Fallen mit steigendem Promillespiegel die Hemmungen, können bald auch die Hüllen fallen. "Wenn Alkohol im Spiel ist, sind vor allem Frauen eher bereit, sich auf engeren Körperkontakt einzulassen, als ohne", weiß Brigitte Spohn-Schneck vom Dezernat Sexualdelikte der Polizei Karlsruhe aus ihrem beruflichen Alltag. Dann seien sie auch bereit Dinge zu tun, die sie nüchtern niemals tun würden.
"Die Voraussetzungen für Sexualdelikte sind an Fasching und auch bei Straßenfesten vermehrt gegeben", gibt die Beamtin zu bedenken. Die Menschen seien auf der Straße, Alkohol fließe. So mache Gelegenheit nicht nur Diebe.
Ab 0,5 Promille nimmt Erinnerungsvermögen ab
Um einen dementsprechenden Alkoholpegel zu erreichen, brauche man nicht einmal eine große Menge Alkohol. "Bei Kindern und Jugendlichen nehmen schon bei 0,2 Promille Blutalkohol das Seh- und Konzentrationsvermögen und die Koordination der Bewegungsabläufe ab. Das ist eine Flasche Bier", erklärt Barbara Siegrist, Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche am Städtischen Klinikum Karlsruhe. Erwachsene könnten zwar mehr trinken, um diesen Wert zu erreichen. Doch die Auswirkungen seien, abhängig von der Gewöhnung, durchaus ähnlich.
Bei 0,5 Promille ändern sich Verhalten und Stimmung deutlich. Jugendliche wie Erwachsene überschätzen sich leicht, während das Reaktionsvermögen abnimmt. Gleiches gilt für die Fähigkeit, sich zu erinnern. Genau darin liegt die Schwierigkeit für die Polizei, wenn Sexualdelikte im Suff zur Anzeige kommen. "Die meisten können sich nicht mehr oder nur schwammig daran erinnern, was wirklich passiert ist", sagt Spohn-Schneck. Die Beamten könnten nur schwer nachvollziehen, inwiefern ein Vorfall also erzwungen oder freiwillig war.
Nur die wenigsten Vorfälle kommen zur Anzeige
Spätestens wenn das vermeintliche Opfer seine Aussage mache, zeige sich, dass der Vorfall, wie dieses ihn schildert, nicht so passiert sein könne. "In vielen Fällen müsste der Täter acht Arme gehabt haben, wenn er gleichzeitig eine Zigarette geraucht, telefoniert, das Opfer festgehalten, es ausgezogen und seine Hose ausgezogen haben soll", gibt Spohn-Schneck zu bedenken.
Da sich Frauen, die in eine sexuelle Handlung unter Alkoholeinfluss verwickelt wurden, schämen, zeigen nur die wenigsten einen Vorfall an. "Einige kommen auch selbst. Zwar können sie sich nicht an den genauen Vorfall erinnern, aber sie fühlen anschließend, dass etwas nicht mit ihnen stimmt", erläutert die Beamtin.
"Viele Fälle stellen sich als nichtig heraus"
Die meisten Anzeigen stammten jedoch von Zeugen oder Angehörigen. "Diese werden auf das vermeintliche Opfer aufmerksam, wenn es zum Beispiel heulend auf dem Gehweg sitzt und eine zerrissene Strumpfhose trägt." Der Verdacht werde gemeldet und schnell stehe nach einer ersten Aussage ein Sexualdelikt im Raum. "Es stellt sich aber eben oft ganz anders dar, als zunächst angenommen", räumt Spohn-Schneck ein. Viele Fälle würden sich schnell als nichtig entpuppen.
Wieviele sexuelle Übergriffe sich jährlich in Karlsruhe ereignen, sei unklar. Dazu gebe es keine Statistik, zumal die meisten Fälle nicht zur Anzeige kämen. 90 Prozent der angezeigten Vorfälle stünden jedoch im Zusammenhang mit Alkohol, das heißt, dass sowohl Täter als auch Opfer betrunken waren. Dass Männer speziell auf der Suche nach betrunkenen Frauen seien, um leichte Opfer zu haben, sei nach den Erkenntnissen der Beamten des Dezernats Sexualdelikte nicht der Fall. Alkohol stimuliere zwar im ersten Moment sexuell, doch die Lust lasse mit steigendem Pegel auch schnell nach.
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