Die Liberalen kämpfen mit Blick auf die Landtagswahl 2026 ums Überleben. In Donaueschingen zurrte der Landesverband nun das Wahlprogramm fest. FDP-Landeschef Hans-Ulrich Rülke spricht diesmal von der «Mutter aller Wahlen» – jener Abstimmung, die über Sein oder Nichtsein seiner Partei entscheide. Ganz unrecht hat er damit wohl nicht. Die Partei will mit radikalen Vorschlägen Wähler an die Urne locken.
Warum ist die nächste Landtagswahl für die FDP so wichtig?
Weil die Liberalen im Südwesten zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik aus dem Landtag fliegen könnten – und noch dazu in ihrem Stammland Baden-Württemberg. Bei der Landtagswahl 2021 kam die FDP noch auf 10,5 Prozent. Nach dem Bruch der Ampelkoalition in Berlin im November 2024 hat sich diese Zahl halbiert.
In Umfragen liegen die Liberalen im Land seit Monaten bei rund fünf Prozent und damit noch hinter den Linken, die im kommenden Frühjahr erstmals in den Landtag einziehen könnten. Die Südwest-FDP ist der einzige liberale Landesverband, der noch nie an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist. «Wenn die FDP das in diesem Land nicht schafft, wird keiner glauben, dass sie irgendwo noch die fünf Prozent überspringen kann», sagt Rülke.
Wie wollen sich die Freien Demokraten das Überleben sichern?
Sie setzen zunächst auf Personalisierung: Der Wahlkampf wird ganz auf den Spitzenkandidaten Rülke zugeschnitten. Der dominiert seit geraumer Zeit nicht mehr nur als Fraktionschef die Oppositionsarbeit der Liberalen im Landtag, sondern seit ein paar Monaten auch als Parteichef die Belange des Landesverbands.
Auch wenn sehr viele Menschen Rülke nicht kennen dürften, ist er doch noch das mit Abstand bekannteste Gesicht, das die FDP im Südwesten zu bieten hat. Schließlich hat der 64-Jährige schon ein paar Jahre politisches Geschäft auf dem Buckel. Seit 40 Jahren ist er in der FDP, seit 2006, also fast 20 Jahre, sitzt der Pforzheimer im Landtag. Sein großes Ziel: ein Superministerium, das für Wirtschaft, Energie und Infrastruktur zuständig ist.
Auf welche inhaltlichen Schwerpunkte setzen die Liberalen?
Kernthemen der FDP sind Wirtschaft und Entbürokratisierung. Im Zentrum steht eine radikale Verwaltungsreform. Alle Regionalverbände und Regierungspräsidien sollen nach Vorstellung der Liberalen abgeschafft werden, die Landesbauordnung soll ausgesetzt werden.
Außerdem sollen Berichts- und Dokumentationspflichten für kleine Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern ausgesetzt werden. «Wir wollen dem Staat verbieten, die Bürger und Unternehmen das zu fragen, was der Staat schon weiß», sagt Rülke. «Wenn's irgendwem in Brüssel oder Berlin nicht passt, soll er halt klagen, aber dann wird das Thema wenigstens mal bekannt in diesem Land.» Dahinter steht auch das Kalkül, dass die AfD unter Mittelständlern und Handwerkern im Land immer mehr Zuspruch gewinnt.
Wie will die FDP mit den politischen Kontrahenten umgehen?
Auch wenn Rülke häufig auf den Grünen herumhackt: Erklärter Hauptgegner der Partei ist die AfD. Wichtigstes Ziel für seine Partei sei es, dass keine Radikalen in Baden-Württemberg regierten, sagt er. Um eine Regierungsbeteiligung von AfD oder Linken zu verhindern, sei er auch bereit, mit den Grünen zu koalieren.
Rülke macht aber keinen Hehl daraus, dass er ein Bündnis mit der CDU unter Landeschef Manuel Hagel anstrebt – und auch mit der SPD, weil es allein mit der Union nicht reichen dürfte für eine absolute Mehrheit im Landtag. Sollte es zu Beginn 2026 in Umfragen reichen für eine solche Deutschlandkoalition, will er sich öffentlich gegen ein Bündnis mit den Grünen aussprechen. Bis dahin hält er sich das offen.
Auch in Donaueschingen geht er auf Schmusekurs zur CDU. Die FDP wolle Brücken bauen zu möglichen Koalitions- und Kooperationspartnern, um eine Landesregierung zusammenzubringen, die auch gemeinsame Inhalte umsetzen könne. Man wolle die Dinge besser machen als die gescheiterte Ampelregierung und die schwarz-rote Regierung in Berlin.
Auch CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel hatte sich für die Abschaffung von Verwaltungsebenen ausgesprochen und setzt sich wie Rülke für ein Aus des EU-weiten Verbrennerverbots ab 2035 ein.
Welche Themen hat die FDP noch auf Lager?
Die Liberalen werben für das mehrgliedrige Schulsystem und den Erhalt der Werkrealschulen. Die Realschule nennt Rülke in Donaueschingen die «zentrale Schulform für das wirtschaftliche Rückgrat unseres Landes» und wichtig für die duale Ausbildung. Den Grünen wirft er vor, die Realschule in der Gemeinschaftsschule aufgehen lassen zu wollen. «Wir brauchen nicht die grüne Ideologie von der einen Schule für alle.»
Außerdem pochen die Liberalen auf ein Aus für das EU-Verbrennerverbot und eine Zukunft für die Kernenergie durch neue Technologien.
Was passiert, wenn es für die FDP 2026 nicht reichen sollte?
Geht die FDP in die außerparlamentarische Opposition, ist die Zukunft des Landesverbands ungewiss. Die politische Zukunft von Rülke wäre dann jedenfalls besiegelt. Er trage die Verantwortung für den Wahlkampf, stellt er bereits jetzt klar – und kündigt an: «Für den Fall, dass ich es nicht schaffe, die FDP in Landtag zu führen, ist meine politische Karriere beendet.»


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