Digitalisierung in der Bildung beinhaltet das große Versprechen, dass Zugangshürden gesenkt werden: Zeit und Raum sollen keine Rolle mehr spielen; Bildungsangebote für alle zugänglich sein - und nicht mehr nur der Elite vorenthalten. Dieses Versprechen konnte bislang nur zum Teil eingelöst werden: Lehrende und Lernende bewegen sich in der Welt der digitalisierten Bildung nur langsam aufeinander zu - beide Seiten müssen sich noch einer gemeinsamen Dramaturgie zusammenfinden.
Denken in Info-Happen
Am 27. Juni diskutierten Referenten aus Industrie, Bildung und Wissenschaft mit dem Publikum beim 6. #digiTALk in der Karlshochschule über die Herausforderung von Bildung in einer digitalen Welt. Es referierten Stephan Jansen (Dozent an der Karlshochschule), Ute Klingehöfer (freie Beraterin, Dozentin, Inhaberin von contentwerk), Sebastian Hennig (betreut innerhalb der Siemens Professional Education die technischen dualen Studienprogramme am Standort Karlsruhe) und Björn Bohnenkamp (Professor an der Karlshochschule).
Professor Stephan Jansen lehrt an der Karlshochschule und weiß um die Herausforderungen der digitalen Bildung: Die Gesellschaft ist an komprimiertes Wissen gewöhnt - "es wird nicht mehr komplex gedacht, sondern in Häppchen", sagt Jansen. Langen Argumenten folgen, so Jansens Feststellung, sei ein Kompetenz, die künftig wieder stärker gelernt werden müsse.
Wenn der Mensch nun an Info-Häppchen gewohnt ist, muss auch die Aufbereitung der Lehrinhalte angepasst werden, um sie für jeden zugänglich und verständlich zu machen. "Es braucht eine andere Form der Dramatisierung", so Jansen. Dazu gehöre nicht das Ablesen der Vorlesung ("das ist noch schlimmer als sie zu erleben"), sondern das Schaffen von erinnerbaren Bildungsmomenten - das Schaffen von Bindung und Emotionen.
Hybrides Lernen: Online und Präsenz
Eine Voraussetzung, die Ute Klingelhöfer nach Erfahrungen aus ihren Online-Seminaren an der Universität in Konstanz bestätigen kann. Reine Online-Seminare funktionieren bei Studenten nicht - eine gewisse Präsenz ist erforderlich: Zum einen aus organisatorischen Gründen wie Überprüfung der Anwesenheit, zum anderen zur Schaffung eines Zusammengehörigkeitsgefühls. Sie hat sich daher für hybride Formate entschieden: Präsenz und Online.
Mehr Auswahl bei Weiterbildung in Firmen
"Gerade für die Vorstellungsrunde der Teilnehmer hat sich die Präsenz als Vorteil erwiesen"; so Klingelhöfer, "dies ist online viel aufwändiger." Weitere Hürden, die es bei einem reinen Online-Seminar zu nehmen galt, waren die Ausblendung von Hintergrundgeräuschen, die Organisation von Gruppenarbeiten aber auch die Verständnisprüfung der Seminarteilnehmer ohne gestische oder mimische Rückmeldung wie im klassischen Hörsaal.
Wie Bildung im Arbeitsalltag aussehen kann, demonstriert Sebastian Hennig von Siemens: Er zeigt in seinem Vortrag wie moderne Medien eingesetzt werden können, um Lehre zu unterstützen. Ein Aspekt dahinter: Wissen über einen langen Zeitraum sicherzustellen, beispielsweise bei der Betreuung von Siemens-Anlagen. Unterschiedliche Formate sollen die Mitarbeiter je nach Abteilungsbedürfnissen schulen: Von notwendig zu absolvierenden Sicherheitsunterweisungen bis zum freiwilligen Business-Englisch-Zertifikat hält die online Wissensdatenbank von Siemens die entsprechenden Programme bereit.
"Wir müssen weg vom Effizienzdenken"
"Und wie ist das mit dem Zeitbudget?", will ein Zuschauer wissen, "wird die Fortbildungszeit von der Firma zur Verfügung gestellt?" Nicht immer, lautet die ehrliche Antwort. "Einige Schulungen finden natürlich in der Arbeitszeit statt", so Hennig, "mit lebenslangen Lernen muss ich mich aber auch privat beschäftigten, um nicht abgehängt zu werden."
Doch wie soll digitale Bildung gefördert werden? Reicht intrinisische Motivation oder bedarf es Belohnungssysteme? Vor allem müssen sich die Bildungsangebote an die unterschiedlichen Lerntypen anpassen, so ein Ergebnis der Diskussionsrunde. "Wir verfallen nicht von einer Monokultur des Lernens in eine andere", so Björn Bohnenkamp, welcher stellvertretend für Stephan Jansen auf dem Podium sitzt. Die künftige Strategie der digitalen Bildung wird sein, in einer Kombination aus digitalen Lernmaterialien ein Spektrum an Tools für unterschiedliche Lerntypen zu eröffnen.
Dies bedeutet aber auch, dass Strukturen - in der Schule und an Universitäten - geändert werden müssen. Die Schule muss es schaffen, Begeisterung für das Lernen an sich zu vermitteln, so Bohnenkamp. "Weg vom Effizienzdenken (brauche ich Folie 17 für die Prüfung?), hin zum Grundgedanken, dass Bildung per se etwas Großartiges ist."
Die Veranstaltungsreihe #digiTALK ist eine Plattform für digitale Gesellschaft und Netzkultur in Karlsruhe und wird als Gemeinschaftsprojekt von Stadtmarketing Karlsruhe GmbH, Karlshochschule, ka-news und dem Contentwerk organisiert. Der nächste #digiTALK findet im Oktober zum Thema Fake-News statt. Der genaue Termin wird noch bekanntgegeben. Wer nicht dabei sein kann: Getwittert wird wie immer unter dem Hashtag #digitalkka.
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