Auch wenn Corona derzeit deutlich weniger präsent ist, so mahnt Ulrich Wagner vom Gesundheitsamt Karlsruhe dennoch zur Wachsamkeit: "Unser Gesundheitssystem ist derzeit sehr angespannt." Zwar seien Anzeichen für eine wachsende Corona-Infektionsrate - nämlich ein erhöhter Virenanteil im Abwasser - durchaus gegeben, für eine Prognose allerdings nicht ausreichend, meint Wagner.
Überwachung, statt Inzidenzen
"Corona hat neben anderen Infekten eine gewisse Sonderrolle inne. Wie und ob neue Mutationen für eine erneute Welle sorgen, lässt sich nie exakt bestimmen", so der Leiter für Gesundheitsschutz. Die messbaren Daten können also nur eine Tendenz vorgeben, und die sei derzeit konstant. Die Zahl an Infektionen steigt - losgelöst von der sogenannten Inzidenz.

Auf eines möchte der Abteilungsleiter für Gesundheitsschutz dringend aufmerksam machen: "Inzidenzen liefern uns keine verlässlichen Informationen mehr - und das bereits seit geraumer Zeit. In die Inzidenzen gehen nämlich nur die Positiv mit einem PCR-Test Getesteten ein." Doch längst stünde dieser nicht mehr an der Tagesordnung. "In Kliniken wird noch der PCR-Test durchgeführt und in der Atemwegdiagnostik findet er Anwendung. Der Umfang ist jedoch weit zurückgegangen."
Viel verlässlicher seien Daten aus Überwachungssystemen, meint Wagner. So liefert das Abwassermonitoring der Stadt Karlsruhe beispielsweise verlässliche Informationen, um einen Eindruck des Corona-Infektionsverlaufs zu bekommen. Dies betreibt die Stadt Karlsruhe bereits seit einiger Zeit konsequent, denn: "Aufs Klo gehen müssen schließlich alle Menschen. Deshalb dient uns der Virenanteil im städtischen Abwasser als verlässlicher Indikator", erklärt Wagner vom Gesundheitsamt.

Als weitere Informationsquelle zieht das Gesundheitsamt die Daten von sogenannten "Überwachungspraxen" zurate. Das Robert Koch Institut (RKI) ermittelt mithilfe der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI), wie häufig Atemwegserkrankungen auftreten. Neben der "echten Grippe" (Influenza) werden auch RSV-Infektionen (Respiratorisches Synzytial-Virus) und Corona (SARS-CoV-2) erfasst. Wer sich einen Überblick über die Infektionsverläufe von Atemwegserkrankungen machen will, kann dies auf deren Internetseite herausfinden: influenza.rki.de
"Wachsam bleiben"
Für den Abteilungsleiter für Gesundheitsschutz ist die Infektionsrate alarmierend. "Wir notieren derzeit Atemwegsinfekte ohne Ende", erklärt Wagner. Dominiert werden die Befunde allerdings nicht von Corona, sondern von Influenza und dem RS-Virus. Dennoch sei Corona weiterhin ernst zu nehmen, meint der Gesundheitsexperte. "Corona ist nicht weg und ein massiver Anstieg an Infektionen wäre in der momentanen Situation fatal."

Fatal deshalb, weil die Notaufnahmen in den Kliniken derzeit alltäglich über ihre Grenzen gingen. "Vor allem in den Kinderkliniken erleben wir in Zusammenhang mit dem RS-Virus eine sehr besondere Situation", bekräftigt Wagner. Das Immunsystem vieler Menschen müsse sich nach zwei Jahren erst wieder auf die Umstände einstellen.
Von Corona gelernt
Die zwei Corona-Jahre, geprägt von Masken und Kontaktbeschränkungen, hätten allerdings auch positive Spuren hinterlassen, meint Wagner. Vor der Epidemie hab der Abteilungsleiter für Gesundheitsschutz kaum eine Maske gesehen, nun werde der Schutz als alltäglich betrachtet. Das sei ein Gewinn denn: "Die Maßnahmen gegen Corona funktionieren auch bei anderen Infekten", so Wagner.

Für erneute Kontaktbeschränkungen fehlt es in der Bevölkerung an Akzeptanz. "Unsere sozialen Kontakte sind wichtig. Vor allem bei älteren Menschen sind diese während der vergangenen zwei Jahre häufig weggebrochen", meint Wagner. Dennoch könnten nach Einschätzung des Experten solche Empfehlungen im Jahr 2023 erneut kommen.
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