Steigen wir doch direkt am Anfang ein: Welche Aufgaben hat das „Grüne Büro“?
Katharina Gänger: Zu unseren Tätigkeiten im „Grünen Büro“ zählen vor allem die Betriebsbesuche. Wir fahren direkt zu den landwirtschaftlichen Betrieben, die uns beliefern und schauen uns die Bedingungen vor Ort genau an. Das ist eine wichtige Basis, um Vertrauen bei unseren Kunden zu schaffen. Man muss dazu erwähnen, dass die Betriebe zusätzlich von unabhängiger Stelle auditiert werden. Zu allen unseren Lieferanten kommen somit externe Zertifizierungsstellen, oft unangekündigt, auf die Höfe.
Maxi Karpeles: Die Erzeuger-Betriebe, die unser Markenprogramm für mehr Tierschutz „Hofglück“ beliefern, durchlaufen beispielsweise unabhängig von unseren Besuchen mindestens zwei unangekündigte Audits pro Jahr. Wir beurteilen vor Ort, ob die Betriebe unsere Vorgaben erfüllen. Außerdem sehen wir uns Betriebe an, die in das Programm neu aufgenommen werden möchten. Wenn wir schweinehaltende Landwirte besuchen, planen wir bis zu drei Stunden pro Betrieb ein, für ein Vorgespräch und die Stallbesichtigung, um zu schauen wie es den Tieren geht. Wir prüfen, ob es Verbesserungsbedarf gibt und geben Tipps zum Umgang mit den Tieren. Wichtig ist, dass die Landwirte ihre Tiere im Blick haben und rechtzeitig reagieren, wenn z.B. ein Tier erkrankt oder sich verletzt.
Annukka Gehring: Wichtig ist uns, die Betriebe in Sachen Tierwohl voranzubringen und damit aktiv Tierschutz zu leisten. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit bringt uns dabei gut voran, das zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre.
Katharina Gänger: Neben den Betriebsbesuchen sind wir auch ständig dabei unsere verschiedenen Markenprogramme hinsichtlich des Tierwohls weiterzuentwickeln und neue Programme auf- oder auszubauen. So können wir seit diesem Jahr unter der Marke „Hofglück“ auch Geflügel anbieten.
Könnt Ihr mir noch ein bisschen mehr über diese Betriebsbesuche erzählen?
Maxi Karpeles: Tierhaltung muss in der Praxis einfach gut umgesetzt werden. Dies ist für uns ein sehr wichtiges Anliegen. Bei unseren Betriebsbesichtigungen schauen wir uns die Tiere an und bewerten sogenannte Tierschutzindikatoren. Dabei können wir anhand verschiedener Parameter sehen, wie es Rind, Schwein, Huhn und Co. geht. Sehen wir Verbesserungsbedarf auf dem Hof, dann sprechen wir mit den Landwirten, um gemeinsam Lösungen zur Verbesserung der Haltung zu finden.
Wie viel Zeit verbringt Ihr in einer Woche auf den Betrieben?
Katharina Gänger: Pro Woche sind wir ungefähr an drei von fünf Tagen in den Betrieben. Am Tag sehen wir drei Höfe. Es kommt aber natürlich immer darauf an, wie groß die landwirtschaftlichen Betriebe sind und wo sie liegen. Ein weiteres Thema sind die Schlachthöfe. Auch diese sehen wir uns an. Pro Schlachthof benötigen wir mindestens vier Stunden.

Haben die Landwirte die Befürchtung, dass es ein negatives Licht auf sie wirft, wenn sie nach Rat oder Hilfe suchen müssen?
Katharina Gänger: Wir erleben, dass die Landwirte sehr dankbar sind, dass sie uns als Ansprechpartnerinnen haben. Wir lernen gemeinsam, auch was den Umgang miteinander angeht. Für uns ist die offene Kommunikation eine wichtige Voraussetzung für ein vertrauensvolles Miteinander und eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Die Verantwortlichen in den Betrieben sehen: So können wir gemeinsam an Lösungen arbeiten.
Gibt es ein Beispiel, wie Ihr mit Offenheit vorangeht? Bezieht Ihr die Kunden mit ein?
Annukka Gehring: Offenheit leben wir z.B. seit der Eröffnung unseres Betriebs in Rheinstetten im Jahr 2011 in Form einer gläsernen Produktion. Wir lassen die Besucher hinter die Kulissen schauen, um zu zeigen, wie wir hochwertige Fleisch- und Wurstwaren herstellen.
Edeka Südwest setzt im Bereich Fleisch auf sogenannte Markenprogramme. Was könnt ihr mir darüber sagen?
Katharina Gänger: Die Marken zeichnen sich durch Mehrwerte wie Regionalität und tiergerechtere Haltung aus. Das macht es unseren Kunden einfacher, sich beim Kauf zu orientieren. Im Bereich Schweinefleisch haben wir neben den beiden größten Programmen „Gutfleisch“ und „Hofglück“ zusätzlich verschiedene Bioprogramme. Zudem haben wir gerade „Hofglück Geflügel“ aufgebaut. Im Bereich Rindfleisch sind wir mit unserem „Schwarzwald Bio-Weiderind“ sowie mit Kalbfleisch in Demeter-Qualität aus kuhgebundener Aufzucht sehr erfolgreich. Speziell diesen Bereich wollen wir in den kommenden Jahren besonders weiterentwickeln. Aber auch kleinere Regionalprogramme, wie Glanrind oder Württemberger Lamm, werden von unseren Kunden gut angenommen.
Für sämtliche Programme macht Ihr Vorgaben: Habt Ihr konkrete Beispiele dazu?
Annukka Gehring: Wir haben das Tierwohl im Blick, sei es bei der Geburt, der Aufzucht, dem Transport oder der der Schlachtung. Ein Augenmerk legen wir zudem auf die Verarbeitung. Für jeden dieser Bereich haben wir Anforderungen formuliert.
Maxi Karpeles: Nehmen Sie die die Transporte. Da ist es uns wichtig, dass die so kurz wie möglich sind, um die Belastung für die Tiere so gering wie möglich zu halten. Wir setzen deshalb besonders auf regionale Erzeugung und Schlachtung, was auch der Umwelt zugutekommt. Im „Hofglück“-Programm suchen wir unsere teilnehmenden Betriebe z.B. auch nach dem Standort der Schlachthöfe aus.

Annukka Gehring: Betriebe im Gutfleischprogramm müssen Mitglied bei der Initiative Tierwohl sein, sie müssen mehr Platz, Raufutter und Beschäftigungsmaterial bieten und werden engmaschiger kontrolliert. Für den Mehraufwand und die Einhaltung unserer Anforderungen bekommen die Landwirte einen Preisaufschlag. Und eine Stufe darüber ist unser „Hofglück“-Programm im Schweinebereich, das gibt es seit 2013 und hieß damals noch Sternefleisch, seit 2015 dann „Hofglück“.
Maxi Karpeles: Bei dem „Hofglück“-Programm arbeiten wir eng mit dem Deutschen Tierschutzbund zusammen, wir nutzen die Richtlinien des „Tierschutzlabels“ in der Premiumstufe als Standardgeber und haben weitere eigene Anforderungen formuliert. Vorgaben des „Tierschutzlabels“ sind unter anderem für Schweine: Stroheinstreu, Auslauf, Verbot des Schwänze-Kupierens, doppelt so viel Platz wie gesetzlich vorgeschrieben, Gentechnikfreiheit und vieles mehr. Bei der Fütterung gehen wir für „Hofglück“ noch weiter und schreiben zusätzlich „Donau Soja“/ „Europe Soya“-zertifiziertes Futter vor, wenn Soja als Futtermittel eingesetzt wird. Damit wird stark darauf geachtet, dass die Futtermittel nicht aus Ländern wie zum Beispiel Brasilien kommen. Die dortige Abholzung des Regenwalds sehen wir kritisch. Weiter schreiben wir vor, dass mindestens 51 Prozent des Futters durch die Betriebe selbst oder in Kooperation erzeugt wird. „Hofglück“ ist demnach Bio sehr ähnlich.
Katharina Gänger: Dann sind natürlich noch unsere Bioland- und Demeter-Betriebe zu nennen, mit denen wir auch direkte Verträge schließen und die nach den strengen Bio-Verbandsrichtlinien produzieren. Dies bedeutet, dass nicht nur die Tiere unter tiergerechteren Haltungsbedingungen gehalten werden, sondern der gesamte Betrieb in einer nachhaltigeren und biologischen „Kreislaufwirtschaft“ betrieben wird.
Für die Erzeuger bedeuten solche Auflagen doch gleichzeitig auch höhere Kosten. Wie schafft Ihr da einen Ausgleich für Eure Lieferanten?
Annukka Gehring: Nehmen Sie das Beispiel „Gutfleisch“. Hier steht die Regionalität im Vordergrund. Wir arbeiten eng mit Erzeugergemeinschaften im Südwesten zusammen, welche die schweinehaltenden Betriebe für uns bündeln. Damit unterstützen wir die heimische Landwirtschaft – und das mittlerweile schon seit 18 Jahren! Eine Abnahmegarantie und langfristige Verträge geben den Landwirten Planungssicherheit.
Katharina Gänger: Regional heißt bei „Gutfleisch“, dass die Ferkel aus den Bundesländern unseres Absatzgebietes kommen, nicht aus den Niederlanden oder Dänemark, wie oft üblich. Geburt und Aufzucht der Ferkel, die Mast, Schlachtung und Verarbeitung erfolgen hier bei uns in der Region.
Die langfristigen Verträge mit Abnahmegarantien sind überhaupt nicht üblich in der Branche. Wir zählen zu den wenigen, die solche Zusagen machen. Man kann sich vorstellen, wie wichtig eine solche Planungssicherheit für die Betriebe ist. Edeka war und ist ein Vorreiter was diese langen Vertragslaufzeiten angeht.
Ihr habt gerade schon das Thema Schlachtung angesprochen, könnt ihr darauf genauer eingehen?
Maxi Karpeles: Das ist für mich eine der wichtigsten und sensibelsten Bereiche. Hier kann ein bedeutender Beitrag zu mehr Tierschutz geleistet werden. Als Verarbeiter tierischer Produkte sind wir hier in der moralischen Verantwortung. Diese nehmen wir sehr ernst. Wenn wir hier z.B. bei unseren Besuchen der Schlachthöfe Verbesserungspotenzial sehen, sprechen wir dies direkt an.
Ihr macht auch Forschungsprojekte, was könnt Ihr mir darüber erzählen?
Annukka Gehring: Wir sind regelmäßig an Forschungsprojekten beteiligt, das ist richtig. Wir arbeiten dabei direkt mit verschiedenen Forschungsinstituten und Lehrstühlen zusammen. Es geht dabei unter anderem um Fragestellungen zu bestimmten Haltungsformen, zum Stallbau und zur Fütterung. Oft sind wir nicht bloß Projektmitglied, sondern stoßen selbst aktiv neue Projekte an. Im Bereich Stallbau haben wir zum Beispiel gemeinsam mit einigen schweinehaltenden Landwirten untersucht, wie artgerechtere Schweineställe gebaut und in der Praxis umgesetzt werden können. Es haben viele Nachwuchslandwirte aus unserem „Hofglück“-Programm teilgenommen und unmittelbar profitieren können. Deswegen machen wir solche Projekte sehr gerne.
Wir haben jetzt schon viel über Schweinefleisch geredet, was gibt es diesbezüglich zum Geflügel zu sagen?
Katharina Gänger: Auch im Geflügelbereich bauen wir im Moment mit „Hofglück-Geflügel“ ein regionales Tierwohl-Programm auf. Wir möchten unseren Kunden die Möglichkeit bieten auch im Bereich Geflügel auf regionales Geflügelfleisch aus einer tiergerechteren Haltung zurückgreifen zu können. Für die Masthühnerhaltung heißt dies konkret: langsam wachsende Rassen, geringere Tierzahlen, ein deutlich höheres Platzangebot, Sitzstangen und Beschäftigungsmaterial sowie einen „Wintergarten“ für die Hühner und einen großen Grünauslauf. Ich freue mich sehr über den Start dieses Programms und hoffe, dass wir künftig viele weitere Betriebe dafür begeistern können ihre Tiere nach diesen Richtlinien zu halten.
Wie wäre es mit einem Fazit?
Maxi Karpeles: Wir bieten mit unseren Produkten ein Angebot, das aus tiergerechterer Haltung stammt. Der Kunde muss nur zu den richtigen Produkten greifen – für alle eine „Win-Win“-Situation. Mich macht es persönlich sehr stolz hier etwas bewegen zu können.
Katharina Gänger: Wir würden uns wünschen, dass das Verbraucherbewusstsein und die Wertschätzung nachhaltigerer und tierschutzgerechterer Produkte noch weiter zunehmen. Wir brauchen die regionalen Betriebe und wir brauchen die Sicherheit für die Landwirte. Mit jedem Kauf, den man macht, trifft man eine bewusste Entscheidung und je mehr Kunden sich für die Tierwohlprodukte entscheiden, desto mehr Tiere können unter diesen Haltungsbedingungen aufgezogen werden.