Das Tempolimit auf Autobahnen ist seit Jahrzehnten ein Streitthema, das kontrovers und teils emotional diskutiert wird. Nun könnte die Diskussion noch mehr Fahrt aufnehmen. Ein Forscherteam der Ruhr-Universität Bochum hat sich mit der Frage beschäftigt, wie viele Menschenleben ein Tempolimit retten könnte. Die Erkenntnisse stärken vor allem die Argumente von Personen, die ein Tempolimit fordern.
Studie: Tempolimit von 120 km/h könnte 58 Menschen im Jahr das Leben retten
Deutschland geht rund um die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen einen Sonderweg. Auf den meisten Strecken gilt kein Tempolimit, sondern eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h, wie der ADAC aufklärt. In den meisten anderen europäischen Ländern ist das anders. In Österreich und Italien gilt beispielsweise ein generelles Tempolimit von 130 km/h, in der Schweiz liegt dieses bei 120 km/h. Genau mit diesen 120 km/h hat sich nun ein Team um die Ökonomin Maike Metz-Peeters von der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt. Sie forschten rund um die Fragestellung: Wie könnte ein Tempolimit von 120 km/h auf deutschen Autobahnen die Unfallstatistik und die Statistik der Todesfälle im Straßenverkehr verändern?
Die Erkenntnisse der Studie, die in der Fachzeitschrift Transportation Research Part A: Policy and Practice veröffentlicht wurde, sind aufregend: Mit einem flächendeckenden Tempo 120 gäbe es laut der Untersuchung 26 Prozent weniger Unfälle mit Schwerverletzten. Außerdem würde es 35 Prozent weniger Verkehrstote geben. In absoluten Zahlen ergeben sich die folgenden Werte, die sich auf ein Jahr beziehen.
- 58 Todesopfer weniger
- 904 Schwerverletzte weniger
- 1375 Leichtverletzte weniger
- 120 Millionen Euro geringere Unfallkosten
Besonders effektiv wäre ein flächendeckendes Tempolimit von 120 km/h auf deutschen Autobahnen offenbar auf wenig befahrenen Streckenabschnitten und an Ein- und Ausfahrten.
Auch interessant: Ein Autofahrer wurde mit 700 km/h geblitzt, wofür ein Messfehler verantwortlich war. Blitzer-Apps dürfen auch nicht von Beifahrern benutzt werden. Und eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass E-Autos nicht schonend gefahren werden sollten, um die Reichweite zu erhöhen.
Tempolimit-Studie könnte jahrzehntelange Wissenslücke schließen
Metz-Peeters hatte für die Studie zusammen mit ihrem Team einen Datensatz zusammengestellt, der etwa die Hälfte des Autobahnnetzes umfasst, welches in Deutschland zwischen den Jahren 2017 und 2019 bestand. Durch einen Algorithmus wurde in der Folge analysiert, wie viele ähnliche Unfälle auf Streckenabschnitten ohne und mit Tempolimit auftraten. Faktoren wie das Wetter, das Verkehrsaufkommen und die Zustände der Straßen wurden berücksichtigt.
Die Ergebnisse sind eindrucksvoll – und scheinen eine Wissenslücke zu schließen, die über Jahrzehnte bestand. Tempolimit-Studien der letzten Jahre konzentrierten sich vor allem auf den Effekt auf die Umwelt. Die jüngste systematische Erhebung in der Richtung, in die die aktuelle Untersuchung geht, hätte es vor fast 50 Jahren gegeben, heißt es in der Studie. Damals sei die Bundesanstalt für Straßenwesen zu dem Schluss gekommen, dass ein Tempolimit von 130 km/h zu 20 Prozent weniger Unfallopfern führen würde. Zu einer Veränderung der Regelung führte die damalige Studie nicht.
Inwieweit die aktuelle Studie ein Umdenken in der Politik herbeiführen könnte, bleibt unklar. Studienautorin Metz-Peeters macht deutlich, dass das Ergebnis den Empfehlungen widersprechen würde, dass Tempolimits nur flexibel und in Phasen mit niedrigem Verkehrsvorkommen eingesetzt werden sollten. „Da die geschätzten Unterschiede jedoch nur teilweise statistisch signifikant sind, sollte diesen Hinweisen in weiteren Studien nachgegangen werden“, räumt Metz-Peeters ein. Zudem sei es schwer vorherzusagen, „ob sich die Ergebnisse auf ein generelles Tempolimit im gesamten Autobahnnetz übertragen lassen“.
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