Die Gesellschaft wandelt sich: Mütter sind nicht mehr "nur" Mütter sondern auch erfolgreiche Anwältinnen, Ärztinnen oder Krankenschwestern. Beides zu vereinbaren bleibt aber nach wie vor ein schwerwiegendes Problem. Zumeist müssen sich Frauen entscheiden: Kinder oder Beruf? Eine Antwort liefert die Kinderarmut in Deutschland. Krippen: offensichtlich ein gesellschaftlicher Brennpunkt - Kinder finden keinen Platz, Erzieherinnen streiken wegen unzureichendem Lohn und zu viel Stress. Zu wenige Kitas für unter Dreijährige und zu wenige Erzieherinnen mit zu viel Arbeit?
Mütter und Erzieherinnen packen aus
Ebru Birsen, Mutter eines zweieinhalbjährigen Jungen, und Susann Pernicka, Mutter eines 15 Monate alten Mädchens, kennen die Schwierigkeiten. Ein Jahr lang hat Birsen vergebens nach einem Krippenplatz gesucht. "Die Krippen sind so überfüllt, da müsste man sich zwei Jahre vorher anmelden", bedauert sie. Einfach sei es nicht gerade gewesen, Kind und Beruf unter einen Hut zu bringen. "Ich hätte eigentlich mehr arbeiten müssen", gesteht sie. Sie habe aber Glück gehabt. Ihr Chef sei tolerant und im Notfall seien Oma und Opa eingesprungen. Das Glück hatte Pernicka nicht. Bereits während ihrer Schwangerschaft habe sie sich auf die Suche nach einem Platz gemacht, bis vor kurzem vergeblich. Bislang sei sie mit einer Tagesmutter ausgekommen. Das sei aber sehr teuer. "Viele Mütter sagen mir, Tagesmütter sind zu teuer, da bleibe ich lieber daheim." Zu wenige Krippenplätze - das geht demnach ganz schön auf den Geldbeutel.
Nicht nur Mütter stehen unter Strom. "Die psychische Druck ist stark. Für jedes Kind wird mittlerweile eine individuelle Dokumentation gefordert, schwierige Elterngespräche stehen an und die Termine beim Sozialdienst sind wegen Presonalmangels wochenlang ausgebucht", beschreibt Sabine Agneta, Leiterin der städtischen Kindergartens Haid-und-Neu-Straße die Situation. Dazu kämen die gesundheitliche Belastungen. "Gerade Erzieherinnen, die mit unter Dreijährigen arbeiten und die Kinder ständig tragen müssen, haben unter Rückenschmerzen zu leiden." (Siehe auch "Erzieherstreik: Für weniger Stress und mehr Lohn")
Der Bedarf ist noch lange nicht gedeckt
In Karlsruhe stehen den 9.876 unter Dreijährigen gerade mal 1.145 Plätze zur Verfügung. Kein Wunder also, dass Eltern so lange warten müssen. Das bestätigt auch Gabriele Hauk, Mitarbeiterin der Jugend- und Sozialbehörde. In den nächsten Jahren werde sich dies aber ändern. Gemäß der gesetzlichen Vorgaben soll bis 2013 ein Drittel der unter Dreijährigen versorgt sein. Karlsruhe strebt bis dahin sogar eine Quote von 35 Prozent an und möchte überdies bis zum Stadtgeburtstag 2015 ganze 40 Prozent erreichen. Bis Ende 2010 würden bereits 16 neue Einrichtungen gebaut. Sowohl die Keplerstraße,die Kaiserallee als auch Krankenhäuser und Unternehmen wie Siemens rüsten nach. Insgesamt seien dies 59 zusätzliche Gruppen. "Das wird natürlich den Bedarf nicht decken", meint Hauk. Schließlich sei dies eine langfristige Entwicklung und das dauere einfach.
Wie bereits in den jeweiligen Wahlprogramm bekannt gegeben, wollen sich auch die Parteien für den Ausbau der Kinderbetreuung einsetzen. Ein Drittel - das sei noch längst nicht genug, meinen sowohl Doris Baitinger, Fraktionsvorsitzende der SPD, als auch Andreas Reifsteck, Kreisvorsitzender der Jungen Union. Die SPD habe sich gar zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2015 bis zu 50 Prozent der Kinder versorgen zu können. Auch sie kritisiert, zu Recht wie Mütter bestätigen, dass sich Väter sowie Mütter bislang noch zwischen Beruf und Familie entscheiden müssen.
Kinder sind unsere Zukunft, auch wirtschaftlich gesehen
Das Ziel sei darüber hinaus, so Baitinger, "die Chancengleichheit für Kinder" herzustellen. Entgegen der Kritik so manch konservativer Stimmen, dass das Kind bei der Mutter bleiben müsse, um Werte vermittelt zu bekommen, könnten Kinder auch in Kitas viel lernen. Kunst, Sport, Musik - Kinder sollen nach Wunsch der SPD unabhängig vom Elternhaus so früh wie möglich Zugang zu Bildung erhalten. Nach Meinung von Pernicka sei dies in Kitas durchaus der Fall. Ihre Kleine mache "wahnsinnige Entwicklungsfortschritte" seit sie einen Krippenplatz bekommen hat.
"Kinder sollen nicht nur betreut, sondern auch erzogen werden", wünscht sich auch Reifsteck. Mehr Geld, mehr Arbeitskräfte - das sei es, was dieser Bereich deshalb brauche. Er verstünde auch den bestehenden Unwillen nicht, in den Nachwuchs zu investieren. "Kinder sind unsere Zukunft", meint er. Deshalb sei auch jede finanzielle Anlage im Betreuungsbereich - ob Wirtschaftskrise oder nicht - eine Investition in die Wirtschaft. Zufrieden sei er erst, wenn eine hundertprozentige Deckungsgleichheit vorliege. Bedeutet derzeit so viel wie: 9.876 unter Dreijährige - 9.876 Betreuungsplätze.