersatz geht. Umgangssprachlich oft als „Reichensteuer“ bezeichnet, trifft diese Regelung nur einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung. Doch wie genau funktioniert sie, und wer ist überhaupt betroffen?
Was genau ist die Reichensteuer in Deutschland?
Die sogenannte Reichensteuer ist kein eigenständiger Bestandteil, sondern eine Zuschlagsebene innerhalb des deutschen Einkommensteuertarifs. Eingeführt wurde sie zum 1. Januar 2007 durch das Steueränderungsgesetz 2007 mit dem der Gesetzgeber den Spitzensteuersatz für besonders hohe Einkommen von 42 auf 45 Prozent erhöhte. Ziel war es, sehr hohe Einkommen stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen. Der Begriff „Reichensteuer“ ist dabei rein umgangssprachlich. Juristisch korrekt spricht man vom sogenannten „Höchststeuersatz“ im Sinne von Paragraf 32a Absatz 1 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG).
Höhe des Einkommens: Ab wann muss man Reichensteuer zahlen?
Die Reichensteuer greift in Deutschland ab einem zu versteuernden Einkommen von 277.826 Euro im Jahr bei Einzelveranlagung. Wer hingegen gemeinsam mit seinem Ehepartner veranlagt wird, muss die Reichensteuer erst zahlen, wenn das gemeinsame zu versteuernde Einkommen 555.652 Euro übersteigt. Erst ab diesen Schwellenwerten kommt der sogenannte Höchststeuersatz von 45 Prozent zur Anwendung. Er ersetzt ab diesem Punkt den regulären Spitzensteuersatz von 42 Prozent, erklärt die Vereinigte Lohnsteuerhilfe in einem Beitrag.
Wichtig: Es handelt sich um einen Grenzsteuersatz, der nur auf den Teil des Einkommens angewendet wird, der über die jeweilige Schwelle hinausgeht. Wer knapp über dem Schwellenwert liegt, zahlt auf den übersteigenden Betrag 45 Prozent Einkommensteuer, auf den Rest weiterhin den niedrigeren Steuersatz.
Die genaue Berechnung ist im Einkommensteuergesetz geregelt. Für alle Einkommen oberhalb von 277.825 Euro wird die Einkommensteuer nach der Formel „0,45 × x − 19.246,67“ Euro ermittelt, wobei x dem zu versteuernden Einkommen entspricht. Für Ehepaare wird laut Gesetz das sogenannte Splitting-Verfahren angewandt, bei dem die gemeinsame Steuerlast anhand der halben Bemessungsgrundlage verdoppelt berechnet wird (Paragraf 32a Abs. 5 EStG i.V.m. Paragraf 26b EStG).
Beispiel:
Ein lediger Steuerpflichtiger hat ein zu versteuerndes Einkommen von 300.000 Euro im Jahr 2025. Damit liegt er oberhalb der Reichensteuer-Grenze von 277.826 Euro und fällt somit in den Bereich des Höchststeuersatzes von 45 Prozent.
Das bedeutet: Die ersten 277.825 Euro werden nach dem regulären Einkommensteuertarif berechnet. Für den Bereich von 68.481 Euro bis 277.825 Euro gilt laut EStG dabei der Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Nur die 22.174 Euro, die über der Reichensteuer-Schwelle liegen, werden mit 45 Prozent besteuert.
Berechnung des Aufschlags durch die Reichensteuer:
22.174 € × 0,45 = 9.978,30 € Steuer auf den „Reichensteuer-Anteil“
Dieser Betrag kommt zusätzlich zu dem, was bereits durch die Einkommensteuer auf die unteren Tarifzonen zu zahlen ist. Um die gesamte Einkommensteuer zu berechnen, müsste man den vollen progressiven Tarif auf die ersten 277.825 Euro anwenden, was in der Praxis das Finanzamt übernimmt oder eine Steuersoftware.
Zur Vereinfachung kann man sich aber merken:
- Nur der Teil über 277.826 € wird mit 45 Prozent belegt.
- Davor greift maximal der Spitzensteuersatz von 42 Prozent.
Das Beispiel zeigt: Auch bei sehr hohem Einkommen wird nicht der komplette Betrag mit 45 Prozent besteuert – sondern nur der Teil oberhalb der Grenze. Das ist ein zentrales Merkmal des progressiven Steuertarifs in Deutschland.
Wer zahlt die Reichensteuer tatsächlich?
Tatsächlich zahlen nur sehr wenige Steuerpflichtige in Deutschland die Reichensteuer. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion aus dem Jahr 2025 waren im Jahr 2020 68.242 Personen bei Einzelveranlagung und 64.728 Personen bei Zusammenveranlagung betroffen. Das heißt: Knapp 133.000 Steuerpflichtige überschritten die jeweilige Einkommensgrenze von 277.826 Euro (Einzelveranlagung) beziehungsweise 555.652 Euro (Zusammenveranlagung) und unterlagen damit dem Höchststeuersatz von 45 Prozent.
Setzt man diese Zahl ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Einkommensteuerzahler, die sich laut IW bei mehr als 46 Millionen Menschen liegen, ergibt sich ein klareres Bild: Nur etwa 0,29 Prozent aller Personen, die überhaupt Einkommensteuer zahlen, erreichen ein zu versteuerndes Einkommen von über 277.826 Euro oder die 555.652 Euro für Ehepaare, ab denen der Höchststeuersatz greift.
Wer ihn zahlt, verfügt in der Regel über ein Bruttojahreseinkommen deutlich jenseits der 300.000-Euro-Marke, häufig ergänzt durch Einkünfte aus Kapitalvermögen oder Vermietung. Damit ist die Reichensteuer kein Massenphänomen, sondern eine gezielte Belastung der oberen 0,3 Prozent der Einkommensteuerpflichtigen.
Wird die Reichensteuer in Zukunft erhöht?
Könnte es sein, dass die Reichensteuer in Deutschland in naher Zukunft noch einmal erhöht wird? Tatsächlich gibt es auf diese Frage noch keine abschließende Antwort. Immer wieder mehren sich politische Stimmen, die genau das fordern. Konkrete Gesetzesinitiativen gibt es bislang nicht, aber aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom Februar 2025 geht hervor, dass eine Erhöhung des Höchststeuersatzes große fiskalische Auswirkungen hätte.
So heißt es dort: Würde der derzeitige Höchststeuersatz von 45 Prozent auf 48 Prozent steigen, ergäben sich für den Staat zusätzliche Steuereinnahmen von etwa drei Milliarden Euro jährlich.
Klar ist schon jetzt allerdings, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine große Steuerreform plant. Und mit dieser sollen eher Steuererleichterungen kommen. Diese könnten für Rentner aber auch für Menschen mit Kindern gelten.
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