Karlsruhe Zweite Rheinbrücke spaltet Karlsruhe: ka-news erklärt warum
Eine Brücke spaltet die Stadt: Seit Jahren wird über den Bau einer zusätzlichen Rheinbrücke zwischen Karlsruhe und Wörth und damit zwischen den Bundesländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz diskutiert. Parteien, Organisationen und Umweltverbände streiten vehement über das Konstrukt. ka-news beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem umstrittenen Projekt.
Was leistet die bestehende Brücke?
Die bestehende Rheinbrücke Karlsruhe-Maxau ist die einzige Ost-West-Verbindung für den Wirtschaftsraum Südpfalz, Mittlerer Oberrhein und Nordelsass. Weitere Rheinquerungen befinden sich erst in etwa 25 Kilometern Fluss auf- und abwärts. Täglich überqueren etwa 80.000 Fahrzeuge die Brücke. Sie wurde 1966 im Zuge der B10 gebaut. Die Tragseil-Brücke besteht aus zwei Fahrbahnen mit einer Breite von je 11,25 Meter.
Reicht eine Rheinbrücke etwa nicht aus?
Laut Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) nicht. Das RP geht von steigenden Verkehrszahlen aus. Die Planer beziehen sich auf ein Gutachten, dass im Jahr 2025 von täglich bis zu 100.000 Fahrzeugen auf der Brücke ausgeht. Als die Brücke im Jahr 1966 erstmalig für den Verkehr freigegeben wurde, sei diese hohe Belastung nicht absehbar gewesen. Die Planer gingen damals von 32.000 Fahrzeugen aus. Die Wichtigkeit einer zusätzlichen Brücke wird mit der "Bewältigung der anhaltenden Verkehrszuwächse auf der bestehenden Rheinbrücke" begründet.
Wie lange hält die bestehende Brücke der Belastung noch stand?
Das hohe Verkehrsaufkommen nage an der Substanz des Konstrukts, so dass die Brücke schon 2015 an ihr Lebensende kommen könnte, heißt es im Erläuterungsbericht des Regierungspräsidiums Karlsruhe (RP). Umfangreiche Sanierungsmaßnahmen seien daher bald erforderlich. Hierfür müsste die Brücke vermutlich vollständig gesperrt werden. Dadurch drohe nach Ansicht der Befürworter ein Verkehrskollaps in der Region. Denn die Brücke sichere die Lebensaderfür den wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Austausch der Menschen. Für den Wirtschaftsraum sei daher ein zweiter Rheinübergang dringend erforderlich.
Stimmt es, dass zwei Verkehrsgutachten zu unterschiedlichen Ergebnissen führten?
Ja. Grundlage für die aktuelle Planung bildet eine Untersuchung des Büros Modus Consult. Diese geht im Jahr 2025 von einem Verkehrsaufkommen auf der Brücke von etwa 100.000 Fahrzeuge täglich aus. Laut einem von der Stadt Karlsruhe in Auftrag gegebenen Gutachten von der Firma PTV sei bis 2025 von keinem nennenswerten Verkehrszuwachs auszugehen. Die Verkehrsmenge würden nur auf 85.900 Fahrzeuge pro Werktag steigen. Gegner sehen aufgrund dieser Zahlen keine Notwendigkeit für eine zusätzliche Brücke.
Zuerst wird in einer Bedarfsplanung ermittelt, ob eine Brücke überhaupt erforderlich ist. In einem sogenannten Raumordnungsverfahren soll eine geeignete Trassenführung gefunden werden. Folgend wird in einem Streckenentwurf die Straße geplant und die Kosten ermittelt. Im Planfeststellungsverfahren wird dann das Baurecht für die Straße geschaffen. In Rheinland-Pfalz wurde ein Raumordnungsverfahren durchgeführt. Auf badischer Seite wurde auf ein solches verzichtet, da durch bestehende Industrieanlagen die Linienführung grob vorgegeben sei, so das RP.
Was ist ein Planfeststellungsverfahren?
Das Planfeststellungsverfahren ist ein besonderes, streng formalisiertes Genehmigungsverfahren über die Zulässigkeit beispielsweise einer Straßenbaumaßnahme. Das Verfahren beinhaltet ein gesondertes Anhörungsverfahren und endet mit einem Planfeststellungsbeschluss. Das Planfeststellungsverfahren dient der Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange und ist Voraussetzung für die Genehmigung der Maßnahme. Auch Träger öffentlicher Belange sowie Umweltverbände werden angehört. Das Planfeststellungsverfahren wurde am 25. März 2011eingeleitet. Die Planung zur zweiten Rheinbrücke wurde aufgespaltet. Jedes Bundesland plant nur einen Teil der Brücke sowie deren Anschluss. Gegner kritisieren diese Aufspaltung.
Kann ich Einspruch gegen das Projekt erheben?
Ja. Die Pläne für das gesamte Vorhaben wurden in den betroffenen Kommunen parallel offen ausgelegt. Bürger hatten bis zum 8. Juni 2011 die Möglichkeit Einwände gegen das Vorhaben zu formulieren. Das RP prüft derzeit die Einwendungen und Stellungnahmen. Bis wann die Prüfung abgeschlossen sei, stehe noch nicht fest, so das RP auf ka-news-Nachfrage.
Wie sieht die aktuelle Planung aus?
Im Zuge der Linienfindung zwischen Karlsruhe und Wörth wurden seit 1997 zahlreiche Varianten entwickelt. Die vorliegende Planung des Regierungspräsidiums Karlsruhe (RP) beinhaltet den Bau einer Straßenbrücke etwa 1,4 Kilometer nördlich der bestehenden Rheinbrücke. Die Brücke soll an die linksrheinische B9 und die Raffineriestraße anschließen. Auf badischer Seite ist ein Anschluss an die B10 - Südtangente - am sogenannten Ölkreuz geplant.
Löst die geplante zweite Rheinbrücke die Stauproblematik?
Nicht unbedingt. Auch Befürworter fordern daher Nachbesserungen der Planung. Der Regionalverband Mittlerer Oberrhein (RVMO) besteht unter anderem auf eine Anbindung bis zur B36. Auch Vertreter von Umweltverbänden meinen, dass die aktuelle Planung ohne das Folgeprojekt "Anbindung B36 - Nordtangente Karlsruhe" keinen Sinn ergebe. Denn die Fahrbahnverengung auf zwei Spuren zwischen der alten Rheinbrücke und der Abfahrt Rheinhafen bleibe erhalten und die Stauproblematik ungelöst. Einen Anschluss an die B36 und den Bau einer Nordtangente lehnen Umweltschützer aber kategorisch ab.
Was spricht gegen eine Nordtangente?
Kritiker weisen darauf hin, dass der Bau einer zusätzlichen Rheinbrücke zu einer erhöhten Verkehrsbelastung in Karlsruhe führen und damit den Druck für den Bau der sogenannten Nordtangente - also eine durchgängige Bundesstraße von der B9 zur A5 - erhöhen würde. Damit seien negative Auswirkungen für Anwohner sowie Natur und Umwelt verbunden. Der CDU -Kreisvorsitzender Ingo Wellenreuther sieht indes den Bau der Nordtangenteund einer zweiten Rheinbrücke als optimale Lösung. "Aber ich sage klipp und klar: Hände weg vom Hardtwald. Ich bin strikt gegen eine Abholzung und Durchschneidung des Hardtwalds. Die Lösung einer Untertunnelung des Hardtwaldes halte ich allerdings für attraktiv", sagte der CDU-Politiker im vergangenen Jahr gegenüber ka-news.
Was kritisieren Umweltverbände?
Ein länderübergreifendes Bündnis aus rund 30 Naturschutzverbänden und Bürgervereinen aus Karlsruhe und der Südpfalz stellt sich gegen das Projekt. Große Mängel sieht das Bündnis unter anderem beim Naturschutz: Die heimischen Tier- und Pflanzenarten würden in den Planungen nicht ausreichend beachtet. Seltene Tierarten seien in Gefahr.
Was sagt der Karlsruher Gemeinderat?
Der Karlsruher Gemeinderat ist gegen eine zweite Rheinbrücke, wie sie aktuell vom Bund geplant wird. Während sich die CDU und das Bürgermeisteramt für eine zweite Rheinbrücke aussprachen, aber deutliche Nachbesserungen bei der Planung verlangten, votierten Grüne, SPD, Karlsruher Liste (KAL), Freie Wähler (FW), Linke und Gemeinsam für Karlsruhe (GfK) gegen den geplanten Bau. Auch die FDP sieht eine zweiten Rheinbrücke zwar dringend erforderlich, aber eben nicht so, wie sie aktuell vom Bund geplant sei. Letztlich wurde ein interfraktioneller Antrag gegen die geplante Rheinbrücke mit 26 zu 19 Stimmen angenommenenWas kostet das Projekt? Und wer zahlt?
Das Bauprojekt ist im Vordringlichen Bedarf des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen enthalten. Kostenträger ist der Bund. Die Gesamtkosten betragen rund 107 Millionen Euro. Nach bisherigen Plänen soll die Rheinbrücke bis 2016 gebaut werden.
Kann nicht einfach mehr Verkehr auf die Schiene gebracht werden?
Nach Auffassung des Fahrgastverbands Pro Bahn könnten durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs über 8.000 Pkw während des Berufsverkehrs von der Straße auf die Schiene geholt werden. Die Stadtbahnlinien müssten für Autofahrer attraktiver gemacht werden. Eine weitere Entlastung der Brücke könne durch eine Verlagerung eines teil des Güterverkehrs auf die Schiene erreicht werden.
Was wird unter der Alternative "Ersatzbrücke" verstanden?Gegner sagen, es müsse vielmehr das Ziel sein, die bestehende Rheinbrücke zu sanieren oder durch eine neue zu ersetzen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Johannes Stober schlägt daher vor, die alte Brücke durchzwei "halbe Brücken" zu ersetzten. Das Konzept sieht vor, dass zuerst die zukünftige südliche Fahrbahn der neuen Brücke als halbe Brücke zwischen die bestehende Rheinbrücke und die Bahnbrücke gebaut werden soll.
Der gesamte Verkehr könne dann ohne großen baulichen Aufwand auf die neue Halbbrücke verlegt werden. Dann könne die bestehende Brücke ohne eine Beeinträchtigung des Autoverkehrs demontiert werden. Nach der Fertigstellung der nördlichen Halbbrücke würde der gesamte Verkehr auf diesen Brückenteil verlegt. Die südliche Halbbrücke wäre dann verkehrsfrei und würde nach Norden, an die nördliche Halbbrücke, verschoben. Beide Halbstücke zusammen ergeben das abschließende Bauwerk. Der Vorschlag entstammt dem Aktionsbündnis "Pro Ersatzbrücke Maxau".
Kippt die neue grün-rote Landesregierung das Projekt?
Das baden-württembergische Verkehrsministerium plant für den umstrittenen Bau einen sogenannten Faktencheck im Herbst. Danach werde gegebenenfalls neu über das Projekt entschieden. Das sagte Staatsekretärin Gisela Splett kürzlich bei einer Podiumsdiskussion in Karlsruhe. Sie bezweifle, dass sich das Projekt planungsrechtlich durchsetzen lasse und tatsächlich verkehrstechnisch die beste Lösung ist, so Splett.
Derzeit prüft das Ministerium, ob es sich bei dem öffentlichen Faktencheck um einen runden Tisch oder eine Schlichtung handeln wird. Alle Alternativen sollen geprüft und mit intensiver Bürgerbeteiligung diskutiert werden. Das teilte das Ministerium auf ka-news-Anfrage mit. Dieser Faktenchek werde vor den sogenannten Erörterungstermin geschoben. Zweck eines Erörterungstermins im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens ist, die von Einwendern rechtzeitig erhobenen Einwände gegen ein eine Planung zu erörtern. Möglicherweise könnte der Faktencheck bereits ein frühzeitiges Ende der derzeitigen Planungen bedeuten, so ein Sprecher des Ministeriums gegenüber ka-news. Wie der Faktenchecks genau ablaufen soll, werde in vier bis sechs Wochen der Öffentlichkeit vorgestellt.
Wir wollen heute in unserer ka-news-Umfrage von Ihnen wissen: Zweite Rheinbrücke - soll die grün-rote-Landesregierung die aktuelle Planung kippen? Stimmen Sie ab!

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26.06.2011 10:30 Uhr
Nach der von Dir verlinkten Quelle ganz am Ende sinkt der Pkw-Verkehr in unserer Region sogar... Das wäre im krassen Gegensatz zu den Modus-Annahmen, die auch erläutert werden und die vom BUND & Co. auch kräftig kritisiert werden als unrealistisch.
26.06.2011 12:09 Uhr
Es ist total albern, dass es über diese Zahlen so große Diskussionen gibt. Unsicherheit ja, denn es ist eine Prognose. Aber es kann keine Diskussion geben, wenn die Prognose mal gemacht wurde. Es kann nur eine nationale Planungsbasis geben. Da kann nicht jeder in seinem Gutachten davon abweichen wie er will und die Parteien entscheiden sich dann, wem sie applaudieren. Da beim BMVBS gibt es Zahlen und die muss man nehmen, selbst wenn man eine andere Privatvermutung hat. Alles andere ist Ideologie.
26.06.2011 22:03 Uhr
Ach, Zahlen darf man schon hinterfragen ...
Wenn auch in Großstädten munter mehr Pkw / 1000E prognostiziert werden, obwohl schon überall gegenläufige Trends beobachtet werden können ...
Etc.
Oder die Auswahl der noch zu bauenden Straßen etc., die unterschiedlich sind ...
26.06.2011 12:04 Uhr
Oder ist im Rückgang in der Region schon einprognostiziert, dass der ö Nahverkehr sich weiter günstig entwickeln wird?
26.06.2011 09:16 Uhr
Schließt man daraus direkt auf die Zahl der PKW-Rheinquerungen, hat man 87,2 bis 91,2 tausend PKW.
Das Büro Modus Consult baut also entweder auf anderen Prognosezahlen auf, oder es geht davon aus, dass überdurchschnittlich viel des zusätzlichen PKW-Aufkommens den Rhein queren wird oder aber es schätzt, dass die Hälfte des von ihm prognostizierten Zuwachses Fernverkehr sein wird. Im ersten und zweiten Fall muss sich Modus Consult die Frage "Warum?" gefallen lassen, im dritten Fall stellt sich die Frage, warum eine neue Brücke, die wesentlich für europäischen Fernverkehr gebaut würde, genau da sein muss, wo viele Leute wohnen.
25.06.2011 16:32 Uhr
Denn wie zum einen mueck schrieb war es bislang immer möglich Brücken unter Teillast zu sanieren und wie zum anderen wie sich mittlerweile recht verbreitet an Erkenntnis durchgesetzt hat, ist für den Stau nicht die bestehende Brücke, sondern die Verringerung der Anzahl Spuren Ursache für den Stau bei derzeitiger Belastung. Und daran ändert die vorgestellte planung nichts.
Es stellt sich also nicht nur die Frage, ob die vorgestellte Planung NÜTZT, sondern sogar weitergehend, ob sie überhaupt für den Verkehr zu irgendeinem Zeitpunkt WIRKSAM ist.
Eine negative WIRKUNG zumindest ist bekannt: auf die öffentlichen Finanzen.
25.06.2011 21:40 Uhr
25.06.2011 12:26 Uhr
Dieses ganze kleingerede geht einem sehr auf die Nerven; es werden noch so kleine Spitzfindigkeiten rausgefunden, fadenscheinige Argumente krampfhaft gesucht alles Mögliche an den Haaren beigezogen nur um solche Projekte scheitern zu lassen.
24.06.2011 16:26 Uhr
Und sowas wollen die noch ein 2. Mal dahin stellen, wenn wir schon die Erstexemplare nicht gebacken kriegen?
Danke Nein!
Nach dem Video kann's eigentlich nur eins geben:
Alte Brücke sprengen und neue Straßenbrücke neben die Eisenbahnbrücke bauen in der guten alten, Jahrhunderte bewährten Stahlfachwerktechnik wie die Bahnbrücke.
Die Reihenfolge Sprengen-Neubau darf, wenn auch ungern, notfalls noch variiert werden
24.06.2011 17:06 Uhr