Sechs Wochen dauerte die 8.800 Kilometer lange Reise des beeindruckenden Edelstahlbehälters aus dem bayrischen Deggendorf ins Badische. Wegen der Größe des Spektrometers mit einer Länge von 24 Metern, einem Durchmesser von zehn Metern und einem Gewicht von 200 Tonnen kam der Landweg für die Reise nicht in Frage. Per Schiff wurde es die Donau abwärts ins Schwarze Meer befördert. Von dort ging es per Hochseeschiff über Bosporus, Ägäis, Ionisches Meer, Mittelmeer, Atlantik und Nordsee nach Antwerpen. Auch ein Sturm im Marmarameer hielt KATRIN nicht auf, lediglich die Schutzhülle wurde von den Edelstahlwänden gerissen. In Antwerpen wurde es erneut umgeladen, um nach Eggenstein-Leopoldshafen verschifft zu werden.
300 Tonnen in Bewegung
KATRIN auf dem Weg nach Leopoldshafen (Foto: ka-news) |
Am vergangenen Freitag traf das Schiff nach 6 Wochen Reise ein, Samstagmorgen gegen 8 Uhr wurde mit der Verladung auf einen speziellen Tieflader begonnen. Das Gefährt besteht aus zwei 14-achsigen Fahrzeugen, die Seite an Seite und ferngesteuert die 200 Tonnen Last zentimetergenau durch den engen Ortskern von Leopoldshafen manövrierten. An der Umladung selbst war ein weiterer mechanischer Riese beteiligt: Europas größter Autokran, der die wertvolle Fracht vom Schiff langsam auf den Tieflader hob. Transport und Hauptspektrometer kosteten etwa 6 Millionen Euro, insgesamt liegen die Kosten für das Neutrino-Experiment am FZK bei 33 Millionen Euro.
Gegen Mittag setzte sich der nun insgesamt 300 Tonnen schwere Transport mit einer gemächlichen Reisegeschwindigkeit von 3 bis 6 Stundenkilometer und einer leichten Verspätung in Bewegung. Begleitet wurde er dabei von einem sich ständig vor ihm herschiebenden Tross aus Schaulustigen, Fotografen und Kamerateams. Die gut 100 Einsatzkräfte der Polizei hatten alle Hände voll zu tun, den Schwertransport abzusichern. Eng wurde es einige Male.
Presse und Schaulustige säumten die Strecke (Foto: ka-news) |
An vielen Stellen trennten nur wenige Zentimeter die Außenhülle des riesigen Edelstahltanks von den Regenrinnen oder Hauswänden der umstehenden Gebäude. Häufig musste der Fahrer an seiner Fernsteuerung die Geschwindigkeit noch erheblich drosseln oder zurücksetzen, um die Kollision mit einem Baum zu verhindern.
Mit skeptischem Blick verfolgen einige Bewohner den Transport, wie er an den Häusern vorbei zieht (Foto: ka-news) |
Bereits im Vorfeld hatten die Organisatoren des Transports die Überquerung der B36 als Nadelöhr ausgemacht. Ampeln und Schildern mussten hier umgelegt werden, um eine freie Fahrt zu ermöglichen. Kurzzeitig musste auch eine 380.000 Volt-Leitung der EnBW abgeschaltet werden. Der Sicherheitsabstand zwischen Stromleitung und Transportgut unterschritt die kritische Drei-Meter-Marke. Scherzen, auch hier könne es zu großflächigen Stromausfällen wie vor wenigen Wochen beim Konkurrenten E.ON, widersprach man bei der EnBW schnell und vorauseilend. Da der Tank samt Transporter für die Brücke über die Bundesstraße zu schwer war, musste man den Weg direkt über die B36 nehmen. Auch hier gelang das Manöver reibungslos. Entsprechend erleichtert zeigten sich die Verantwortlichen, als der zeppelinähnlich anmutende Tank am Samstag gegen 16.30 Uhr die Tore des FZK passierte.
Häufig wurde es so eng wie hier (Foto: ka-news) |
Zweck des KATRIN-Experiments ist es, eines der großen Rätsel des Universums zu lösen: die Bestimmung der Neutrino-Masse, eines der "scheuesten" Elementarteilchen überhaupt. Es geht um nicht weniger als die Schließung einer Lücke im physikalischen Standardmodell, mit dem Wissenschaftler versuchen, das grundlegende Wesen des Universums zu erklären. Bereits jetzt arbeiten schon etwa 100 Wissenschaftler, Techniker und Studenten an dem Großexperiment. Fünf Nationen und 15 Institute sind darin involviert. Professor Johannes Blümer, Programmleiter "Struktur und Materie" am FZK erklärt nicht ohne Stolz: "Dieses Experiment in seiner Komplexität ist nur hier möglich." Und Professor Guido Drexlin, KATRIN-Projektleiter, fügt hinzu: "Weltweit gibt es keine vergleichbaren Anlagen in dieser Kombination."
Ein bisschen gedulden müssen sich die Wissenschaftler jedoch noch. Nachdem der KATRIN-Tank am 29. November in die eigens dafür gebaute Halle eingesetzt wurde, braucht es noch bis 2008, bis mit den ersten Messungen begonnen werden kann. 2015 sollen die Messergebnisse der genauesten "Waage" überhaupt dann vorliegen.